Norm
ABGB §1330Kopf
SZ 52/81
Spruch
Der Widerrufsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UWG ist ein Anspruch auf Beseitigung eines den Vorschriften des Gesetzes widerstreitenden Zustandes nach § 15 UWG; zum Widerruf herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die im Betrieb eines Unternehmens von einem Angestellten gemacht worden sind kann daher der Inhaber dieses Unternehmens gemäß § 18 UWG ohne Rücksicht darauf verurteilt werden, ob ihm die betreffenden Äußerungen seines Angestellten bekannt waren oder zumindest hätten bekannt sein müssen
OGH 15. Mai 1979, 4 Ob 342/79 (OLG Wien 1 R 2058/78; HG Wien 39 Cg 269/77)
Text
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, im geschäftlichen Verkehr die Behauptung, "es seien gerichtliche Maßnahmen gegen ADV im Gange, die schon feststunden, wobei die Folgen dieser gerichtlichen Maßnahmen so gewichtig seien, daß die ADV diese gerichtlichen Maßnahmen nicht überleben werde", zu unterlassen und diese Äußerung gegenüber dem Wirtschaftstreuhänder Rainer D binnen vier Wochen zu widerrufen. Dieser Entscheidung liegen folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Der Betriebsberater Rainer D war in den Jahren 1974 bis 1977 Kunde der Beklagten. Im Jahr 1976 war er auch Kunde der klagenden ADV; ab 1977 arbeitete er nur noch mit der Klägerin zusammen.
Gegen Ende des Jahres 1976 wurde Rainer D eines Tages in das Büro der Beklagten gebeten. Dort hielt ihm der Angestellte Hans G vor, daß er auch Kunde der Klägerin sei. Im Laufe des folgenden Gespräches behauptete G, Rainer D würde mit der Klägerin "in der Luft hängen bleiben". In einem der Prozesse, welche die Beklagte gegen die Klägerin führe, sei ein Gutachten eingeholt worden, dessen Inhalt er (G) bereits kenne. Die Folgen dieses Gutachtens würden für die Klägerin so ruinös sein, daß sie diese Folgen nicht überleben werde.
Rechtlich bejahte das Erstgericht einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 UWG. Daß die beanstandeten Äußerungen des Hans G den Tatsachen entsprächen, habe die Beklagte nicht einmal behauptet; für die Äußerungen ihres Angestellten müsse sie gemäß § 18 UWG einstehen.
Die Berufung der Beklagten, in welcher nur die Verpflichtung zum Widerruf der beanstandeten Behauptungen bekämpft worden war, blieb erfolglos. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei der Widerrufsanspruch nach § 7 Abs. 1 UWG kein Schadenersatzanspruch, sondern ein Beseitigungs- und damit ein Unterlassungsanspruch im weiteren Sinn; auch er sei daher vom Nachweis eines Verschuldens unabhängig. Gemäß § 18 UWG könne die Beklagte nicht nur zur Unterlassung, sondern auch zum Widerruf der von Hans G in ihrem Betrieb gemachten herabsetzenden Äußerungen über die Klägerin verhalten werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Anspruch auf Widerruf einer herabsetzenden Tatsachenbehauptung nach § 7 Abs. 1 UWG war von der Rechtsprechung zunächst als Beseitigungsanspruch besonderer Art angesehen worden (JBl. 1930, 325; JBl. 1933, 129; JBl. 1933, 130, alle mit zustimmenden Bemerkungen von Zimbler); wenig später hatten andere Entscheidungen (ZBl. 1936/298 mit zustimmender Bemerkung von Saxl; JBl. 1936, 191; ebenso auch EvBl. 1957/188 = ÖBl. 1957, 72) nicht nur im Widerruf nach § 7 Abs. 1 UWG, sondern auch in der gleichartigen Rechtsfolge des § 1330 Abs. 2 ABGB eine Gutmachung des durch den Gesetzesverstoß verursachten Schadens gesehen. Im neueren Schrifttum hatte Wolff in Klang[2] VI, 165) den Anspruch auf Widerruf kreditschädigender Tatsachenbehauptungen nach § 1330 Abs. 2 ABGB. gleichfalls als Schadenersatzanspruch qualifiziert; Hohenecker - Friedl (Wettbewerbsrecht, 87) hatten dagegen in Anlehnung an JBl. 1933, 129 die Ansicht vertreten, daß der Widerrufsanspruch nach § 7 Abs. 1 UWG ein "besonderer Fall des Beseitigungsanspruches" sei, welcher dann zum Tragen komme", wenn in den betroffenen Kreisen ein dem Verletzten nachteiliger Zustand, eine fortwirkende abträgliche Meinung über ihn entstanden ist, die verletzenden Behauptungen sich also dem Gedächtnis Dritter bereits fest eingeprägt haben." Diese Auffassung hat der OGH in SZ 33/105 = ÖBl. 1961, 29 wörtlich übernommen und seither in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, daß der Widerrufsanspruch nach § 7 Abs. 1 UWG seiner rechtlichen Natur nach ein Beseitigungsanspruch im Sinne des § 15 UWG sei (ÖBl. 1961, 71; ÖBl. 1967, 66; ÖBl. 1968, 84; ÖBl. 1969, 8; ÖBl. 1972, 67).
