Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ackerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Reinhard A wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127 f StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 22. November 1978, GZ 23 Vr 2918/78-11, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich der Angeklagten Harald B (zur Gänze) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner (angemeldeten) Berufung wird der Angeklagte auf die obige Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Wegen eines am 9. Juni 1978 in St. Johann i.T.
in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) verübten Diebstahls, bei welchem der Erwachsene Reinhard A eine von Dagmar C auf einem Karton ihres Süßwarenstandes abgelegten Handtasche, enthaltend einen Geldbetrag von 22.700 S und 40 DM an sich brachte, während der am 20.12.1963 geborene, sohin jugendliche Schüler Harald B die Genannte durch den Kauf eines Kaugummis ablenkte, um dem Reinhard A die Wegnahme einer fremden Sache in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert zu ermöglichen, wurden beide Angeklagten des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB, ersterer auch nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB schuldig erkannt. Dem Harald B rechnete das Erstgericht die letztere Qualifikation (und damit schweren Diebstahl) deshalb nicht zu, weil Reinhard A ihn in seinen Plan, die Handtasche zu stehlen, nicht eingeweiht sondern nur erklärt hatte, er wolle sich aus dem Süßwarenstand etwas holen, der Vorsatz B' s sohin lediglich auf die Wegnahme geringwertiger Sachen aus dem Verkaufsstand, also offenkundig einer geringfügigen Süßigkeit gerichtet und bloß in diesem beschränkten Umfang ein gemeinsamer Vorsatz gegeben war.
Rechtliche Beurteilung
Zu Recht behauptet die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B bei dieser Sachlage mit ihren auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs 1
StPO gestützten Ausführungen der Sache nach einen Feststellungsmangel gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit. b StPO über einen der im § 141 Abs 1 StGB angeführten Beweggründe, deren Vorliegen mangels einer erteilten Ermächtigung (§ 141 Abs 2 StGB) einen Freispruch des Angeklagten zur Folge hätte. Nach Lage des Falles kam als derartiges durch die Verfahrensergebnisse indiziertes Motiv Unbesonnenheit, aus der eine Tat dann begangen wird, wenn sie auf eine augenblickliche Eingebung zurückzuführen ist, das heißt einem plötzlichen (aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogenen) Willensimpuls, der sonst nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre, (spontan) entspringt (SSt 46/71), in Frage, vor allem aber die Befriedigung eines Gelüstes, von der dann gesprochen wird, wenn das deliktische Handeln auf Grund der inneren Einstellung des Täters den Zweck verfolgt, ein im Zeitpunkt der Tat gegenwärtiges Bedürfnis sofort oder doch zumindest alsbald zu befriedigen (EvBl. 1978/169).
Einer allfälligen rechtlichen Beurteilung der vom Beschwerdeführer begangenen Tat als Entwendung steht nicht entgegen, daß deren Voraussetzungen nach dem im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt nicht auch auf Reinhard A zutreffen. Denn, um der Vorschrift des § 13 StGB zu entsprechen, hat die Prüfung und etwaige Konstatierung der subjektiven Erfordernisse des § 141 Abs 1 StGB bei Mehrtäterschaft bezüglich jedes Beteiligten gesondert und eigenständig zu erfolgen, wobei sohin ein Täter durchaus nach § 141 StGB, ein anderer indes nach § 127 StGB schuldig sein kann (vgl. RZ 1978/79).
Wegen des zutreffend gerügten Feststellungsmangels nach § 281 Abs 1 Z 9 lit. b StPO war der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen begründeten Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 e StPO mit Zustimmung der Generalprokuratur schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben und über die Rechtsmittel wie im Spruch zu erkennen.
Anmerkung
E02019European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00082.79.0606.000Dokumentnummer
JJT_19790606_OGH0002_0100OS00082_7900000_000