Norm
ABGB §867Kopf
SZ 52/82
Spruch
Die Republik Österreich ist hinsichtlich des von ihr betriebenen Druckerei- und Verlagsunternehmens "Österreichische Staatsdruckerei - Wiener Zeitung" Einzelkaufmann und daher nach privatrechtlichen Grundsätzen im rechtsgeschäftlichen Verkehr zu behandeln. Die Betrauung einer Person mit der Leitung dieses Unternehmens ist unbeschadet ihrer beamtenrechtlichen Stellung als eine in den Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gehörende privatrechtliche Bevollmächtigung (und nicht als Delegation organschaftlicher Vertretungsmacht) zu beurteilen.
Die die interne Willensbildung regelnden Verwaltungsverordnungen vermögen dabei die nach § 54 Abs. 1 HGB typisierte Generalhandlungsvollmacht des Generaldirektors dieses Unternehmens Dritten gegenüber nicht zu berühren. Den diese Generalhandlungsvollmacht seines Vertreters beschränkenden Vollmachtgeber trifft die Behauptungs- und Beweispflicht dafür,daß der Geschäftspartner von dieser Beschränkung Kenntnis hatte.
OGH 15. Mai 1979, 5 Ob 766/78 (OLG Wien 1 R 174/78; HG Wien 15 Cg 88/74)
Text
Die Republik Österreich betreibt unter der Firma "Österreichische Staatsdruckerei - Wiener Zeitung" ein Druck- und Verlagsunternehmen, dessen Verwaltung durch das Bundesministeriengesetz 1973 (§ 2 Abs. 1 Z. 1 lit. a Anlage Teil 2 lit. A Z. 2) dem Bundeskanzleramt als Bundesministerium im Sinne des Art. 77 B-VG zugewiesen ist. Das Bundeskanzleramt betraut mit der Leitung dieses Unternehmens einen Generaldirektor.
Zur Herstellung von Reisepässen für die Republik Österreich wurden 1968 durch Generaldirektor Dr. S. und in den Jahren 1970, 1972 und 1973 durch Generaldirektor Dipl.-Kfm. Dr. F. jeweils 1 Million PVC-Reisepaß-Umschläge von der nun klagenden Ges. m. b. H. gekauft; die vereinbarten Preise hiefür (1968 5 Mill. S, 1970 6.2 Mill. S, 1972 7.5 Mill. S und 1973 7.19 Mill. S) wurden auch bezahlt.
Am 23. April 1974 betraute Dipl.-Kfm. Dr. F in seiner Eigenschaft als Generaldirektor der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung die Klägerin gemäß ihrem Anbot vom 18. Dezember 1973 mit der Lieferung von 1 Million PVC-Umschlägen für Reisepässe zum Preis von 8 Mill. S zuzüglich 16% Umsatzsteuer (= 1.28 Mill. S) dergestalt, daß 100 000 Stück spätestens 90 Tage nach Auftragserteilung und 900 000 Stück innerhalb von weiteren 90 Tagen zu liefern seien. Das Auftragsbestätigungsschreiben der Klägerin vom 26. April 1974 langte am 30. April 1974 im Postwege bei der Generaldirektion der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung ein.
Mit dem Erlaß vom 14. Jänner 1972 hat das Bundeskanzleramt der Generaldirektion der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung die Weisung erteilt", zwecks Genehmigung bzw. weiterer Veranlassung" u. a. über "alle Maßnahmen, welche Ausgaben bewirken, die auf Grund der Regelungen in den jeweiligen Durchführungsbestimmungen zum Bundesfinanzgesetz über den finanziellen Wirkungsbereich vor ihrer Vollziehung ein Zusammenwirken mit dem Bundesministerium für Finanzen erforderlich machen" (Z. 6), und "Verfügungen über bewegliches Bundesvermögen, soferne gemäß den Durchführungsbestimmungen zum Bundesfinanzgesetz das vorherige Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen erforderlich ist" (Z. 10), zu berichten. Nach dem im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung 1974/1 verlautbarten Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 19. Dezember 1973, Z. 118 500 1b/73, ist für Käufe von beweglichen Sachen zu einem 1 Mill. S übersteigenden Kaufpreis (Anlage A fortlaufende Z. 3 lit. b) das Zusammenwirken der Organe des Bundes mit dem Bundesministerium für Finanzen in Durchführung des Bundesfinanzgesetzes 1974 erforderlich gewesen.
