Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ackerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Anton A wegen des Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 24.Oktober 1978, GZ 20 j Vr 8304/77-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Stern zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.Mai 1908 geborene, seit dem Jahre 1970 im Ruhestand befindliche Kanzleioberoffizial der Bundespolizeidirektion Wien Alois A der Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs nach § 256 StGB und der Amtsanmaßung nach § 314 StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt der auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Schuldsprüche liegt ihm zur Last, I./ zum Nachteil der Republik Österreich einen geheimen Nachrichtendienst dadurch unterstützt zu haben, daß er 1. Ende 1975 in Wien die am 30.September 1975 in Linz bei Paula B, Walter C und Karl D unter der Vorspiegelung, er sei aktiver Polizeibzw. Magistratsbeamter, und durch Vorweisen seines mißbräuchlich zurückbehaltenen Dienstausweises der Bundespolizeidirektion Wien über den vor allem als Dolmetsch für die tschechische Sprache im Rahmen der staatspolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Linz tätigen Kriminalinspektor Friedrich B erlangten Erhebungsergebnisse seinem ausländischen Auftraggeber Dr. E weiterleitete, 2. in Wien Erhebungen über nachgenannte österreichische Bundesbeamte unter der Vorspiegelung, er sei aktiver Polizeibeamter, und unter Vorweisen seines mißbräuchlich zurückbehaltenen Dienstausweises der Bundespolizeidirektion Wien vornahm und die Erhebungsergebnisse dem zu I./ 1. genannten ausländischen Auftraggeber weiterleitete, und zwar a) im Herbst 1976 bei Maria Ines F (Hausbesorgerin des Hauses Wien 13., Elisabethallee 33) über die im Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie beschäftigte Eleonore G, b) im Herbst 1976 bei Käthe H (Hausbesorgerin des Hauses Wien 16., Ottakringerstraße 207) über den vor allem für den Dienst im Parlamentsgebäude verantwortlichen Kriminalbezirksinspektor der Bundespolizeidirektion Wien, Abteilung I, Josef I;
II./ sich durch Vornahme von Erhebungen über nachgenannte Personen unter der Vorspiegelung, er sei aktiver Polizeibeamter und unter Vorzeigen seines mißbräuchlich zurückbehaltenen Dienstausweises der Bundespolizeidirektion Wien die Ausübung eines öffentlichen Amtes angemaßt zu haben, und zwar 1. am 30.September 1975 in Linz über den zu I./ 1.
genannten Kriminalinspektor Friedrich B;
2. im Herbst 1976 in Wien in den zu I./ 2. a und b bezeichneten Fällen;
3. am 9.August 1976 in Wien über die Angestellte der amerikanischen Botschaft Helen J.
Die Geschwornen hatten die im Sinne der Anklage wegen der Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs gemäß § 256 StGB und der Amtsanmaßung gemäß § 314 StGB jeweils gesondert nach den dort angeführten Fakten an sie gerichteten Hauptfragen in den den Schuldsprüchen zugrundeliegenden Fällen stimmeneinhellig bejaht.
Soweit sie in drei weiteren Fakten die Hauptfragen in Richtung des Vergehens nach § 256 StGB und in vier weiteren Fällen jene nach dem Vergehen des § 314 StGB - gleichfalls einstimmig - verneinten, fällte der Schwurgerichtshof gemäß § 259 Z 3 StPO (richtig: § 336 StPO) einen Freispruch. Außer den gemäß § 312 StPO anklagekonform gestellten Hauptfragen wurden an die Geschwornen keine weiteren (Zusatz- oder Eventual-) Fragen gerichtet.
Mit seiner allein gegen seinen Schuldspruch wegen Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde behauptet der Angeklagte das Vorliegen der Nichtigkeitsgründe der Z 5, 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde hält in keiner Richtung einer Überprüfung stand.
Einen Verfahrensmangel i. S. des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Vernehmung eines informierten Vertreters oder eines Sachverständigen aus dem Auskunfteiwesen zum Nachweis der Richtigkeit der gleichzeitig dem Gericht vorgelegten Preisliste einer Auskunftei sowie dafür, daß Auskünfte der Art, wie sie der Angeklagte gesammelt hatte, auch durch Auskunfteien eingeholt werden können (S. 441 d. A.).
