Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Mai 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführer in der Strafsache gegen Horst A wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 23. Jänner 1979, GZ. 15 a Vr 1560/78-34, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, nach Verlesung der Berufung der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Manfred Puchner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. März 1944 geborene Zimmermann Horst A des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er nachstehend angeführte Personen als österreichische Staatsbürger der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besaßen, zugeführt habe:
1.) im Juni 1978 Evelyne B dadurch, daß er sie von Lustenau in die Bundesrepublik Deutschland nach Frankfurt bzw. Offenbach brachte, wo er ihr ein Appartement mit einem bereits vorhandenen Freier-Kundenstock und andauernder Werbung von Freiern durch Zeitungsinserate vermittelte, wobei diese Tätigkeit bis etwa Mitte August 1978 ausgeübt worden sei;
2.) Günther C und die Prostituierte Ilse D dadurch, daß er diesen beiden das von Evelyne B in Offenbach benützte Appartement während deren kurzfristiger Abwesenheit im August 1978 für einige Tage zur Verfügung stellte.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Horst A mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Ziffern 3, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Als Verfahrensmangel im Sinne des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer, daß Evelyne B als Lebensgefährtin und somit als Angehörige des Angeklagten im Sinne des § 72 StGB der Vorschrift des § 152 Abs. 1 (Z 1 und Abs. 3) StPO zuwider weder im Vorverfahren noch in der Hauptverhandlung über ihr Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, belehrt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Rüge kommt jedoch keine Berechtigung zu.
Eine dem § 72 Abs. 2 StGB entsprechende außereheliche Lebensgemeinschaft setzt eine auf längere Dauer ausgerichtete, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommende Wohungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft voraus (ÖJZ-LSK 1975/198 und 1978/229).
Weder Evelyne B, die in der Hauptverhandlung ihre persönliche Beziehung zum Angeklagten als 'fremd' (S. 108 d. A) und vor dem Untersuchungsrichter Horst A als ihren 'Zuhälter' bezeichnete, mit dem sie ein 'Verhältnis' eingegangen sei (Seiten 14-15 d. A), noch der Angeklagte selbst haben das Bestehen einer solchen - dem Grundsatz der Monogamie entsprechenden - Lebensgemeinschaft behauptet oder gar dargetan. Horst A hat diesbezüglich vielmehr bekundet, nur deshalb mit Evelyne B in Offenbach zusammengezogen zu sein, weil er von dort aus seine Bekannten in Frankfurt weiterhin besuchen konnte, und überdies angegeben, mit Manuela E, die sich übrigens - dem Beschwerdevorbringen zuwider -
ausdrücklich als seine Lebensgefährtin deklariert hat (siehe Zeugenprotokoll ON 17/a vom 28. November 1978), 'befreundet' zu sein (Seiten 22, 24 a und 107 d. A).
Da somit weder im Vorverfahren noch in der Hauptverhandlung Anhaltspunkte für das Bestehen einer den erwähnten Kriterien entsprechenden außerehelichen Lebensgemeinschaft des Angeklagten mit Evelyne B vorlagen, bestand auch keine Veranlassung, die Zeugin über ein im Falle einer solchen Lebensgemeinschaft bestehendes Entschlagungsrecht zu belehren.
Als Begründungsmängel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO werden vom Beschwerdeführer Unvollständigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen und Angabe nur offenbar unzureichender Gründe geltend gemacht.
Auch die Mängelrüge hält einer Überprüfung nicht stand. Daß Evelyne B sich ihrerseits an den Angeklagten Horst A mit der Bitte gewandt hatte, sie nach Deutschland als Prostituierte zu vermitteln, hat das Erstgericht ohnehin festgestellt (S. 135 oben). Daß der Angeklagte dem Mädchen zunächst geraten hatte, seine Lehre abzuschließen oder in Liechtenstein eine Stellung anzunehmen, und daß Evelyne B die Freundin des Angeklagten war und (auch) mit ihm intime Beziehungen hatte, bedurfte keiner besonderen Erörterung, weil diese Umstände für die Beurteilung der inkriminierten Handlungsweise unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 217 Abs. 1 StGB bedeutungslos sind.