Am 15. Jänner 1974 hat das Bundeskanzleramt die Generaldirektion der
Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung angewiesen, ihm
"nach Abschluß des (Anm. die PVC-Umschläge für Reisepässe
betreffenden) Vergebungsverfahrens ..... eine Kopie der
Niederschrift über die Prüfung der Angebote und ihr Ergebnis und
über die Wahl des Angebotes ..... zu übermitteln." Unter Beziehung
auf diesen Erlaß berichtete Generaldirektor Dipl.-Kfm. Dr. F am 23.
April 1974 dem Bundeskanzleramt über die abgeschlossene Begutachtung der eingelangten Angebote für die ausgeschrieben gewesene Lieferung von Reisepaß-Umschlägen, ohne jedoch auf die Erteilung des Auftrages an die Klägerin hinzuweisen.
Das Bundeskanzleramt hat der Auftragserteilung an die Klägerin nicht zugestimmt.
Die klagende Gesellschaft mbH begehrte mit der vorliegenden Klage die Verurteilung der beklagten Republik Österreich zur Zahlung des Kaufpreises von 928 000 S (einschließlich 16% Umsatzsteuer und zuzüglich Verzugszinsen) für die erste Teillieferung von 100 000 Plastikumschlägen für Reisepässe, deren Annahme die Beklagte verweigert.
Das Erstgericht hat - unter Verwerfung der Einrede seiner sachlichen Unzuständigkeit - dem Klagebegehren stattgegeben.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten und ihres seinerzeitigen Generaldirektors Dipl.-Kfm. Dr. F. als Nebenintervenienten nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei und des Nebenintervenienten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In offenkundiger und zumindestens teilweiser Gewinnabsicht betreibt die Republik Österreich mit mehr als tausend Beschäftigten und mit Aufwendungen und Erträgnissen von mehreren hundert Millionen Schilling (in dem für diesen Rechtstreit bedeutungsvollen Geschäftsjahr 1974 standen 357 Mill. S Ausgaben 317 Mill. S Einnahmen gegenüber: BGBl. 1/1976, S. 155) unter der Firma "Österreichische Staatsdruckerei - Wiener Zeitung" ein Druckerei- und Verlagsunternehmen. Sie ist gemäß § 1 Abs. 2 Z. 8 und 9 HGB ungeachtet des Umstandes, daß sie von ihrem Recht auf Eintragung der Firma, des Sitzes und des Gegenstandes dieses Unternehmens nicht Gebrauch gemacht hat (§ 36 HGB), als Drucker und Verleger Einzelkaufmann und Konkurrent anderer gleichartiger Unternehmer, so daß es sachlich gerechtfertigt ist, sie auch nach privatrechtlichen Grundsätzen im rechtsgeschäftlichen Verkehr zu behandeln (in diesem Sinne Bydlinski, Die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates in privatrechtlicher Sicht, JBl. 1968, 9 ff, insbesondere 16 f.). Dies gilt insbesondere für den Schutz des Vertrauens eines gutgläubigen Geschäftspartners auf den Umfang der Vertretungsmacht solcher Personen, denen vom Inhaber des Handelsgewerbes nach außen hin eine Stellung eingeräumt wurde, die nach den Anschauungen des Verkehrs auf das Bestehen einer zu wirksamen Ausfüllung dieser Stellung erforderliche Handlungsvollmacht schließen läßt (Schlegelberger - Schröder, HGB[5], 2. Bd., 68) Hier hat der Bundeskanzler als das nach dem Bundesministeriengesetz 1973, BGBl. 389/1973, für die Angelegenheiten der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung zuständige Vertretungsorgan des Einzelkaufmannes Republik Österreich durch die Betrauung des zum Generaldirektor ernannten Dipl.