Der Revisionswerberin ist einzuräumen, daß in jüngster Zeit Rummel (in Koziol, Österr. Haftpflichtrecht II, 222 f.) unter Hinweis auf Zimbler (Der Widerruf nach § 1330 ABGB und § 7 UWG, JBl. 1934, 523) die Ansicht vertreten hat, daß ein Widerrufsbegehren "sowohl als Beseitigungsanspruch als auch als Schadenersatzbegehren" gestellt werden könne", je nachdem, ob eine noch fortwirkende Störung oder ein bereits abgeschlossener Schaden vorliegt, von dem dann nur zu fordern ist, daß er durch Naturalrestitution rückgängig gemacht werden kann." Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden:
Gegenstand des Anspruches auf Widerruf ist die Abgabe einer Wissenserklärung, durch die eine frühere, dem Kläger oder dessen Unternehmen herabsetzende Wissenserklärung als unrichtig bezeichnet wird; die dem Kläger nachteiligen Wirkungen der früheren Erklärung sollen dadurch beseitigt werden, daß jenen Personen, denen die seinerzeitige Äußerung zur Kenntnis gekommen war, jetzt mitgeteilt wird, daß diese Äußerung nicht den Tatsachen entsprochen hatte (ÖBl. 1968, 84; Schuster - Bonnott, Haftung für Dritte im Wettbewerbsrecht, ÖBl. 1970, 33 ff. (35 bei FN 26). Soll aber der Anspruch auf Widerruf einer herabsetzenden Tatsachenbehauptung primär einen den Vorschriften des Gesetzes - hier: § 7 Abs. 1 UWG - widerstreitendem Zustand beenden, dann kann er folgerichtig nur als Beseitigungsanspruch im Sinne des § 15 UWG qualifiziert werden (ebenso Schuster - Bonnott a. a. O. bei FN 27). Mit dem Ersatz eines durch den Gesetzesverstoß allenfalls verursachten Schadens hat der Widerruf nach § 7 Abs. 1 UWG schon deshalb nichts zu tun, weil er, wie Schuster - Bonnott a. a. O. zutreffend ausgeführt hat, wohl die Gefahr einer Schädigung des betroffenen Unternehmers, nicht aber den tatsächlichen Eintritt solcher Nachteile voraussetzt. Auch der Gesetzgeber hat im übrigen diese beiden Ansprüche getrennt gesehen und sowohl in § 7 Abs. 1 UWG als auch in § 1330 Abs. 2 UWG dem Verletzten primär einen Anspruch auf Schadenersatz, daneben aber zusätzlich ("ferner", "auch") noch den Anspruch auf Widerruf der beanstandeten Tatsachenbehauptungen eingeräumt.
Aus diesen Erwägungen hält der erkennende Senat auch weiterhin daran fest, daß der Widerrufsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UWG seiner rechtlichen Natur nach ein Anspruch auf Beseitigung eines den Vorschriften des Gesetzes widerstreitenden Zustandes nach § 15 UWG ist und daher nach dieser Gesetzesstelle "vom Unterlassungsanspruch umfaßt" wird (Unterlassungsanspruch im weiteren Sinn; s. dazu ÖBl. 1976, 24; Hohenecker - Friedl a. a. O., 85; Schuster - Bonnott a. a. O., 35; im gleichen Sinne auch schon Zimbler in JBl. 1930, 325 f.).
Daraus folgt aber, daß die Beklagte gemäß § 18 UWG für die im Betrieb ihres Unternehmens von Hans G gemachten herabsetzenden Äußerungen über die Klägerin ohne Rücksicht darauf einzustehen hat, ob ihr diese Erklärungen ihres Angestellten bekannt waren oder
zumindest hätten bekannt sein müssen (JBl. 1957, 417 = ÖBl. 1957,
25; JBl. 1964, 424 = ÖBl. 1964, 25; ÖBl. 1968, 133; ÖBl. 1972, 152;
ÖBl. 1973, 60 u. a., zuletzt etwa 4 Ob 321/78; Hohenecker - Friedl a. a. O., 94; Schuster - Bonnott a. a. O., 33, 35; Rummel a. a. O., 233 bei FN 220). Dabei war die Beklagte entgegen der früher gelegentlich vertretenen Meinung, daß zum Widerruf rechtlich und sachlich nur derjenige in der Lage sei, der die beanstandete Behauptung selbst aufgestellt hat (so noch JBl. 1933, 130; Saxl in ZBl. 1936, 581; ähnlich auch Wolff a. a. O., 164), im Sinne der neueren Rechtsprechung (SZ 31/118; ÖBl. 1978, 157; 4 Ob 321/78) schlechthin zum Widerruf der - von ihrem Angestellten Hans G gemachten - Äußerungen zu verhalten, weil § 18 UWG den Wettbewerbsverstoß des anderen dem Inhaber des Unternehmens so zuordnet, als ob ihn dieser selbst begangen hätte (im gleichen Sinne bereits Zimbler in JBl. 1929, 233 f. und JBl. 1933, 130 f.;, jetzt insbesondere auch Schuster - Bonott a. a. O., 35 f.; ebenso zur vergleichbaren Bestimmung des § 13 dUWG Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbsrecht[12], 1299 § 13 Anm. 42; Pastor in Reimer, Wettbewerbs- u. Warenzeichenrecht[4] III, 141; Pastor, Der Wettbewerbsprozeß[2], 433 f.).
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Anmerkung
Z52081Schlagworte
Widerrufsanspruch nach § 7 VWGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0040OB00342.79.0515.000Dokumentnummer
JJT_19790515_OGH0002_0040OB00342_7900000_000