Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schifter als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A und Herbert B wegen des Vergehens des Diebstahles nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Jugendschöffengericht vom 3. Jänner 1979, GZ. 9 Vr 840/78-14, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers der Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Hein, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Punkt
I) des Schuldspruches (betreffend das Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB) sowie im Ausspruch über die Strafe aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Johann A und Herbert B werden von der Anklage, sie haben fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichernn und zwar:
1.) Johann A und Herbert B in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) Mitte Oktober in Langstadl, Gemeinde Hohenzell, dem Hans C ein Kaninchen im Wert von ca. 80 S;
2.) Johann A allein a) Anfang Oktober 1978 in Langstadl, Gemeinde Hohenzell dem Hans C eine Henne im Wert von ca. 75 S, b) am 25. Oktober 1978 in Emprechting, Gemeinde Hohenzell, der Maria D ein Kaninchen im Wert von ca. 70 S, und haben hiedurch das Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 1 StPO freigesprochen.
Es werden Johann A für die in den Punkten II) und III) des erstgerichtlichen Schuldspruches bezeichneten Vergehen der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 2
StGB und der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB nach letzterer Gesetzesstelle unter Anwendung der § 28 StGB und 11 JGG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 40 (vierzig) Tagessätzen zu je 70 (siebzig) Schilling, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 (zwanzig) Tagen, und Herbert B für das im Punkt II) des erstinstanzlichen Schuldspruches bezeichnete Vergehen der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 2 StGB nach dem § 164 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 40 (vierzig) Tagessätzen zu je 70 (siebzig) Schilling, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 (zwanzig) Tagen, verurteilt.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Johann A und Herbert B auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 23. November 1960 geborene Hilfsarbeiter Johann A und der am 18. September 1960 geborene Hilfsarbeiter Herbert B des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB sowie des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 2 StGB, der Erstgenannte überdies des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB schuldig erkannt, weil I) Johann A und Herbert B fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert den nachstehend genannten Personen mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
1) Johann A und Herbert B in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) Anfang Oktober 1978 in Langstadl, Gemeinde Hohenzell, dem Hans C ein Kaninchen im Werte von ca. 80 S;
2) Johann A allein a) Mitte Oktober 1978 in Langstadl, Gemeinde Hohenzell, dem Hans C eine Henne im Werte von ca. 75 S, b) am 25. Oktober 1976 in Emprechting, Gemeinde Hohenzell, der Maria D ein Kaninchen im Werte von ca. 70 S;
II) Johann A und Herbert B im bewußten und gewollten Zusammenwirken am 29. Oktober 1978 in Wöging, Gemeinde Hohenzell, zwei von den abgesondert Verfolgten Walter G und Gerhard H dem Dietfried I gestohlene Hennen im Gesamtwert von ca. 400 S, mithin Sachen, die andere durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatten, an sich gebracht haben;
III) Johann A am 25. Oktober 1978 in Langstadl, Gemeinde Hohenzell, dadurch, daß er eine Holztür eintrat, wodurch Hans C einen Schaden von ca. 300 S erlitt, eine fremde Sache beschädigt hat. Herbert B wurde von der Anklage, er habe Anfang Oktober 1978 in Langstadl, Gemeinde Hohenzell, in Gesellschaft des Johann A als Beteiligten (§ 12 StGB) eine fremde bewegliche Sache in einem 5.000
S nicht übersteigenden Wert, nämlich eine Henne im Werte von 75 S, dem Hans C mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und hiedurch das Vergehen des Diebstahls nach den § 127 Abs. 1
und Abs. 2 Z 1 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.
Mit ihrer - gemeinsam ausgeführten - Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfen die Angeklagten Johann A und Herbert B unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO den Schuldspruch
wegen des Vergehens des Diebstahls (Punkt I des Urteilssatzes) und
wegen des Vergehens der Hehlerei (Punkt II des Urteilssatzes). Der nur den Angeklagten Johann A betreffende Schuldspruch wegen Vergehens der Sachbeschädigung (Punkt III des Urteilssatzes) und ein in Ansehung des Angeklagten Herbert B erfolgter Teilfreispruch sind unangefochten geblieben.