Im übrigen hat Evelyne B keineswegs 'immer wieder' ausgesagt, daß sie die Wohnung in Deutschland - selbständig und ohne Mithilfe des Angeklagten - gemietet habe. Vor den Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg gab sie vielmehr an, Horst A habe wegen der ewigen Reibereien mit den Zuhältern auch nach Deutschland wollen und sich, da sie selbst keinerlei Beziehungen zu Deutschland hatte, erboten, seine Verbindungen auszunützen, um ein Appartement zu bekommen, in dem sie auf Grund von Zeitungsinseraten die Prostitution ausüben konnte, aus deren Einkünften sie ihren Lebensunterhalt bestreiten wollten; in Frankfurt hätten sie den Karl F aufgesucht, den Horst A gekannt habe und der ihnen eine bereits als 'Hostessen-Wohnung' bekannte Wohnung vermietet habe (Seiten 8-9 d. A). Diese Angaben hat Evelyne B vor dem Untersuchungsrichter als Zeugin aufrecht erhalten (Seiten 13-14 d. A).
Daß Evelyne B die betreffenden Angaben in der Hauptverhandlung vom 19. Dezember 1978 widerrief und nunmehr angab, das Appartement durch eine Zeitung selbst gefunden und dadurch Karl F kennengelernt zu haben, hinderten den Schöffensenat nicht, in freier Beweiswürdidigung die von der Zeugin vor der Gendarmerie und vor dem Untersuchungsrichter gemachten belastenden Angaben für richtig zu erachten. Der ihm in diesem Zusammenhang obliegenden Begründungspflicht ist das Erstgericht mängelfrei nachgekommen, indem es auf die aus der Aussage der Zeugin Ilse D (S. 109 d. A) abzuleitenden Schlüsse und auf Angaben der Evelyne B in dem gegen sie zu AZ Vr 2070/78 des Landesgerichtes Feldkirch wegen Verdachtes der falschen Beweisaussage vor Gericht eingeleiteten Strafverfahren hinwies, seinerzeit vor der Gendarmerie und vor dem Untersuchungsrichter die Wahrheit gesagt, sich in der Hauptverhandlung aber nicht getraut zu haben, in Gegenwart des ihr als Zuhälter bekannten Angeklagten ihre früheren richtigen Angaben zu wiederholen (S. 136, 137 d. A).
Die davon abweichenden Angaben der Evelyne B in der (ersten)
Hauptverhandlung zu AZ 17 b E Vr 2070/78
des Landesgerichtes Feldkirch können in der Hauptverhandlung vom 23. Jänner 1979 schon deshalb nicht verlesen worden sein, weil die Hauptverhandlung im Verfahren 17 b E Vr 2070/78 erst am 1. Februar 1979 stattgefunden hat. Zudem macht es für die Zulässigkeit der Berücksichtigung von Aussagen nach § 258 StPO keinen Unterschied, ob diese in der Hauptverhandlung vor dem erkennenden Gericht oder in einem Vorverfahren abgelegt und gemäß § 252 Abs. 1 StPO verlesen worden sind (vgl. die bei Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 unter Nummern 67 und 91 zu § 258 StPO angeführten Entscheidungen); demnach würde auch ein in der Hauptverhandlung verlesener neuerlicher Widerruf es dem Erstgericht nicht verwehrt haben, dennoch die früheren belastenden Angaben der Zeugin B der Sachverhaltsfeststellung zugrundezulegen.
Der Beschwerdeführer vermag auch einen der Urteilsannahme, die am 15. Juli 1960 geborene, im Juni 1978 somit noch nicht einmal achtzehnjährige Evelyne B hätte sich ohne die Hilfe des Angeklagten im Ausland nicht durchsetzen können, anhaftenden logischen Fehler nicht aufzuzeigen. Zudem entspricht es durchaus der forensischen Erfahrung, daß Prostituierte mit einem fremden Zuhälter (wie Karl F) nicht selbst, sondern über den eigenen Zuhälter verhandeln, wie auch - die um acht Jahre ältere -
Ilse D anläßlich ihrer späteren Vermittlung in das vorher von Evelyne B benützte Prostituiertenquartier nicht initiativ geworden ist und nicht selbst mit Karl F verhandelt hat (Seiten 109 und 137 d. A).
Unter Anrufung des materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, daß das Tatbild des § 217 StGB eine gezielte Einflußnahme des Täters voraussetzte, die aber deshalb nicht erforderlich gewesen sei, weil Evelyne B, die bereits von ihrem früheren Freund zur Prostitution gezwungen worden war, selbst von Vorarlberg weggewollt und den Angeklagten gedrängt habe, sie nach Deutschland zu nehmen. Im zweiten Fall habe der Angeklagte nicht mit Ilse D, sondern mit deren Freund Günther C Kontakt aufgenommen; die Vermittlung von männlichen Personen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht im Ausland falle aber nicht unter § 217 Abs. 1 StGB.
Der Rechtsrüge muß ein Erfolg gleichfalls versagt bleiben. Das Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB verantwortet, wer eine Person, mag sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuführt oder sie hiefür anwirbt.
Unter Zuführen im Sinne des § 217 StGB ist jedes Tätigwerden zu verstehen, das darauf abzielt, eine andere Person zur Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution im Ausland zu veranlassen. Zuführen ist allerdings mehr als bloßes Raten oder in untergeordneter Weise behilflich sein.
Der Täter muß vielmehr eine besondere Vermittlertätigkeit entfalten, durch die die gesamte Lebensführung der betreffenden Person auf die Ausübung der Prostitution im Ausland ausgerichtet wird. Eine Einwirkung auf den Willen der betreffenden Person ist dazu nicht erforderlich. Es genügt etwa die Herstellung der Bekanntschaft mit anderen Prostituierten und Zuhältern sowie die Verschaffung eines entsprechenden Quartiers (vgl. Dokumentation 197, 198; so auch Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch 967 und 972; Foregger-Serini, StGB2, 366-367).
Als ein solches Zuführen stellt sich auch die Handlungsweise des Angeklagten Horst A dar, welcher den Urteilsfeststellungen zufolge der knapp achtzehnjährigen Evelyne B auf Grund seiner Verbindungen ein entsprechendes Appartement mit 'Kundenstock' verschafft und es ihr ermöglicht hat, in Deutschland - unter seinem 'Schutz' - die Prostitution auszuüben.
Was den Punkt 2 des Schuldspruches anlangt, so ergibt sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils ohnehin, daß dem Angeklagten nur das Zuführen der Ilse D - und nicht auch des Günther C, dessen Namen das Gericht offensichtlich nur aus Versehen im Urteilsspruch anführte - zur gewerbsmäßigen Unzucht in einem fremden Staat zur Last gelegt wird. Wenn der Angeklagte sich zu diesem Zweck nicht direkt an Ilse D, sondern an deren Zuhälter Günther C wendete, dann trug er damit lediglich der bereits erwähnten Übung Rechnung, daß Prostituierte in der Regel mit fremden Zuhältern nicht unmittelbar, sondern über ihren Zuhälter in Verbindung treten.
In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber noch zu bemerken, daß der in der Beschwerde vertretenen Rechtsmeinung zuwider an sich auch Personen männlichen Geschlechts Tatobjekt nach § 217 Abs. 1 StGB sein könnten (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 972).
530Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Horst A war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem 1. Strafsatz des § 217 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten. Es nahm bei der Strafbemessung als erschwerend die Vorstrafen und als mildernd die 'Mithilfe' der Evelyne B (gemeint wohl die Veranlassung der Tat durch die Genannte) sowie ein Teilgeständnis 'in tatsächlicher Richtung' an. Mit den Berufungen bekämpfen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft das Strafausmaß, der Angeklagte begehrt darüber hinaus die bedingte Strafnachsicht.
Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Das Schöffengericht hat die vorliegenden Strafzumessungsgründe nicht nur im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt, sondern auch zutreffend gewürdigt. Das von ihm gefundene Strafmaß entspricht dem Verschulden des Täters und dem Unrechtsgehalt der Tat. Der Oberste Gerichtshof sah sich demnach auch nicht zu dessen Änderung veranlaßt. Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht kam sowohl wegen des getrübten Vorlebens des Angeklagten, als auch wegen der von der Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung erwähnten generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01954European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00055.79.0515.000Dokumentnummer
JJT_19790515_OGH0002_0090OS00055_7900000_000