TE OGH 1979/5/8 9Os20/79

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.1979
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Mai 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführer in der Strafsache gegen William Charles A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 20.Dezember 1978, GZ 20 Vr 3525/77-82, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und über die Berufung des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Horst Ringer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und der Ausspruch über die Anrechnung der vom Angeklagten William Charles A in der Zeit vom 6.Dezember 1978, 9,10 Uhr bis 20.Dezember 1978, 12,40 Uhr erlittenen Haft aus dem Urteil ausgeschieden. Der Berufung des Angeklagten wird dahingehend Folge gegeben, daß die über ihn verhängte Zusatzfreiheitsstrafe auf fünf (5) Jahre und vier

(4) Monate herabgesetzt wird.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.November 1948 geborene Bäcker William Charles A in einem wiederaufgenommenen Verfahren (siehe dazu die Akten AZ 10 Vr 3029/71, 17 Vr 1772/70 und 17 Vr 1704/72 des Landesgerichtes Innsbruck) auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen (erneut) des am 18.Mai 1971 in der Nähe von Ben Arab (Marokko) begangenen Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 StGB, sowie der Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4

StGB (Tatorte: Tarragona in Spanien, Sete in Frankreich und Lerici in Italien) und des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 12 StGB /Tatorte:

Lerici, Mailand (in Italien), München, Kinitri (in Marokko) sowie Lyon, Sete, Clermont-Ferrand (in Frankreich) / schuldig erkannt; von einem weiteren Anklagepunkt wurde er rechtskräftig freigesprochen. Gemäß § 359 Abs 3 StPO (§ 38 StGB) wurde ihm auf die (gemäß §§ 31 und 40 StGB als Zusatzstrafe zu drei zwischenzeitig erfolgten Abstrafungen unter Anwendung des § 28 StGB) nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB verhängte sechsjährige Freiheitsstrafe die in den wiederaufgenommenen Verfahren wegen dieser Taten bereits verbüßte Haft bzw. die Auslieferungs- und Untersuchungshaft nach erfolgter Wiederaufnahme, sohin insgesamt die Zeit seit dem 8. September 1974, 8 Uhr 00, bis zum 1.März 1978, 10 Uhr 45, angerechnet; desgleichen auch gemäß § 38 StGB

die (ab Rechtskraft des zu AZ 27 Vr 2267/78 des Landesgerichtes Innsbruck gefällten Urteiles) erlittene Haft vom 6.Dezember 1978, 9 Uhr 10 bis zum 20.Dezember 1978, 12 Uhr 40.

Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft; der Angeklagte macht ziffernmäßig (nur) den Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO, der Sache nach aber auch jenen der Z 6 leg. cit. geltend; die Staatsanwaltschaft stützt ihr Rechtsmittel auf § 345 Abs 1 Z 13 StPO

Rechtliche Beurteilung

I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Zum Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO

bringt der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzende Beschwerdeführer vor, der Schwurgerichtshof habe durch Abweisung seines Antrages auf Anfrage bei den zur Strafverfolgung seiner im Ausland begangenen Taten an sich zuständigen Behörden, ob er dort außer Verfolgung gesetzt worden sei, seine Verteidigungsrechte verletzt. Denn es entfalle die Strafbarkeit einer von einem Ausländer im Ausland begangenen Tat im Inland u.a. dann (§ 65 Abs 4 Z 2 StGB), wenn der Täter von einem Gericht des Tatortstaates (rechtskräftig freigesprochen oder sonst) außer Verfolgung gesetzt worden sei. Die für die Abweisung des Antrages gegebene Begründung des Schwurgerichtshofes, aus den Akten ergebe sich, daß wegen der in Marokko begangenen Tat gar keine Klage eingebracht und daher auch kein Strafverfahren eingeleitet worden sei, weshalb die Voraussetzungen für die Anwendung des § 65 Abs 4 StGB nicht gegeben sein könnten, sei ebensowenig stichhältig, wie die weitere Erwägung des Schwurgerichtshofes, der bezüglich der übrigen Anklagepunkte ausgeführt hat, daß sich aus den Akten kein Anhaltspunkt für ein Erlöschen der Strafbarkeit ergebe und auch der Angeklagte diesbezüglich keine konkreten Angaben gemacht habe; bloße Vermutungen des Antragstellers in dieser Richtung aber seien nicht relevant. Diese Ausführungen könnten, so meint der Beschwerdeführer, nicht als hinreichende Begründung angesehen werden, weil es nicht an ihm liege, entsprechende Nachforschungen anzustellen, sondern der Untersuchungsbehörde der Nachweis gelingen müsse, daß die Strafbarkeitsvoraussetzungen gegeben sind.

