Norm
Bundes-Abgabenordnung §21Kopf
SZ 52/101
Spruch
Beim Eigentumserwerb durch Zuschlag ist der Verpflichtete, umsatzsteuerrechtlich gesehen, "Lieferant" im Sinne des § 11 UStG 1972 und daher gegenüber dem Ersteher zur Ausstellung einer dieser Gesetzesstelle entsprechenden Rechnung verpflichtet; in dieser Rechnung ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die "Lieferung" auf Grund der Zuschlagserteilung bewirkt wurde
OGH 26. Juni 1979, 4 Ob 510/79 (OLG Linz R 169/78; LG Salzburg 12 Cg 122/77)
Text
Die A-GmbH in Innsbruck, deren Gesamtrechtsnachfolgerin nunmehr die klagende Partei ist, hat von der beklagten Partei - dem Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Karl V - im Wege der Zwangsversteigerung die Liegenschaften X und Y, auf welchen das Hotel "G" betrieben wird, samt Zubehör erworben.
Mit der vorliegenden Klage wird für das im Versteigerungsverfahren gesondert geschätzte Zubehör die Ausstellung einer - im einzelnen näher detaillierten - Rechnung über 6 070 955.73 S unter Ausweisung einer Umsatzsteuer von 859 875.21 S mit der Begründung begehrt, daß mangels gegenteiliger Anführung in den Versteigerungsbedingungen im Meistbot hinsichtlich des Zubehörs auch die Umsatzsteuer enthalten gewesen und die beklagte Partei gemäß § 11 Abs. 1 UStG, BGBl. 223/1972, zur Ausstellung einer solchen Rechnung verpflichtet sei. In der Folge brachte die klagende Partei noch vor, daß die beklagte Partei in der Versteigerungstagsatzung ihre eigene Verpflichtung zur Leistung der Umsatzsteuer für das versteigerte Zubehör anerkannt, zwecks Begleichung dieser Steuerschuld die Zuweisung eines entsprechenden Betrages an die Masse beantragt und damit implicite auch den Klageanspruch anerkannt habe. Der Erwerb des Zubehörs durch Zuschlag sei ein umsatzsteuerbarer Vorgang gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972. Da die klagende Partei Vollkaufmann kraft Gesetzes und der Gemeinschuldner protokollierter Kaufmann sei, bestehe schließlich auch zivil- und handelsrechtlich eine Pflicht zur Rechnungsausstellung.
Die beklagte Partei hat Klageabweisung beantragt und vorgebracht:
Eine gerichtliche Versteigerung stelle einen staatlichen Hoheitsakt dar, der eine Pflicht zur Rechnungsausstellung ausschließe. Im umsatzsteuerrechtlichen Sinn lägen zwei Veräußerungsvorgänge vor, nämlich zwischen verpflichteter Partei und Bund sowie zwischen Bund und Ersteher. Die beklagte Partei sei daher auch in umsatzsteuerlicher Sicht nicht Partner der klagenden Partei und daher nicht passiv klagelegitimiert. Eine Anmeldung von Umsatzsteuerbeträgen sei in der Verteilungstagsatzung nur aus Vorsichtsgrunden erfolgt und rechtskräftig abgewiesen worden. Der Masseverwalter habe eine Pflicht zur Rechnungsausstellung auch nicht anerkannt, sondern ausdrücklich bestritten. Die Geltendmachung einer zivil- und handelsrechtlichen Pflicht zur Rechnungsausstellung stelle eine Klagsänderung dar, welcher widersprochen werde.
