Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerrit A wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 183 StG und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau vom 22.Jänner 1976, GZ 4 Vr 521/72-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafsache gegen Gerrit A wegen § 183
StG u.a. strafbarer Handlungen, AZ 4 Vr 521/72 des Kreisgerichtes Krems an der Donau, verletzt der Beschluß dieses Gerichtes vom 22. Jänner 1976, GZ 4 Vr 521/72-24, in seinem Ausspruch, womit die mit dem Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau bestimmte Probezeit von drei Jahren auf fünf Jahre verlängert wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 495 Abs 1 (13 Abs 3) und Abs 3
StPO
Dieser Ausspruch, sowie der Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 20.September 1978, GZ 4 Vr 521/72-32, und alle übrigen darauf beruhenden Verfügungen werden aufgehoben.
Die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Probezeit vom 9.Dezember 1975 und auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht vom 12.Juni 1978 (vgl. S 411 und 419 d. A) werden abgewiesen. Mit seiner gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 20.September 1978 erhobenen Beschwerde wird der Verurteilte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 19.März 1973, GZ 4 Vr 521/72-18, wurde der am 19. September 1949 geborene Drogist Gerrit A der Verbrechen der Veruntreuung nach § 183 StG und des Betruges nach §§ 197, 200, 201 lit. d, 203 StG, sowie des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 486 Z 1 und 2 StG und jenes nach § 39 Abs 2 PaßG schuldig erkannt und zu zehn Monaten schweren verschärften Kerkers verurteilt, wobei ihm gemäß den §§ 1 und 2 BedVG die Vollziehung der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben wurde.
Nachdem Gerrit A mit Urteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 31.Oktober 1975, GZ U 495/75-19, wegen des (in der Zeit vom 1. Juli 1974 bis einschließlich August 1975 begangenen) Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer (abermals) bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen verurteilt worden war, wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft vom 9.Dezember 1975 (vgl. S 411 d.A) mit dem Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 22.Jänner 1976, GZ 4 Vr 521/72-24, die mit dem oben zitierten Urteil bestimmte Probezeit unter gleichzeitigem Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht auf fünf Jahre, d.i. bis 22.März 1978 verlängert. Diese Beschlußfassung erfolgte ohne Anhörung des Verurteilten durch den Vorsitzenden des Schöffensenates.
In der Folge wurde Gerrit A mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 5.November 1976, GZ 17 E Vr 1343/76-11, wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1
StGB (Tatzeit: 10.Februar 1974) und mit Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 15.Februar 1978, GZ 16 U 324/78-2, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Tatzeit: 8.Dezember 1977) jeweils zu Geldstrafen verurteilt. Auf Grund dieser beiden Verurteilungen widerrief das Kreisgericht Krems an der Donau über Antrag der Staatsanwaltschaft vom 12.Juni 1978 (vgl. S 419 d. A) mit Beschluß vom 20.September 1978, GZ 4 Vr 521/72-32, gemäß dem § 53 Abs 1 StGB die bedingte Nachsicht der über Gerrit A mit dem eingangs erwähnten Urteil verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten.
Rechtliche Beurteilung
Über die gegen diesen Beschluß erhobene Beschwerde des Verurteilten wurde vom Oberlandesgericht Wien bisher nicht entschieden. Der die Verlängerung der Probezeit betreffende Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 22.Jänner 1976, GZ 4 Vr 521/72-24, entspricht nicht dem Gesetz.
Nach § 495 Abs 1 StPO entscheidet das Gericht (u.a.) über den Widerruf der bedingten Nachsicht einer Strafe mit Beschluß. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 13 Abs 3
StPO fällt diese Beschlußfassung in die Zuständigkeit des Drei-Richter-Senates, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob letztlich auf Widerruf erkannt, von einem Widerruf abgesehen oder (außerdem) die Probezeit verlängert wird.
In all diesen Fällen hat das Gericht überdies gemäß dem § 495 Abs 3 StPO den Ankläger, den Verurteilten (mit der im letzten Satz dieser Bestimmung normierten Einschränkung) und den Bewährungshelfer - unabhängig vom Inhalt der Antragstellung der Staatsanwaltschaft und vom Ergebnis der zu treffenden Entscheidung - zu hören. Die Beschlußfassung ohne die im § 495 Abs 3 StPO vorgesehene vorherige Anhörung des Verurteilten Gerrit A, dessen Aufenthalt bekannt war, und durch ein richterliches Einzelorgan anstatt gemäß §§ 495 Abs 1, 13 Abs 3 StPO durch einen Senat von drei Richtern verstieß sohin gegen das Gesetz.
Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen, welche der die Verlängerung der Probezeit anordnenden Entscheidung anhaften, gereichten dem Verurteilten zum Nachteil, da die Beschlußfassung über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht erst innerhalb der sechsmonatigen Widerrufsfrist nach Ablauf der verlängerten Probezeit, also zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu welchem ohne die Formverstöße aufweisende Entscheidung über die Probezeitverlängerung ein Widerruf nicht mehr zulässig gewesen wäre (§ 56 StGB). Durch eine Aufhebung dieses Beschlusses wird mithin auch dem Beschluß des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 20.September 1978, GZ 4 Vr 521/72-32, über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht der Boden entzogen. Auf Grund der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E02088European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00087.79.0621.000Dokumentnummer
JJT_19790621_OGH0002_0120OS00087_7900000_000