Die Verfahrensrüge ist nicht begründet.

Auszugehen ist zunächst davon, daß keiner der Staaten, in denen der Angeklagte Straftaten begangen hat (Marokko, Spanien, Frankreich, Italien und die BRD.) die ihm angebotene Auslieferung des Beschwerdeführers innerhalb der hiefür vom Bundesministerium für Justiz gesetzten Frist begehrt, die BRD. vielmehr sogar ausdrücklich auf eine Auslieferung verzichtet hat (ONr. 20 und 24). Hierin ist ein 'Außerverfolgungsetzen' im Sinn des § 65 Abs 4 Z 2 StGB ebensowenig zu erblicken (RZ 1975/79), wie in dem von der österreichischen Botschaft in Rabat (Marokko) mitgeteilten Umstand, daß die marokkanischen Behörden mangels Anzeigeerstattung keinen (internationalen) Haftbefehl ausgestellt haben (ONr. 28; vgl. hiezu auch Leukauf-Steininger, StGB, S. 367 letzter Absatz). Daß die ihm angelasteten Delikte verjährt seien, hat der Beschwerdeführer weder im Verfahren vor dem Geschwornengericht, noch in seinem Rechtsmittel behauptet. Dahin zielende Erhebungen waren demnach nicht erforderlich. Im übrigen konnte die vom Gericht zu lösende Rechtsfrage, ob eine Verjährung nach dem Recht dieser Staaten eingetreten ist, auf Grund der von ihm im Wahrspruch getroffenen Feststellungen an Hand der beigeschafften Auszüge aus den strafgesetzlichen und strafverfahrensrechtlichen Vorschriften Marokkos (ONr. 28 und 48), Spaniens (ONr. 29 und 62), Frankreichs (ONr. 29 und 62) und Italiens (ONr. 29 und 62) beurteilt werden. Mit Recht hat somit der Schwurgerichtshof den von der Verteidigung gestellten Antrag, zu erheben, ob der Angeklagte im Ausland außer Verfolgung gesetzt worden sei, in Ermangelung von Anhaltspunkten und konkreten Behauptungen des Beschwerdeführers in dieser Richtung abgewiesen. Eine Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO

haftet dem Urteil sohin nicht an.

Der Sache nach aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 6

des § 345 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die Fragestellung an die Geschwornen. Er meint, es wäre - entsprechend seiner Antragstellung in der Hauptverhandlung (Bd. II S. 285) - nötig gewesen, an die Geschwornen eine Zusatzfrage danach zu stellen, ob die Strafbarkeit hinsichtlich einer oder aller angeklagter Straftaten erloschen sei. Eine solche Fragestellung habe das Erstgericht - gemeint der Schwurgerichtshof - mit der Begründung abgelehnt, es seien in der Hauptverhandlung keine Tatsachen vorgebracht worden, die eine solche Fragestellung indiziert hätten; solche Tatsachen seien aber von der Verteidigung nur deshalb nicht vorgebracht worden, weil dem Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Beweisantrages die Möglichkeit genommen worden sei, entsprechende Anhaltspunkte zu schaffen.

Auch insofern schlägt die Rüge nicht durch.

Nach § 313 StPO sind Zusatzfragen nach Strafaufhebungs- und Strafausschließungsgründen dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden.

