TE OGH 1979/5/29 9Os67/79

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Veröffentlicht am 29.05.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Mai 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Otto A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. März 1979, GZ 7a Vr 6755/78-50, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lindenthaler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Otto A der Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1

StGB und der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Als Nötigung zum Beischlaf liegt ihm zur Last, daß er am 27. Juni 1978 in Zwölfaxing Monika B mit Gewalt, indem er ihr in seinem Personenkraftwagen ihr T-Shirt, ihren Büstenhalter und ihr Höschen herunterriß, sie mit einem Karategriff zur Durchführung des Mundverkehrs an ihm zwang, sie an den Händen packte, schlug sowie auf dem Beifahrersitz nach hinten warf und sich sodann auf sie stürzte, sowie durch die gefährliche Drohung, wenn sie sich wehre, komme sie nicht mehr von dort weg, zum außerehelichen Beischlaf nötigte (Punkt I. des Urteilssatzes).

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Gewalt im Sinn des § 202 Abs 1 StGB ist jede Anwendung physischer Kraft in einer solchen Intensität, daß sie zur Beugung des einem außerehelichen Beischlaf mit dem Täter entgegenstehenden Willens des weiblichen Opfers geeignet ist (vgl. ÖJZ-LSK 1979/90, 11 Os 14/77 u. a.).

Diese Voraussetzungen treffen nach den Urteilsfeststellungen (S. 250 f.) auf das Tatverhalten des Beschwerdeführers, der Monika B gegen den Rücken schlug und ins Gesicht zu schlagen versuchte, sie mit einem Karategriff (vgl. S. 21) und an den Händen packte, sie auf dem Beifahrersitz seines PKWs zurückwarf und sich auf sie stürzte, durchaus zu. Davon, daß sich seine Tathandlungen in einem bloßen Erschweren der Bewegungsfreiheit seines Opfers, wie es einem Geschlechtsverkehr üblicherweise vorangehe, erschöpft hätten, kann bei dem festgestellten Sachverhalt keine Rede sein.

Verfehlt ist aber auch die weitere Beschwerdeansicht, daß zur Tatbestandsverwirklichung die Gewaltanwendung 'mit Einsatz besonderer physischer Kräfte zur Brechung des Widerstandes der Frau, also mit vis absoluta erfolgen' müsse und daß dazu eine besonders schwere Gewalt erforderlich sei, die es dem Opfer 'völlig unmöglich mache, erfolgreich Widerstand zu leisten'. Denn darin unterscheidet sich gerade der Tatbestand der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1

StGB, bei dem der Täter eine Person weiblichen Geschlechtes, ohne sie widerstandsunfähig zu machen, zum außerehelichen Beischlaf 'nötigt', also zu dessen Duldung bestimmt und damit zu einem ihren wahren Intentionen widersprechenden Willensakt veranlaßt, von jenem der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB, bei dem die gegen das Opfer gerichtete Gewalt oder gefährliche Drohung - was vom Erstgericht in Ansehung des zur Beurteilung stehenden Tatverhaltens des Angeklagten im Zweifel verneint wurde (S. 257 f.) - ein solches Ausmaß erreicht, daß diesem ein weiterer Widerstand unmöglich oder doch aussichtslos oder unzumutbar ist (vgl. EvBl. 1975/ 270 sowie neuerlich ÖJZ-LSK 1979/90).

Ebenso zu Unrecht ficht der Beschwerdeführer die Annahme der Tatbegehung auch durch gefährliche Drohung an. Denn seine Ankündigung, Monika B werde nicht mehr von dort wegkommen, wenn sie sich wehre, war - wie das Schöffengericht frei von Rechtsirrtum erkannt hat - im Sinn des (den in Rede stehenden Begriff umschreibenden) § 74 Z 5 StGB objektiv tatsächlich geeignet, der Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse, auf ihre persönliche Beschaffenheit und auf die Wichtigkeit des (versteckt, aber erkennbar) angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen, weil auf Grund der Begleitumstände, unter denen die Tat begangen wurde, durchaus die Befürchtung berechtigt war, der Angeklagte sei willens und in der Lage, sie bei weiterem Widerstand so schwer zu mißhandeln und zu verletzen, daß sie nicht mehr in der Lage sein werde, den Tatort aus eigener Kraft zu verlassen. Ob beim Opfer eine solche Besorgnis wirklich erweckt wurde, ist rechtlich ohne Belang (vgl. ÖJZ-LSK 1976/92, 1977/124 u.a.). Desgleichen ist es - abgesehen davon, daß diese Voraussetzung im gegebenen Fall ohnedies vorläge - für den Tatbestand des § 202 Abs 1 StGB (anders als für jenen des § 201 Abs 1 StGB) nicht erforderlich, daß eine Drohung mit gegenwärtiger (imminenter) Gefahr für Leib oder Leben erfolgt, weil nach dem klaren Gesetzeswortlaut schon eine 'gefährliche Drohung', also im Sinn des § 74 Z 5 StGB (unter anderem) eine solche mit einer Verletzung am Körper schlechthin genügt.

Zur inneren Tatseite aber reicht insoweit die (auch die Annahme einer Ernstlichkeit der Drohung zum Ausdruck bringende) Feststellung des Schöffengerichts, der Angeklagte habe die betreffende Äußerung in der Absicht getan, Monika B damit gefügig zu machen (S. 251), zur Tatbestandsverwirklichung vollkommen aus; einer weitergehenden Zielsetzung des Täters, sie geradezu in Todesangst zu versetzen, bedurfte es nicht. Sofern der Beschwerdeführer mit der Behauptung, in dieser Drohung seien bloß 'in höchster sexueller Erregung irre dahergesagte Worte' zu erblicken, deren als erwiesen angenommene Ernstlichkeit negiert, bringt er, von den Urteilsfeststellungen abweichend, den geltendgemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 201 Abs 1 StGB unter Bedacht auf § 28 StGB zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es seine Vorstrafe wegen § 83 Abs 1 StGB, seine besondere Rücksichtslosigkeit infolge der Nichtbeachtung der starken Monatsblutung der zum Beischlaf genötigen Monika B und das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen als erschwerend, sein teilweises Geständnis, seine unterdurchschnittliche Begabung und den Umstand, daß die Notzucht an Karin C beim Versuch geblieben ist, dagegen als mildernd.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Geständnis des Berufungswerbers zum Faktum C hat das Erstgericht ohnedies als mildernd berücksichtigt.

Eine Unbesonnenheit und Gemütsbewegung auf Grund besonderer sexueller Erregung aber kann ihm nach Lage des Falles nicht als zusätzlicher Milderungsgrund zugutegehalten werden. Sachgemäßes Abwägen der vorliegenden Strafzumessungsgründe zeigt, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe durchaus seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) entspricht.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02011

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00067.79.0529.000

Dokumentnummer

JJT_19790529_OGH0002_0090OS00067_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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