Dem Rechtsstreit ist das Bankhaus M in Hamburg als Nebenintervenient auf der Seite der beklagten Partei beigetreten, hat sich am Verfahren aber dann nicht beteiligt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte folgenden weiteren Sachverhalt fest: Bei der klagenden Partei bzw. deren Rechtsvorgängerin handelt es sich um ein im Handelsregister eingetragenes Unternehmen, dessen Gegenstand der Erwerb und Betrieb von Unternehmungen des Gast- und Schankgewerbes samt Erwerb und Benützung von Liegenschaften ist, die mittelbar oder unmittelbar der Förderung dieses Erwerbes dienen. Im Zwangsversteigerungsverfahren der Liegenschaften EZ X und EZ Y wurde der Wert des Zubehörs mit 6 958 472.50 S festgesetzt. Der Verpflichtete bzw. nunmehrige Gemeinschuldner betrieb auf diesen Liegenschaften das Luxushotel "G". Die Versteigerungsbedingungen enthalten keinen Hinweis darauf, daß für das Zubehör Umsatzsteuer zu entrichten sei oder der Ersteher eine Umsatzsteuer neben dem Meistbot zu tragen habe. Die von der klagenden Partei mit Schreiben vom 19. Jänner 1977 verlangte Rechnungsausstellung hat der Masseverwalter abgelehnt, jedoch aus Vorsichtsgrunden in einer Verteilungstagsatzung hinsichtlich des Zubehörs einen Umsatzsteuerbetrag angemeldet, welches Begehren jedoch rechtskräftig abgewiesen wurde. Mit der in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidung vom 3. März 1978 hat das Finanzamt für das vorbezeichnete Zubehör einen Gesamtbetrag von insgesamt 6 070 955.73 S festgesetzt und hiefür dem Masseverwalter Umsatzsteuer von 859 875.21 S vorgeschrieben.
In seiner rechtlichen Begründung führte das Erstgericht aus, daß der Masseverwalter zwar eine Pflicht zur Rechnungsausstellung gegenüber der klagenden Partei nicht anerkannt habe, eine solche Verpflichtung jedoch auf Grund der Bestimmung des § 11 Abs. 1 UStG 1972, welche Vorschrift eine Fakturierungspflicht als zivilrechtliche Nebenverpflichtung enthalte, gegeben sei, da das Meistbot bereits die Umsatzsteuer enthalten habe und ein einziger Veräußerungsvorgang, nämlich zwischen verpflichteter Partei und Ersteher, vorliege.
Der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung der beklagten Partei gab das Berufungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Urteil Folge und wies das Klagebegehren ab; es sprach gleichzeitig aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteige.
Das Berufungsgericht trat der Meinung des Erstgerichtes bei, daß auch der auf § 11 UStG 1972 gegrundete Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung ein solcher des Privatrechtes sei, so daß das Gericht zur Entscheidung darüber berufen sei. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt verneinte es jedoch alle geltend gemachten Klagegrunde. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht war es der Ansicht, daß der Masseverwalter kein Anerkenntnis abgegeben habe. Aber auch nachdem ABGB sowie den handels-, exekutions- und konkursrechtlichen Normen bestehe keine Pflicht gegenüber dem Ersteher, eine Rechnung auszustellen. Letztlich könne auch aus der Bestimmung des § 11 Abs. 1 UStG 1972 der Klageanspruch nicht abgeleitet werden, weil es bei einer Zwangsversteigerung nicht der Verpflichtete sei, welcher dem Ersteher die Verfügung über das Exekutionsobjekt verschaffe, jener also umsatzsteuerrechtlich nicht dem Ersteher liefere. Es sei vielmehr nach der im Umsatzsteuerrecht entwickelten Zweistufentheorie ein zweifacher Vorgang anzunehmen. Der erste Umsatz bestehe im Übergang des Exekutionsobjektes vom Verpflichteten auf den Bund als Träger der Gerichtsbarkeit, der zweite Umsatz im Übergang des Exekutionsobjektes vom Bund auf den Ersteher. Da nach § 3 UStG 1972 nur die Verschaffung der Verfügungsmacht entscheidend sei, eine solche aber dem Verpflichteten bzw. dem Gemeinschuldner nicht mehr zukomme, könne letzterer ebensowenig wie auch der Masseverwalter für den Gemeinschuldner an den Ersteher liefern. Die Verfügungsmacht werde dem Ersteher vom Exekutionsgericht, also dem Bund, durch den Zuschlag verschafft. Das Fehlen eines rechtlichen Formalaktes für den Übergang der umsatzsteuerrechtlichen Verfügungsmacht vom Verpflichteten auf den Bund könne daran nichts ändern, weil das Umsatzsteuergesetz einen eigenständigen, auf die tatsächliche Lage abgestellten Lieferbegriff enthalte, der nicht an einen bestimmten Akt des Zivilrechtes oder Verfahrensrechtes anknüpfe. Somit sei vorliegendenfalls keine Lieferung des Masseverwalters an die Ersteherin erfolgt und demgemäß auch nach § 11 Abs. 1 UStG 1972 kein Anspruch der klagenden Partei auf Ausstellung einer Rechnung gegeben.
Der Oberste Gerichtshof stellte das Ersturteil mit der Maßgabe wieder her, daß in den Spruch der Entscheidung ein Hinweis auf die Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungsverfahren aufgenommen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Für das Revisionsverfahren ist nur noch entscheidend, ob die klagende Partei den geltend gemachten Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung der beklagten Partei gegenüber mit Erfolg auf § 11 Abs. 1 UStG 1972 zu stützen vermag. Nach dieser Gesetzesstelle ist der Unternehmer, der steuerpflichtige Lieferungen oder steuerpflichtige sonstige Leistungen an einen anderen Unternehmer ausführt, auf dessen Verlangen verpflichtet, Rechnungen auszustellen, in denen die Steuer gesondert ausgewiesen ist.
Der liefernde Unternehmer, der gemäß § 19 Abs. 1 UStG 1972 Steuerschuldner ist, versetzt durch Ausstellung dieser Rechnung den Empfänger der Lieferung gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 in die Lage, diesen von ihm (dem Lieferanten) ausgewiesenen Steuerbetrag gemäß § 20 Abs. 2 UStG 1972 in der gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1972 abzugebenden Voranmeldung als Steuerabzug abzusetzen.
Da § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 für den Vorsteuerabzug zwar eine Rechnung voraussetzt, gemäß § 11 Abs. 2 UStG 1972 als Rechnung aber jede Urkunde gilt, mit der ein Unternehmer über eine Lieferung abrechnet, ohne Rücksicht darauf, wie diese Urkunde bezeichnet wird, und die "Rechnung" auch in einer Kombination mehrerer Urkunden bestehen kann, sofern in ihr (oder in den mehreren Urkunden zusammen) die nach § 11 UStG 1972 geforderten Angaben enthalten sind (s. dazu den Durchführungserlaß zum Umsatzsteuergesetz - künftig als DE bezeichnet - Abschnitt 77 Abs. 3, 78 Abs. 1 und 2; Huber - Hofinger in ÖJZ 1975, 338; Kranich - Siegl - Waba, Handbuch, 251; Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer - Paukowitsch, Komm. z. Umsatzsteuergesetz I, 144, 11 f., 148), ist zunächst zu prüfen, ob die klagende Partei bereits auf Grund des Beschlusses über die Zuschlagserteilung im Zusammenhang mit der rechtskräftigen Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Salzburg-Land vom 3. März 1978 die darin der beklagten Partei als "Lieferanten" vorgeschriebenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuerabzug geltend machen kann (der Vorsteuerabzug besteht unabhängig von der Bezahlung der Rechnung und vom Zeitpunkt der weiteren Verwendung der "gelieferten" Sache DE Abschnitt 84 Abs. 2, Handbuch, 245 f. Anm. 1 zu § 12). So braucht etwa auch der Kostengläubiger im Zivilprozeß für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug neben der Kostenentscheidung, in welcher die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wird, keine gesonderte Rechnung des Kostenschuldners (s. dazu JABl. 1972, 83), wobei allerdings fraglich ist, ob in diesem Fall einer "Ersatzleistung" überhaupt eine "Lieferung" im Sinne des § 11 UStG 1972 vorliegt. Denn wenn ein derartiger Vorsteuerabzug der klagenden Partei auch ohne Rechnung möglich wäre, würde ihr das Rechtsschutzbedürfnis im vorliegenden Verfahren fehlen. Dieses Rechtsschutzbedürfnis liegt hier aber schon deshalb vor, weil es keineswegs sicher ist, daß die Finanzbehörden einem Ansuchen um Vorsteuerabzug bereits auf Grund des Beschlusses über die Zuschlagserteilung stattgeben werden. Durch die von der klagenden Partei hier begehrte Ausstellung einer Rechnung kann aber jedenfalls die Frage des Vorliegens der Urkunden zum Zweck der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges zugunsten der klagenden Partei geklärt und einem Streit darüber vor den Finanzbehörden vorgebeugt werden.