An einem derartigen Tatsachenvorbringen mangelt es aber vorliegend, da der Beschwerdeführer konkrete Behauptungen über ein allfälliges Erlöschen der Strafbarkeit seiner Taten im Ausland nicht aufstellte, Verfahrensergebnisse nicht in diese Richtung deuten und das Vorbringen des Angeklagten im eingangs erwähnten Beweisantrage als eine die Stellung einer Zusatzfrage nicht indizierende Hypothese (EvBl. 1974/77) zu werten ist.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten William Charles A war daher zu verwerfen.

II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Im Recht befindet sich jedoch die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sich unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 13 StPO

gegen die Einrechnung der vom Angeklagten in der Zeit vom 6.Dezember 1978, 9 Uhr 10, bis zum 20.Dezember 1978, 12 Uhr 40, erlittenen Haft auf die Strafe wendet. Denn diese Haft war, wie sich aus dem mit dem gegenständlichen Verfahren im Verhältnis des § 56 StPO stehenden (angeschlossenen) Akt 27 Vr 2267/78 ergibt, bereits eine in jenem Verfahren zugebrachte Strafhaft, was sich aus der unter ON. 49 in diesem Akt erliegenden Strafvollzugsanordnung ergibt, die schon vor der Fällung des gegenständlichen Urteils erlassen worden ist. Da dem Angeklagten somit ein Zeitraum in die Strafe eingerechnet wurde, der sich als Strafhaft in einer anderen Strafsache darstellte, hat das Gericht durch diesen Teil seiner Vorhaftanrechnung zum Vorteil des Angeklagten gegen die Vorschrift des § 38 StGB verstoßen und dadurch den Nichtigkeitsgrund nach dem § 345 Abs 1 Z 13 StPO verwirklicht.

Der berechtigten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher Folge zu geben und der bekämpfte Ausspruch aus dem Urteil auszuscheiden.

III./ Zur Berufung des Angeklagten:

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB - der gegenüber dem sonst anzuwendenden Art. 509 des marokkanischen Strafgesetzbuches das mildere Recht darstellt - unter Anwendung des § 28 StGB und gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf die Urteile des Obersten Gerichtshofes vom 12. Mai 1978, AZ 9 Os 50/78, des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 6. Dezember 1978, AZ 3 Bs 403/78 und des Tribunals Bozen vom 8.Juli 1975, Nr. 241/72 R.G.T. zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren.

Dabei nahm es die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer gleicher und verschiedenartiger Straftaten, die besondere Grausamkeit und Verwerflichkeit des Raubes sowie die mehrfache Qualifikation dieses Deliktes zum schweren Raub und des Betruges zum schweren Betrug als Erschwerungsgründe an. Als mildernd wertete es hingegen das 'qualifizierte' Geständnis, ohne das die gegenständlichen Straftaten kaum vollständig aufgeklärt hätten werden können, sowie gewisse Erziehungsmängel des zur Tatzeit noch relativ jungen Angeklagten.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der über

ihn verhängten Strafe an.

Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Ausgehend von den im wesentlich zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründen, zu denen allerdings die nachteilige Beeinflussung des Angeklagten durch Werner B als weiterer Milderungsumstand kommt, erschien dem Obersten Gerichtshof die vom Geschwornengericht über den Angeklagten ausgesprochene Strafe doch etwas überhöht.

Bei gemeinsamer Aburteilung der den Gegenstand der oben angeführten Urteile bildenden Straftaten mit den Delikten, die er im gegenständlichen Verfahren zu verantworten hat, wäre eine Freiheitsstrafe in der Dauer von insgesamt zwölf Jahren angemessen gewesen. Von dieser Strafe sind die in den zu berücksichtigenden Vor-Urteilen ausgesprochenen Freiheitsstrafen in Abzug zu bringen und sodann hier der verbleibende Rest - von vorliegend fünf Jahren und vier Monaten - als Zusatzstrafe zu verhängen ist, die dem Verschulden des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der von ihm begangenen strafbaren Handlungen entspricht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01976

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00020.79.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19790508_OGH0002_0090OS00020_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten