TE OGH 1979/5/15 11Os65/79

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Veröffentlicht am 15.05.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Recai A wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach den §§ 6 Abs 1 SuchtgiftG., 15 StGB und anderer Delikte nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8.Februar 1979, GZ 6 a Vr 5723/78-47, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Dezember 1978, GZ 6 a Vr 5723/78-42, wurde der am 5.April 1944 geborene Angeklagte, der türkischer Staatsangehöriger ist, des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach den §§ 6 Abs 1 SuchtgiftG., 15 StGB, zum Teil als Beteiligter nach dem § 12 StGB, und dreier weiterer Vergehen schuldig erkannt. Nach der am 12. Dezember 1978 erfolgten Urteilsverkündung erbat sich der Angeklagte drei Tage Bedenkzeit (S. 394 d.A.). Am 15.Dezember 1978 wurde im Gefangenhaus des Landesgerichts für Strafsachen Wien mit ihm ein Protokoll aufgenommen, in dem er die Berufung gegen das Urteil des Schöffengerichts anmeldete. Außerdem erklärte er ausdrücklich, auf alle anderen, ihm etwa zustehenden Rechtsmittel zu verzichten (S. 423, 424 d.A.). Am selben Tag meldete der für den Angeklagten bestellte Verfahrenshelfer die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das angeführte Urteil an (S. 425, 426 d.A.). Die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluß mit der Begründung zurückgewiesen, daß sie gegen den ausdrücklichen Willen des Verurteilten erfolgt sei (S. 431 d. A.).

In seiner Beschwerde gegen den bezeichneten Beschluß führt der Angeklagte aus, er sei der deutschen Sprache nur teilweise mächtig. Zwar sei er in der Lage, einer deutschen Unterhaltung zu folgen und an ihr teilzunehmen, doch sei für ihn die subtile Unterscheidung zwischen den Wesensmerkmalen einer Berufung und denen einer Nichtigkeitsbeschwerde, wenn sie ihm nicht in seiner Muttersprache dargelegt würden, nur sehr schwer verständlich.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist gerechtfertigt.

Aus den glaubwürdigen Angaben des als Auskunftsperson vernommenen Justizinspektor Peter B (S. 475 d.A.) geht hervor, daß der der deutschen Sprache mächtige Angeklagte bei Ausfüllung des Formulars 44 dem Justizwachebeamten gegenüber erklärte, er wolle Berufung machen, daß aber über die Bedeutung und die Folgen der Berufung nicht gesprochen wurde und der Genannte mangels entsprechender Fragestellung keinen Anlaß hatte, dem Angeklagten den Unterschied zwischen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zu erklären. Bei dieser Sachlage kann nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit angenommen werden, daß der Angeklagte anläßlich seiner Rechtsmittelanmeldung auf die Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde verzichtet bzw. daß sein Verteidiger die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Willen seines Mandanten eingebracht hat.

Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben.

Anmerkung

E01968

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00065.79.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19790515_OGH0002_0110OS00065_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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