Den mit Zwischenerkenntnis gemäß § 238 StPO in Verbindung mit § 302 Abs 1 StPO in der Hauptverhandlung verkündeten, für die Abweisung dieses Beweisantrages maßgebenden Erwägungen des Schwurgerichtshofes (S. 443 d.A.) ist beizupflichten. Darin wird dem Sinne nach durchaus zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß die diesem Beweisantrag zugrundeliegenden Beweisthemen keine für die Lösung der Schuldfrage relevanten Umstände berühren. Im übrigen stünde auch die Einschaltung einer Auskunftei zur Einholung solcher Auskünfte, wie sie der Angeklagte gesammelt und weitergegeben hatte, unter den weiteren hier vorliegenden Tatumständen der Annahme eines nach § 256 StGB tatbildlichen Verhaltens keineswegs entgegen, sodaß selbst eine solche Vorgangsweise nicht geeignet sein könnte, den Angeklagten zu entlasten. Entgegen seiner Auffassung wurde daher der Beschwerdeführer durch die Abweisung des Beweisantrages in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.
Es liegt aber auch der von ihm geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO nicht vor, den er in der Unterlassung einer seiner Meinung nach durch § 313 StPO gebotenen Fragestellung an die Geschwornen nach dem Vorliegen eines (schuldausschließenden) Rechtsirrtums im Sinne des § 9 StGB erblickt.
Gemäß § 313 StPO ist eine Zusatzfrage (nach dem Vorliegen eines Rechtfertigungs-, Entschuldigungs-, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrundes oder nach dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB) nur zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden -
die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden. Ein solches, eine Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund des § 9 StGB indizierendes Tatsachensubstrat läßt sich aber weder der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung noch den dort erzielten sonstigen Verfahrensergebnissen entnehmen. Denn seinem Beschwerdevorbringen zuwider behauptete der Angeklagte im Zuge seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung keineswegs, bei seinem ihm als Vergehen nach dem § 256 StGB zur Last gelegten Tatverhalten in einem das Unrecht der Tat verhüllenden Verbotsirrtum im Sinne des § 9 StGB befangen gewesen zu sein; läßt sich doch seinen Einlassungen in keiner Weise entnehmen, er sei der Meinung gewesen, ein bestimmtes von ihm in seiner objektiven Beschaffenheit an sich richtig erkanntes Verhalten, nämlich eine sich zum Nachteil Österreichs auswirkende Unterstützung eines geheimen Nachrichtendienstes, sei kein mit der Rechtsordnung im Widerspruch stehendes Unrecht und daher rechtlich erlaubt.
Seine Verantwortung ging vielmehr - kurz zusammengefaßt - dahin, nicht erkannt zu haben, daß sein (ausländischer) Kontaktmann (Dr. E), über dessen Ersuchen er die einzelnen im Urteilsspruch angeführten Erhebungen durchführte, und dem er auch die Erhebungsergebnisse bekanntgab, Exponent eines geheimen Nachrichtendienstes war, womit er aber im Ergebnis einen auf Unterstützung eines geheimen Nachrichtendienstes ausgerichteten Vorsatz bestritt. Diese Verantwortung enthält demnach der Sache nach die Behauptung eines (Tat-) Irrtums über das Vorliegen des zum Tatbestand des § 256 StGB gehörigen Merkmals 'geheimer Nachrichtendienst', der - hätten ihn die Geschwornen als erwiesen angenommen - zu einer Verneinung der an sie gerichteten Hauptfragen nach dem Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs hätte führen müssen, weil in diesem Falle beim Beschwerdeführer der zur Deliktsverwirklichung nach § 256 StGB erforderliche Vorsatz gefehlt hätte, der sich auf sämtliche dort angeführte Tatbestandsmerkmale, somit auch darauf erstrecken muß, daß die von ihm entfaltete Tätigkeit (zum Nachteil der Republik Österreich) der Unterstützung eines geheimen Nachrichtendienstes diente. Durch die Bejahung der dem Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen Vergehens nach § 256 StGB zugrundeliegenden Hauptfragen brachten jedoch die Geschwornen unmißverständlich zum Ausdruck, daß sie dieser (insoweit in subjektiver Beziehung leugnenden) Darstellung des Beschwerdeführers nicht folgten. Nach dem Vorgesagten wäre es daher unter Beachtung der Bestimmung des § 313 StPO sogar unzulässig gewesen, die nunmehr vom Beschwerdeführer vermißte, aber durch das Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung gar nicht indizierte Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund des § 9 StGB zu stellen.
Unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 8
des § 345 Abs 1 StPO behauptet der Beschwerdeführer eine einer Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung über den ein Tatbestandsmerkmal des § 256 StGB bildenden Begriff 'zum Nachteil der Republik Österreich'. Der damit verbundene Vorwurf, die Rechtsbelehrung sei insoweit mangelhaft und unvollständig geblieben und deshalb der vorerwähnte Begriff den Geschwornen als juristischen Laien nicht richtig verständlich gemacht worden, weil hiezu - so die Behauptung des Beschwerdeführers - noch die (weiteren) Hinweise erforderlich gewesen wären, daß sich der in Rede stehende Nachteil in einer Verletzung konkreter und ganz bestimmter vitaler Interessen des österreichischen Staats auswirken müsse und erst bei einem Nachweis der Abträglichkeit des Inhalts der (übermittelten) Nachrichten für die Republik Österreich anzunehmen sei, ist nicht berechtigt. Denn entgegen diesem Beschwerdeeinwand sind die vom Beschwerdeführer vermißten Hinweise in den im Rahmen der den Geschwornen erteilten (schriftlichen) Rechtsbelehrung angeführten Erläuterungen des hier in Rede stehenden Begriffes enthalten (vgl. S. 2 der schriftlichen Rechtsbelehrung in der Beilagenmappe zu ON. 25 d.A.). Dort wird nämlich ausgeführt:
'Zum Nachteil Österreichs gereicht ein Nachrichtendienst, wenn durch die beschafften und übermittelten Nachrichten der Staat in seinem Ansehen, seiner Sicherheit oder seiner Prosperität beeinträchtigt wird, also konkrete und vitale Interessen Österreichs verletzt werden. Daß an den Nachrichtendienst Geheimnisse verraten werden, erfordert der Tatbestand nicht. Der Begriff des Nachteils kann allerdings nicht schon darin bestehen, daß der Nachrichtendienst vor der inländischen Behörde verborgen wird; ein Nachteil liegt erst dann vor, wenn der Inhalt der beschafften Nachrichten dem Staate abträglich war. Ein Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs wird daher betrieben, wenn der Staat in vitalen Interessen beeinträchtigt werden soll.' Diese auch in dem vom Beschwerdeführer relevierten Belang durchaus dem Gesetz entsprechende und demnach richtige Rechtsbelehrung (vgl. hiezu Leukauf-Steininger zu § 256 StGB, S. 1070) konnte der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider, zumal, wie bereits aufgezeigt, von der von ihm behaupteten Unvollständigkeit keine Rede sein kann, weder zu Mißverständnissen der Geschwornen über den für ihren Wahrspruch bedeutsamen Begriff eines Handelns 'zum Nachteil der Republik Österreich' noch zu einer irrigen Auslegung desselben Anlaß geben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Es wertete dabei als erschwerend die Wiederholung der Tathandlungen, das Zusammentreffen zweier Vergehen und den Umstand, daß es sich beim Angeklagten um einen ehemaligen Polizeibeamten handelt, als mildernd hingegen seinen ordentlichen Lebenswandel bis zur Tat, die mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, sowie das Teilgeständnis (hinsichtlich § 314 StGB).
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe und deren bedingte Nachsicht an.
Der Angeklagte vermag über die im Urteil im wesentlichen zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründe hinaus keine weiteren stichhältigen Milderungsgründe vorzubringen, welche eine Herabsetzung der Strafe rechtfertigen könnten. Dem (relevierten) Tatsachengeständnis hinsichtlich § 256 StGB mangelt es vorliegend an den von § 34 Z 17 StGB geforderten Voraussetzungen. Unbesonnenheit ist dem Angeklagten schon wegen der Wiederholungen der Tathandlungen nicht zuzubilligen. Sein Alter war zur Tatzeit geringer als 70 Jahre und läßt die Straftaten nicht in milderem Licht erscheinen.
Das auf außerordentliche Strafmilderung nach § 41
StGB gerichtete Begehren ist überhaupt rechtlich vollkommen
verfehlt, weil in der Strafbestimmung des § 256
StGB keine Untergrenze festgelegt wird.
Der bedingten Strafnachsicht stehen in einem Fall wie dem vorliegenden die im § 43 StGB bezogenen Belange der Generalprävention (geradezu unüberbrückbar) entgegen. Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E02079European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00199.78.0606.000Dokumentnummer
JJT_19790606_OGH0002_0100OS00199_7800000_000