TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/28 2003/11/0195

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Veröffentlicht am 28.04.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

AVG §38;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §26 Abs2;
FSG 1997 §7 Abs1 Z1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
StVO 1960 §5 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Königsklostergasse 7/6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Mai 2003, Zl. MA 65 - 8/404/2001, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 21. Juni 2001 wurde in Erledigung der Vorstellung gegen den Bescheid vom 10. Jänner 2001 die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen A, B, C, E, F und G für die Dauer von 15 Monaten (endend am 18. März 2002) gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 des Führerscheingesetzes (FSG) entzogen. Gleichzeitig wurde einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In der Begründung führte die Erstbehörde an, der Beschwerdeführer habe am 18. Dezember 2000 ein nach dem Kennzeichen näher bestimmtes Kraftfahrzeug an einer näher genannten Örtlichkeit gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden verursacht. Obwohl bei der Unfallsaufnahme Symptome einer Alkoholisierung des Beschwerdeführers festgestellt worden seien und dieser zur Durchführung einer Atemluftalkoholuntersuchung aufgefordert worden sei, habe er diese Untersuchung verweigert.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer unter Anbot von Beweisen, die Atemluftalkoholuntersuchung zu Unrecht verweigert zu haben.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 2003 (dem Beschwerdeführer zugestellt am 26. Mai 2003) gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und vertrat in ihrer Begründung die Auffassung, er habe eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG verwirklicht. Dazu stellte sie fest, der Beschwerdeführer sei mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (UVS) vom 11. Juli 2002 rechtskräftig wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bestraft worden. Zur Bestreitung dieses Deliktes in der Berufung des Beschwerdeführers verwies die belangte Behörde auf die Bindungswirkung des genannten Bescheides des UVS. Bei der Wertung gemäß § 7 Abs. 4 FSG sei die Verwerflichkeit des Alkoholdeliktes und der Umstand zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer bereits im Jahre 1997 die Lenkberechtigung für zehn Monate entzogen worden sei, was bei ihm aber keinen bleibenden Sinneswandel bewirkt habe. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Alkoholdelikt vom 18. Dezember 2000 einen Verkehrsunfall verschuldet habe und deshalb gemäß § 88 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei. Eine Verkürzung der Entziehungsdauer von 15 Monaten widerspräche dem Zweck der getroffenen Maßnahme, den als nicht verkehrszuverlässig erkannten Beschwerdeführer vom öffentlichen Verkehr fern zu halten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG von Bedeutung:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird,

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen

...

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. (1) ...

(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.

..."

Die Beschwerde bringt gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides vor, die belangte Behörde habe es ungeachtet des Umstandes, dass der Beschwerdeführer in der Berufung die Begehung einer Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO 1960 bestritten habe, unterlassen, die von ihm dazu angebotenen Beweise aufzunehmen. Auf den im Instanzenzug ergangenen Strafbescheid des UVS vom 11. Juli 2002 habe sich die belangte Behörde deshalb nicht stützen können, weil dieser Bescheid bereits mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 2002, Zl. 2002/02/0228 aufgehoben worden sei.

Der letztgenannte Einwand, der den Tatsachen entspricht, führt die Beschwerde zum Erfolg. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht damit jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2005, Zl. 2004/11/0200, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zugrunde lag. Auch gegenständlich lag zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (26. Mai 2003) kein rechtskräftiges, die belangte Behörde bindendes Straferkenntnis über die Begehung der von der belangten Behörde als Grundlage der Entziehung angenommenen, eine bestimmte Tatsache darstellenden Übertretung durch den Beschwerdeführer vor. Da die belangte Behörde auch gegenständlich die Frage, ob das in Rede stehende Verweigerungsdelikt begangen wurde, nicht als Vorfrage gemäß § 38 AVG selbständig geprüft und rechtlich beurteilt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.

Bei diesem Ergebnis kommt es entgegen dem Vorbringen in der Gegenschrift nicht darauf an, ob und aus welchen Gründen die belangte Behörde von der Aufhebung des Bescheides des UVS vom 11. Juli 2002 durch den Verwaltungsgerichtshof keine Kenntnis hatte (freilich findet sich im Verwaltungsakt auf Seite 70 ein ausdrücklicher Hinweis auf die beim Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich anhängige Beschwerde). Der in der Gegenschrift (im Übrigen erstmals) vorgebrachte Hinweis, der Beschwerdeführer sei wegen seines Verhaltens am 18. Dezember 2000 mit Ersatzbescheid des UVS vom 20. Mai 2003 neuerlich der Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO 1960 schuldig erkannt worden, ist schon deshalb nicht zielführend, weil dieser Ersatzbescheid (auf den sich das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2004, Zl. 2003/02/0231, bezieht) nachweislich erst am 30. Mai 2003 - somit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides - erlassen wurde und deshalb in Bezug auf die gegenständlich zu überprüfende Entscheidung keine Bindungswirkung entfalten konnte.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. April 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003110195.X00

Im RIS seit

01.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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