In der Beschwerde vertreten die Angeklagten (der Sache nach unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO /vgl. dazu u.a. ÖJZ-LSK 1976/134 und 12 Os 193/77/ ) die Auffassung, es sei die Beurteilung der von den Punkten I und II des Schuldspruches erfaßten Handlungen als Diebstahl und als Hehlerei rechtsirrig, handle es sich doch bei den betreffenden Tieren durchwegs um Sachen geringen Wertes, die sie deshalb genommen hätten, weil sie damals beide arbeitslos und ohne Geld gewesen seien und ihren Hunger stillen wollten. Es komme daher nur der Tatbestand der Entwendung nach dem § 141 StGB in Betracht; mangels Verfolgungsermächtigung seitens der Geschädigten hätte das Erstgericht in diesen Fällen mit Freispruch vorgehen müssen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Ausführungen kommt in bezug auf den Schuldspruch wegen Vergehens des Diebstahls (Punkt I des Urteilssatzes) Berechtigung zu.
Laut Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten Johann A und Herbert B Anfang Oktober 1978 dem Hans C ein Kaninchen im Werte von ca. 80 S und der Angeklagte Johann A allein Mitte Oktober 1978 dem Hans C eine Henne im Werte von ca. 75 S sowie am 25. Oktober 1978 der Maria D ein Kaninchen im Werte von ca. 70 S weggenommen, weil sie Hunger hatten und kein Geld besaßen, um sich etwas kaufen zu können (Seiten 97-98 und 99-100 d. A).
Nach Ansicht des Erstgerichtes war die Wegnahme der Tiere nicht als Entwendung im Sinne des § 141 Abs. 1
StGB, sondern als Diebstahl zu qualifizieren, weil bei Beurteilung der Frage des geringen Wertes die Empfindlichkeit des Schadens für den Betroffenen im Vordergrund stehe; für Hans C als 73-jährigen Pensionisten und für Maria D als 56-jährige Hausfrau seien aber die Kaninchen und die Henne ein empfindlicher Verlust gewesen, weshalb aus deren Sicht die Tiere nicht mehr als Sachen geringen Wertes bezeichnet werden könnten. Zudem müsse, da die Angeklagten schon längere Zeit ohne Einkommen gewesen waren, die Wegnahme der Kaninchen und der Henne als eine Gesamttat gewertet werden, die auf einen einheitlichen Willen, nämlich die Bestreitung des Lebensunterhaltes, zurückgegangen sei. Schließlich könne man von einer Entwendung nur dann sprechen, wenn ein gegenwärtiges Bedürfnis befriedigt werden soll; Johann A habe aber den bei Maria D gestohlenen Hasen nicht sofort zur Gänze aufgegessen, sondern eine Hälfte eingefroren (S. 100 d. A).
Die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht hält einer überprüfung
nicht stand.
(Nur) Entwendung nach dem § 141 Abs. 1 StGB fällt demjenigen zur Last, der aus Not, aus Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes eine Sache geringen Wertes einem anderen entzieht oder sich oder einem Dritten zueignet, wenn die Tat sonst als Diebstahl, Entziehung von Energie, Veruntreuung, Unterschlagung, dauernde Sachentziehung oder Eingriff in fremdes Jagdrecht oder Fischereirecht strafbar wäre und es sich nicht um einen der Fälle der § 129, 131, 138 Z 2 und Z 3 und 140 StGB handelt. 'Geringer Wert' ist relativ nach den Umständen des Einzelfalles unterhalb einer Maximalgrenze von 500 S aufzufassen, in welchem Zusammenhang auch der Empfindlichkeit des Schadens für den Betroffenen Bedeutung zukommt (vgl. dazu u. a. SSt 46/71 = ÖJZ-LSK 1976/28).
Eine Zusammenrechnung (§ 29 StGB) der Werte von bei mehreren Entwendungen erbeuteten Sachen findet nicht statt, es sei denn, daß es sich um fortgesetzte Angriffe handelt, die einem einheitlichen Willensentschluß entsprungen sind, der die wiederholten Angriffe als eine Gesamttat erscheinen läßt.