-Kfm. Dr. F. mit der Leitung dieses Unternehmens einen im Außenverhältnis wirksamen Akt gesetzt, dessen objektiver Erklärungswert nach den Anschauungen des Verkehrs nur in dem Willen auf Übertragung einer Generalhandlungsvollmacht im Sinne des § 54 Abs. 1 HGB gesehen werden kann (a. a. O., 69). In der Tat muß hier die Vertretung des nach der gesetzlichen Kompetenzzuweisung (§ 2 Abs. 1 Z. 1 lit. a Anlage Teil 2 lit. A Z 2 des Bundesministeriengesetzes 1973) für die Angelegenheiten der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung allein zuständigen Bundeskanzlers als eines verantwortlichen Bundesministers (Art. 77 B-VG) in Ermangelung einer besonderen gesetzlichen Regelung der Rechtsstellung dieses privatwirtschaftlichen Unternehmens der Republik Österreich als eine in den Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gehörende privatrechtliche Bevollmächtigung beurteilt werden. Daran ändert auch die beamtenrechtliche Stellung des mit der Leitung des Unternehmens bestellten Generaldirektors nichts, weil diese nur das der Vollmachtserteilung zugrunde liegende innere Rechtsverhältnis betrifft. Der Generaldirektor der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung kann auch nicht als organschaftlicher Vertreter der Republik Österreich in ihrer Eigenschaft als Privatwirtschaftsunternehmerin angesehen werden, denn für eine solche Rechtsstellung fehlt es an dem institutionellen Charakteristikum, daß die von ihm vertretene Republik Österreich in dem dieses Unternehmen betreffenden Bereich ausschließlich durch ihn rechtsgeschäftlich handeln kann, daß also das alleinige Vertretungsrecht - das dann auch sein eigenes Recht sein müßte - beim Generaldirektor läge (vgl. dazu Pawlowski in ZHR 1972, 73 f). Tatsächlich liegt aber eine solche Delegation des gesetzlich dem Bundeskanzler zugewiesenen Vertretungsrechtes nicht vor, vielmehr wurde durch die Bevollmächtigung des Generaldirektors zur Leitung des Unternehmens die weiterhin beim Bundeskanzler bleibende volle organschaftliche Vertretungsmacht für diesen privatwirtschaftlichen Bereich nicht verringert, wohl aber wurde ihre praktische Ausübung und damit der unternehmerische Wirkungsbereich erweitert. Die undifferenzierte Gleichsetzung dieser institutionell so verschiedenen Arten der Stellvertretung durch die Revisionswerberin, die den Generaldirektor der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung einmal als Organ und das andere Mal als Bevollmächtigten bezeichnet und behandelt sehen will, veranlaßt zur Aufzeigung seiner für das Außenverhältnis privatrechtlich bedeutungsvollen Rechtsstellung, auf die es hier ankommt.
Eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Bundeskanzlers, ohne Zusammenwirken mit dem Bundesministers für Finanzen Kaufverträge über bewegliche Sachen zu einem 1 Mill. S übersteigenden Kaufpreis rechtswirksam abschließen zu können, will die beklagte Republik dem Durchführungserlaß des Bundesministers für Finanzen zum Bundesfinanzgesetz 1974, Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung 1/1974 entnehmen (Anlage A fortlaufende Zahl 1 lit. b), doch übersieht sie dabei, daß es sich bei diesem Erlaß nur um eine die interne Willensbildung regelnde Verwaltungsverordnung handelt, die auf die gesetzlich festgelegte Vertretungsmacht des Bundeskanzlers ohne Einfluß ist, also sein rechtliches Können nicht einschränkte. Deshalb geht auch die Schlußfolgerung der Beklagten fehl, der Bundeskanzler habe nur im Rahmen seiner solcherart beschränkten Vertretungsmacht dem Generaldirektor der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung Vertretungsrechte einräumen können. Dieser Erlaß konnte aber auch nicht direkt das rechtliche Können des Generaldirektors des genannten Unternehmens, das ihm durch die standardisierte Generalhandlungsvollmacht des Bundeskanzlers eingeräumt wurde, beschränken, denn auch diesem gegenüber stellt sie sich als eine nur im Bereich des rechtlichen Dürfens wirksame Norm dar, die - anders als der Erlaß des Bundeskanzlers an ihm vom 14. Jänner 1972 - den Umfang seiner Vertretungsmacht, wie er durch § 54 Abs. 1 HGB typisiert ist, nicht berührte. Soweit indessen der Bundeskanzler mit dem erwähnten Erlaß vom 14. Jänner 1972 die Generalhandlungsvollmacht des Generaldirektors Dipl.-Kfm. Dr. F. unter Bezugnahme auf den angeführten Erlaß beschränkt haben sollte - ob dies überhaupt der Fall war, kann dahingestellt bleiben -, muß die Klägerin diese Beschränkung gemäß § 54 Abs. 3 HGB nicht gegen sich gelten lassen:
ihre dafür erforderliche Kenntnis von dieser Beschränkung hat die (dafür behauptungs- und beweispflichtige) Beklagte in erster Instanz nicht behauptet und es ist auch im Beweisverfahren kein Anhaltspunkt für eine solche Annahme hervorgekommen; die Rechtsfrage, ob die Klägerin von dieser Beschränkung Kenntnis haben mußte, hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Argumenten, auf die verwiesen wird, in richtiger Rechtsanwendung verneint.
Ist aber der Klägerin die Kenntnis von etwaigen Beschränkungen des Generaldirektors der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht zuzurechnen, dann erfordert es das Schutzinteresse der als gutgläubig zu behandelnden Klägerin, daß insoweit auch die Verselbständigung (Abstrahierung) der Vertretungsmacht (Vollmacht) des Generaldirektors, der sich immer nur als Agent des Vertretenen darstellt, voll anerkannt wird (vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 45 II, 2 und 3). Seine Vertretungsmacht muß deshalb in Beziehung auf die Klägerin und das mit ihr zustandegekommene Rechtsgeschäft, das hier Prozeßgegenstand ist, im vollen Umfang des § 54 Abs. 1 HGB als gegeben angesehen werden. Berücksichtigt man die Größe und Bedeutung des von ihm geleiteten Unternehmens, die Höhe des jährlichen Umsatzes und den hier auch bedeutungsvollen Umstand, daß das Unternehmen seit 1968 in regelmäßigen Abständen zur Befriedigung des laufenden Bedarfes der Republik Österreich an Reisepässen die zu ihrer Herstellung notwendigen PVC-Umschläge in jeweils gleicher Menge vom Kläger bezogen hat, dann ist es unabweislich, das hier zur Entscheidung stehende Rechtsgeschäft als ein gewöhnlich mit dem Betrieb dieses Unternehmens verbundenes zu beurteilen.
Weil, wie eben dargestellt wurde, infolge der Gutgläubigkeit der Klägerin in Beziehung auf die nicht beschränkte Handlungsvollmacht des Generaldirektors der Österreichischen Staatsdruckerei - Wiener Zeitung ihr gegenüber eine allfällig doch bestandene Beschränkung dieser Vollmacht ohne Wirkung geblieben ist, bleibt auch für die vom nebenintervenierenden Generaldirektor im Revisionsverfahren neu vorgebrachte Rechtsfigur eines hinkenden Rechtsgeschäftes, das durch die nachträgliche Genehmigung des Bundeskanzlers bzw. des Bundesministers für Finanzen wirksam werden sollte, kein Raum mehr.
Anmerkung
Z52082Schlagworte
Österreichische Staatsdruckerei Österreichische Wiener Zeitung„ Privatwirtschaftsverwaltung, Republik Österreich, EinzelkaufmannEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0050OB00766.78.0515.000Dokumentnummer
JJT_19790515_OGH0002_0050OB00766_7800000_000