Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schifter als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens der Amtsanmaßung nach dem § 314 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Saalfelden a. St. M. vom 23. März 1977, GZ. U 41/77-4, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 23. März 1977, GZ U 41/77-4, womit Josef A des Vergehens der Amtsanmaßung nach dem § 314 StGB schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe verhängt wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 461 Z 1 StPO sowie der § 314 und 38 StGB Diese Strafverfügung sowie alle hierauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben.
Text
Gründe:
Der Gärtner Josef A wurde am 11. Jänner 1977
vom Gendarmeriepostenkommando Saalfelden a. St. M. dem Bezirksgericht Saalfelden wegen der Vergehen des Landzwanges, der gefährlichen Drohung, der Amtsanmaßung und der Täuschung angezeigt (ON 1 der Akten U 41/77 des Bezirksgerichtes Saalfelden). Die am 14.1.1977 bei Gericht eingelangte Anzeige bezeichnet in 17 Punkten derartige, in der Zeit vom Sommer 1975 bis 25. Dezember 1976 begangene strafbare Handlungen, deren Josef A nach den durchgeführten Erhebungen verdächtig war. Aus der Anzeige ist ersichtlich, daß Josef A vom Gendarmeriepostenkommando Saalfelden am 27. Dezember 1976, nachdem mit seiner Einvernahme gegen 08 Uhr 30 begonnen worden war, um 11 Uhr 30 in vorläufige Verwahrung genommen und am 28. Dezember 1976 um 11 Uhr freigelassen wurde (S. 22, 23 d. A).
Am 27. Jänner 1977 beantragte die Staatsanwaltschaft Salzburg die Bestrafung des Josef A hinsichtlich der Anzeigefakten 1 bis 14 und 17 nach dem § 314 StGB; zu einer darüber hinausgehenden gerichtlichen Verfolgung fand sie keinen Grund (S. 85 d. A). Das Bezirksgericht Saalfelden erließ hierauf am 23. März 1977 eine Strafverfügung (ON 4 d. A), worin Josef A als das Vergehen der Amtsanmaßung nach dem § 314 StGB zur Last gelegt wurde, er habe 'in der Zeit von Sommer 1975 bis Ende Dezember 1976 in Saalfelden, ohne dazu befugt zu sein, sich dadurch die Ausübung eines öffentlichen Amtes angemaßt, daß er in wiederholten Fällen verschiedene Personen anrief und dabei vorgab, als Beamter des B Saalfelden zu sprechen und dabei es zum Teil zu vorgetäuschten dienstlichen Aufforderungen kommen ließ, z. T. es dabei bewenden ließ, sich als Amtsperson auszugeben und dabei Handlungen vorgenommen, die nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden dürfen'. Es wurde über ihn eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen verhängt, die Höhe des Tagessatzes mit 100 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen festgesetzt.
Diese dem staatsanwaltschaftlichen Funktionär am 25. März 1977 zur Einsicht vorgelegte und dem Beschuldigten sodann am 30. März 1977 zu eigenen Handen zugestellte Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft; die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist wurde dem Beschuldigten mit Beschluß des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 3. November 1977 verweigert (ON 9 d. A).
Die Strafe ist noch nicht vollzogen.
Rechtliche Beurteilung
Die genannte Strafverfügung des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 23. März 1977, GZ U 41/77-4, steht in mehrfacher Beziehung mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Gemäß dem § 461 Z 1 StPO müssen in einer Strafverfügung die Beschaffenheit der strafbaren Handlung, die Zeit und der Ort ihrer Begehung angegeben sein. Die Strafverfügung hat also die Tathandlungen, durch die das Tatbild verwirklicht wurde, konkret anzuführen; die Tat ist aber auch soweit zu individualisieren, daß sie mit einer anderen nicht verwechselt werden kann (RZ 1966 S 87; ÖJZ-LSK 1977/239).
Diesen Erfordernissen wurde im vorliegenden Fall nicht entsprochen. Es geht nämlich aus der zitierten Strafverfügung nicht mit genügender Deutlichkeit hervor, welche der zahlreichen zur Anzeige gebrachten und nach ihrer Gestaltung differenten Vorfälle von ihr überhaupt erfaßt werden. Die Strafverfügung läßt aber auch nicht ersehen, in welchen Fällen das Gericht die Vornahme einer (scheinbaren) Amtshandlung durch den sich bei seinen Anrufen als (Gendarmerie-)Beamter ausgebenden Beschuldigten als erwiesen angenommen hat; heißt es doch darin, er habe 'es zum Teil zu vorgetäuschten dienstlichen Aufforderungen kommen ..., z(um) T(eil) es dabei bewenden (lassen), sich als Amtsperson auszugeben'. Durch den zuletzt aufgezeigten Mangel verstößt die Strafverfügung auch gegen das materielle Strafrecht:
Nach dem § 314 StGB begeht das Vergehen der Amtsanmaßung, wer sich die Ausübung eines öffentlichen Amtes anmaßt (erster Deliktsfall) oder, ohne dazu befugt zu sein, eine Handlung vornimmt, die nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf (zweiter Deliktsfall). Zum ersten Deliktsfall bedarf es demnach der Vornahme einer Handlung, die sich als Ausübung des angemaßten Amtes darstellt; das bloße Auftreten als Beamter ohne Vornahme einer (scheinbaren) 'Amtshandlung' stellt dieses Tatbild nicht her. Hingegen besteht der zweite Deliktsfall in der unbefugten Vornahme einer den Trägern eines öffentlichen Amtes vorbehaltenen Handlung, ohne daß sich der Täter für einen (hiezu befugten) Beamten ausgibt (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB S 1223; Foregger-Serini, StGB2 S 506 f).
Soweit sich die übrigens bei der Beschreibung der Tat die Merkmale beider Deliktsfälle vermengende Strafverfügung des Bezirksgerichtes Saalfelden - verbis 'z(um) T(eil)' -
(auch) auf Anrufe bezieht, bei welchen der Beschuldigte 'es dabei bewenden ließ, sich als Amtsperson auszugeben', beruht sie sohin auf einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes zum Nachteil des Beschuldigten. Die bereits gerügte mangelhafte Individualisierung und Konkretisierung der Tat(en) in der gegenständlichen Strafverfügung hat aber zur Folge, daß eine Abgrenzung des Umfanges, in welchem die Strafverfügung von dem aufgezeigten Rechtsmangel betroffen ist, nicht möglich erscheint.
Da es sohin im Sinne der § 292, 289 StPO nicht zu vermeiden ist, die Strafverfügung - und alle hierauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen - zur Gänze aufzuheben, bleibt nur noch, am Rande auf den im Unterbleiben einer Anrechnung der Verwahrungshaft auf die Geldstrafe gelegenen Verstoß gegen die Bestimmung des § 38 StGB hinzuweisen. Denn darnach ist jedenfalls eine das Ausmaß der geringsten zeitlichen Freiheitsstrafe von einem Tag (§ 18 Abs. 2 StGB) übersteigende Verwahrungshaft, und zwar auch dann, wenn die Festnahme durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne Auftrag eines Gerichtes erfolgt ist, auf die Strafe anzurechnen; auf den Akt (und Zeitpunkt) einer formellen Festnahme kommt es dabei nicht an (ÖJZ-LSK 1977/55). So gesehen befand sich Josef A im gegenständlichen Verfahren vom 27. Dezember 1976 (08 Uhr 30) bis 28. Dezember 1976 (11 Uhr) im Gewahrsam des Gendarmeriepostenkommandos Saalfelden und sohin in Verwahrungshaft, welche ihm auf die Geldstrafe hätte angerechnet werden müssen.
Aus all diesen Erwägungen war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wie aus dem Spruche ersichtlich zu erkennen, wobei es nunmehr Sache des Bezirksgerichtes Saalfelden sein wird zu prüfen, ob die Strafbarkeit der inkriminierten Taten infolge Verjährung erloschen ist.
Anmerkung
E01940European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00018.79.0424.000Dokumentnummer
JJT_19790424_OGH0002_0110OS00018_7900000_000