Im vorliegenden Fall bewegt sich den Urteilsfeststellungen zufolge der Wert der von den Angeklagten weggenommenen Tiere zwischen 70 und 80 S und liegt damit jeweils so weit unter der von der Rechtsprechung mit 500 S angenommenen Maximalgrenze, daß selbst unter der Annahme, das Abhandenkommen der Tiere stelle für die Geschädigten einen empfindlichen Verlust dar, die - jedenfalls nicht nur nach subjektiven Gesichtspunkten zu beantwortende (vgl. ÖJZ-LSK 1975/122) - Frage des geringen Wertes zu bejahen ist. Von einer 'Gesamttat' kann auf Grund der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellung (Seiten 97-98 d. A) nicht gesprochen werden, weil die Tathandlungen des Angeklagten Johann A keinem (vorgefaßten) einheitlichen Willensentschluß, sondern (wenngleich situationsbedingt gleichartigen) wiederholten Willensentschlüssen entsprungen sind, und dem Angeklagten Herbert B überhaupt nur eine derartige Tathandlung (Punkt I/1 des Schuldspruches) zur Last liegt.
Daß die Angeklagten in den von den Punkten I/1 und I/2/a des Schuldspruches erfaßten Fällen 'aus Not' bzw. 'zur Befriedigung eines Gelüstes' gehandelt haben, wird vom Erstgericht nicht in Zweifel gezogen. Was aber die den Gegenstand des Punktes I/2/b des Schuldspruches bildende Tat anbelangt, so kann Entwendung auch durch Zueignung von Sachen begangen werden, die objektiv wegen ihrer Beschaffenheit oder Menge nicht nur die (sofortige) Befriedigung eines Gelüsts ermöglichen, sondern auch später zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung weiterverwendet werden können (ÖJZ-LSK 1978/170).
Die vom Punkt I des Schuldspruches erfaßten Tathandlungen sind demnach nicht als Diebstahl, sondern als Entwendung im Sinne des § 141 Abs. 1 StGB zu beurteilen, zu deren Verfolgung jedoch die Verletzten die gemäß dem § 141 Abs. 2 StGB erforderliche Ermächtigung nicht erteilt haben (s. auch S. 99 d. A).
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Johann A und Herbert B war daher teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil im Punkt I des Schuldspruches sowie im Ausspruch über die Strafe aufzuheben und im Umfange dieser Aufhebung wie aus dem Spruche ersichtlich zu erkennen.
In bezug auf den Schuldspruch wegen Vergehens der Hehlerei (Punkt II des Urteilssatzes) war die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten jedoch zu verwerfen, weil es sich laut taxativer Aufzählung im § 141 Abs. 1 StGB bei Hehlerei um kein für eine Privilegierung im Sinne dieser Gesetzesstelle in Betracht kommendes Delikt handelt, weshalb auch der von den Beschwerdeführern aufgeworfenen, unter dem Gesichtspunkt der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO aufzufassenden Frage des Wertes der von den Angeklagten verhehlten Hennen entscheidungswesentliche Bedeutung nicht zukommt.
Bei der infolge Aufhebung eines Teiles des Schuldspruches erforderlichen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend: die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen, bei Johann A überdies die Begehung von zwei strafbaren Handlungen (verschiedener Art), hingegen als mildernd: die vernachlässigte Erziehung und das Geständnis, (siehe S. 85 und 86/87) bzw. den Beitrag zur Wahrheitsfindung (vgl. insbesondere S. 88 und 89), bei B auch den Umstand, daß er die (Hehlerei-)Tat (zwar) nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres beging.
Im Gegensatz zu B hat A zwei Delikte zu verantworten, diesem kommt jedoch die (strafsatzhalbierende) Bestimmung des § 11 JGG zugute. Auf der Basis der festgestellten Strafzumessungsgründe und der persönlichkeits- und tatbezogenen Schuld (§ 32, 19 Abs. 1 StGB) sowie der persönlichen Verhältnisse und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Angeklagten (§ 19 Abs. 2 StGB) - beide haben keine Sorgepflicht, nach den an den Obersten Gerichtshof erstatteten Berichten des Bewährungshelfers vom 14. März 1979 ist nunmehr A als Hilfsarbeiter und B als Hilfsspengler beschäftigt - erscheinen die verhängten Geldstrafen angemessen.
Infolge der Strafneubemessung wurde die Berufung der Angeklagten gegenstandslos. Sie waren daher mit diesem Rechtsmittel auf die vom Obersten Gerichtshof gefällte Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche angeführte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01939European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00029.79.0424.000Dokumentnummer
JJT_19790424_OGH0002_0110OS00029_7900000_000