TE OGH 1979/4/26 12Os34/79

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Veröffentlicht am 26.04.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.April 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen gemäß § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 11.Januar 1979, GZ 11 a Vr 760/78-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Größwang und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 17.Oktober 1959 geborene Schlossergeselle Werner A des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs 1

StGB und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er Mitte August 1978 und am 29.August 1978 in Wilfersdorf dadurch, daß er durch die am 19.November 1973 geborene, sohin unmündige Karola A, welche seiner Aufsicht unterstand, an sich einen Mundverkehr vollziehen

ließ, 1.) eine unmündige Person auf andere Weise als durch

Beischlaf zur Unzucht mißbraucht und 2.) dabei seine Stellung

gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person mißbraucht hat.

Mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3 (gemeint wohl Z 5) und 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte Werner A nur den Schuldspruch wegen Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses (Punkt 2 des Urteilssatzes); den Schuldspruch wegen Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen läßt er unangefochten.

Als Begründungsmängel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO rügt der Beschwerdeführer Unvollständigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen sowie Angabe nur offenbar unzureichender Gründe.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten geltend gemachte Begründungsmängel sind nicht gegeben.

Den Gründen des angefochtenen Urteils zufolge ist Werner A am 29. August 1978 zu seinem Bruder Josef A nach Wilfersdorf gefahren und hat dort die Kinder seines Bruders, den sechsjährigen Christian und die (noch nicht) fünfjährige Karola, aufgefordert, mit ihm eine Weile spazieren zu gehen. Nachdem der Angeklagte den Buben unter einem Vorwand zurückgeschickt hatte, nahm er sein steifes Glied heraus und steckte es dem Mädchen in den Mund. Eine gleichartige Unzuchtshandlung hatte Werner A bereits vierzehn Tage vorher begangen, als er ebenfalls, in diesem Fall allein, mit seiner Nichte spazieren gegangen war.

Daß die Kinder dem Angeklagten von deren Eltern zur Aufsicht ausdrücklich anvertraut worden sind, wurde zwar vom Erstgericht nicht festgestellt, ist aber von keiner rechtlichen Bedeutung. Denn es genügt, daß nach den Umständen des Falles ein faktisches Aufsichtsverhältnis tatsächlich begründet wurde und somit vorlag. Dies ergibt sich nicht nur aus den, eine Einheit mit dem Spruch aufzufassenden Gründen des Urteils, sondern darüberhinaus auch aus der Verantwortung des Angeklagten selbst im Zusammenhalt mit den übrigen Verfahrensergebnissen zumal diese Tatsachenfeststellungen selbst von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen werden. Soferne in diesem Zusammenhang andeutungsweise auf eine verminderte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten hingewiesen wird, sind diese Ausführungen jedenfalls im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde ohne rechtliche RelevanZ

Die Mängelrüge erweist sich somit als unbegründet.

Als gleichfalls nicht zielführend erweist sich auch die Rechtsrüge. Des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB, macht sich schuldig, wer sein minderjähriges Kind, Wahlkind, Stiefkind oder Mündel und wer unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht mißbraucht

....

Anders als § 132 III StG. 1945 stellt § 212 Abs 1

StGB nicht auf ein 'Anvertrautsein', sondern auf ein 'Unterstehen' ab, um auch Autoritätsverhältnisse erfassen zu können, bei denen von einem 'Anvertrauen' begrifflich nicht gesprochen werden könnte (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 958). In bezug auf Eltern, Wahleltern, Stiefeltern und Vormünder Minderjähriger wird das Bestehen eines Autoritätsverhältnisses vom Gesetzgeber vorausgesetzt. Ob sonst ein Autoritätsverhältnis vorliegt, dem zufolge eine minderjährige Person der Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht des Täters untersteht, ist nach den Umständen des einzelnen Falles unter Berücksichtigung der Anschauungen und Erfahrungen des täglichen Lebens zu beurteilen. Beizupflichten ist dem Beschwerdeführer darin, daß bei zufälligen, 'sich geradezu aus der Situation heraus ergebenden' Gruppierungen nicht schlechthin die jüngeren (oder dümmeren) den anderen 'unterstellt' sind.

