TE OGH 1979/5/9 10Os72/79

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Veröffentlicht am 09.05.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ackerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Bernhard A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 364 Abs 1

StPO wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Jänner 1979, GZ 4 Vr 1930/78-36, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Angeklagten wird wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Jänner 1979, GZ 4 Vr 1930/78-36, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

Text

Gründe:

Mit dem oben bezeichneten Urteil wurde der Angeklagte Bernhard A des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach der Urteilsverkündung am 15. Jänner 1979 hat der - anwaltlich vertretene (§ 220 Abs 1 StPO) - Angeklagte 'Bedenkzeit erbeten'; eine Rechtsmittelanmeldung ist sodann innerhalb der dreitägigen Anmeldefrist (§§ 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO) nicht erfolgt. In einer am 13. Februar 1979 zur Post gegebenen Eingabe beantragt der Angeklagte durch seinen gewählten Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Heinz B, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Rechtsmittelanmeldung und führt aus, daß ein Schriftsatz betreffend die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil am 18. Jänner 1979 und somit rechtzeitig eingeschrieben am Postamt aufgegeben wurde. Am 9. Februar 1979 sei der Verteidiger jedoch von der Anglo-Elementar-Versicherungs-AG in Graz verständigt worden, daß dortselbst diese Rechtsmittelanmeldung am 19. Jänner 1979 einlangte. Am selben Tage habe er telephonisch beim Landesgericht für Strafsachen Graz erhoben, daß dort die Eingabe mit der Rechtsmittelanmeldung nicht eingetroffen war und somit an diesem Tage erstmals von der durch die Fehlzustellung der rechtzeitig zur Post gegebenen Sendung bedingten Versäumung der Frist zur Rechtsmittelanmeldung Kenntnis erhalten. Die Ursache der Fehlzustellung habe nicht geklärt werden können, da ihm seine Eingabe von der Anglo-Elementar-Versicherungs-AG am 12. Februar 1979 kommentarlos (ohne Originalkuvert) zurückgesandt worden sei. Entweder liege ein Fehler bei der Postzustellung vor oder ein Versehen der mit der Postabfertigung in seiner Kanzlei betrauten Angestellten Friederike C, die möglicherweise, was allerdings bisher in seiner Kanzlei noch nie vorgekommen sei, die Rechtsmittelanmeldung (versehentlich) in ein falsches Kuvert eingelegt habe, obwohl sie als (sonst) korrekt und verläßlich bezeichnet werden müsse.

Zur Bescheinigung dieses Vorbringens legt der Verteidiger die von der Anglo-Elementar-Versicherungs-AG rückgemittelte Originalschrift der Rechtsmittelanmeldung (auf welcher der Eingangsstempel 19. Jänner 1979 angebracht ist) sowie die Durchschrift mit dem vom Postamt Deutschlandsberg am 18. Jänner 1979 abgestempelten Aufgabeschein vor (S 159 bis 165); er bestätigte es außerdem auch (als Auskunftsperson) vor Gericht (ON 43) ebenso wie seine Angestellte Friederike C (ON 44).

Rechtliche Beurteilung

Bei dieser Sachlage kann unabhängig davon, ob beim Kuvertieren der Eingabe in der Kanzlei Dris B oder bei der Zustellung einer an sich richtig adressierten Postsendung ein Fehler unterlaufen ist, davon ausgegangen werden, daß sämtliche Voraussetzungen des § 364 Abs 1 Z 1 - 3 StPO gegeben sind. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen, wenn es dem Beschuldigten (hier: Angeklagten) durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels einzuhalten, sofern um die Wiedereinsetzung innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Wegfall des Hindernisses angesucht und die Anmeldung zugleich angebracht wird. Ein - hier der Sachlage nach allerdings kaum denkbares - allfälliges Versehen des Postzustellers wäre im Hinblick auf das im allgemeinen reibungslose Funktionieren der Postverwaltung nicht vorhersehbar gewesen und würde somit einen unabwendbaren Umstand im Sinne des § 364 Abs 1 Z 1 StPO darstellen (in diesem Sinne bereits 12 Os 140/62).

Aber auch ein als Ursache für die unrichtige Zustellung (vorliegend primär) in Betracht kommendes Fehlverhalten der mit der Postabfertigung in der Kanzlei des Verteidigers beauftragten und dort immerhin schon zwei Jahre tätigen Angestellten C (mag diese auch erst 20 Jahre alt sein) bildet nach ständiger Judikatur als einmaliges Versagen einer sonst verläßlichen Angestellten einen solchen Wiedereinsetzungsgrund (EvBl 1964/ 400 uva).

Da der Verteidiger von der unterbliebenen Rechtsmittelanmeldung nach der Aktenlage erst am 9. Februar 1979 Kenntnis erhielt, bereits am 13. Februar 1979 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einbrachte und damit die Anmeldung der Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung verband, ist auch den Erfordernissen des § 364 Abs 1 Z 2 und 3 StPO Rechnung getragen, weshalb die benatragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen war.

Anmerkung

E01950

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00072.79.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19790509_OGH0002_0100OS00072_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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