Daraus ist aber für den Angeklagten nichts zu gewinnen, weil es sich im vorliegenden Fall keineswegs um eine nur zufällig zustandegekommene Gruppierung von mehreren - einander fremden - Personen, sondern beim Angeklagten um den (achtzehnjährigen) Onkel des noch nicht einmal fünfjährigen Mädchens handelt, der die Kinder seines Bruders aus deren Elternhaus zu einem Spaziergang mitgenommen hat.

Wenn ein Erwachsener eine noch aufsichtsbedürftige Person - im vorliegenden Fall ein Kleinkind - auch nur für eine zeitlich beschränkte Dauer aus dem Elternhaus wegbringt und damit faktisch in seine alleinige Obhut nimmt, so trifft ihn eine Aufsichtspflicht, welche durchaus die Annahme eines Autoritätsverhältnisses im Sinne des § 212 Abs 1 StGB rechtfertigt, und es wäre mit den Anschauungen und Erfahrungen des täglichen Lebens unvereinbar, dem betreffenden Kind in einem solchen Fall den Schutz dieser Bestimmung zu versagen (siehe EvBl. 1950/17 und 1966/42).

Das Erstgericht konnte daher ohne Rechtsirrtum annehmen, daß das zur Tatzeit noch nicht einmal fünfjährige Mädchen während des gemeinsamen Spazierganges unter der Aufsicht des Angeklagten stand und dieser die Tathandlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden Minderjährigen begangen hat.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner A war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 207 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten und nahm bei der Strafzumessung als erschwerend die Wiederholung der Tathandlungen, das Zusammentreffen zwischen einem Verbrechen und einem Vergehen und die Verwerflichkeit der Begehung, als mildernd hingegen die Verübung der Straftaten vor Vollendung des 21. Lebensjahrs, den ordentlichen Lebenswandel und das reumütige Geständnis an.

Die Berufung des Angeklagten, die Strafminderung unter Anwendung des § 41 StGB und bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe anstrebt (die Verhängung einer Geldstrafe wird nicht ausdrücklich begehrt), ist nur teilweise begründet.

Keine Berechtigung kommt ihr zu, soferne sie eine Herabsetzung der Dauer der Freiheitsstrafe begehrt, denn es kann (schon im Hinblick auf die zweimalige Begehung und die gezielten Einladungen des Mädchens zum Spazierengehen) weder von einer Unbesonnenheit die Rede sein, noch ist die behauptete Infantilität durch die Aktenlage gedeckt.

Das Erstgericht hat vielmehr die vorliegenden Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig und richtig angeführt, aber auch zutreffend gewürdigt. Von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe kann daher nicht die Rede sein, zumal bei der gezeigten Labilität auch keine begründete Aussicht gegeben ist, daß der Angeklagte bei einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.

Begründet hingegen erscheint die Berufung, soferne sie die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe anstrebt.

Generalpräventive Gründe sprechen nicht gegen eine solche Maßnahme, da die Tat im Familienkreis begangen wurde. Mag auch das Alter des Mädchens die Tat sehr verwerflich erscheinen lassen, so sind nach den Lebenserfahrungen schwerwiegende psychische Schäden nicht zu erwarten, da solche Erlebnisse aus dem Bewußtsein eher verdrängt werden.

Gerade der in Schwebe bleibende Strafvollzug scheint nach Lage des Falles als das kriminalpolitisch zweckmäßigere Mittel, um den Angeklagten vor Begehung solcher oder ähnlich gelagerter strafbarer Handlungen abzuhalten, als der sofortige Vollzug einer Freiheitsstrafe.

Insoweit war der Berufung teilweise Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO

Anmerkung

E01974

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00034.79.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19790426_OGH0002_0120OS00034_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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