Zu prüfen ist daher die Berechtigung des geltend gemachten Anspruches auf Rechnungslegung. Die sich aus § 11 Abs. 1 UStG für den liefernden Unternehmer ergebende Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung hat zivilrechtlichen Charakter (SZ 48/140; s. auch den 2. Absatz der EB zu § 11 UStG 1972, 145 BlgNR, XIII. GP, 34; Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer - Paukowitsch, Komm. z. Umsatzsteuergesetz, 143 f.; Kranich - Siegl - Waba, Mehrwertsteuerhandbuch, 215, sowie dieselben, Komm. z. Mehrwertsteuer, Anm. 36 zu § 11).
Die Frage aber, ob eine "steuerpflichtige Lieferung" ausgeführt wird und wer "Lieferant" und wer "Empfänger" der Lieferung ist, muß ausschließlich nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten unter Beachtung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 21 BAO) beantwortet werden; zivilrechtliche und verfahrensrechtliche Gesichtspunkte sind nicht maßgebend, wie überhaupt die Prüfung und Entscheidung der Frage, ob ein Vorsteuerabzug vorgenommen werden darf, grundsätzlich in die Zuständigkeit der Abgabenbehörden fällt. Das Gericht hat abgabenrechtliche Fragen grundsätzlich nicht zu behandeln (vgl. JABl. 1972, 83: "Der Gesetzgeber hat damit die Gerichte der Prüfung der schwierigen Nebenfrage enthoben, ob nicht der Ersatzberechtigte zum Vorsteuerabzug berechtigt ist .....", im gleichen Sinne 8 Ob 79/75 (unter Hinweis auf BlgNR): "Das Gericht hat die Umsatzsteuer nicht gesondert zu behandeln und auch nicht die abgabenrechtliche Vorfrage zu entscheiden, ob der Ersatzberechtigte Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzuges vergütet erhalten könnte.").
Durch die rechtskräftige Berufungsvorentscheidung vom 3. März 1978 wurde zwar nicht über den zivilrechtlichen Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung entschieden, wohl aber in einer für die Gerichte bindenden Weise über die steuerrechtliche Vorfrage, daß 1. die "Lieferung" des Hotels "G" durch die beklagte Partei - an wen, soll zunächst bewußt ausgeklammert werden - ein steuerbarer Umsatz ist, daß es sich 2. bei den darin angeführten Inventargegenständen ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Eigenschaft als Liegenschaftszubehör und des Umstandes, daß sie im Rahmen einer Liegenschaftsversteigerung zugeschlagen wurden, steuerrechtlich nichtLiegenschaftszubehör, sondern um "Vorrichtungen" im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 Gründerwerbssteuergesetz handelt und daher die Befreiung von der Umsatzsteuer gemäß § 6 Z. 9 a UStG 1972 nicht Platz greift, daß es sich 3. beim Erwerb durch Zuschlag in einer Zwangsversteigerung grundsätzlich um einen steuerbaren Umsatz gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 handelt und schließlich 4., daß es sich beim Meistbot um einen "Bruttobetrag" handelte, in welchem die Umsatzsteuer in der festgestellten Höhe enthalten war, obgleich sie in den Versteigerungsbedingungen nicht erwähnt wurde. Liegt aber somit ein steuerbarer Umsatz vor, dann ist lediglich noch zu prüfen, an wen die "Lieferung" erfolgt ist. Es steht nämlich keineswegs fest, daß die klagende Partei deswegen zu einem Vorsteuerabzug nicht berechtigt sei, weil die "Lieferung" (an ihre Rechtsvorgängerin) nicht durch den Verpflichteten - einen Unternehmer - erfolgt sei. Ein Herantragen dieser Frage zur Prüfung an die Steuerbehörden ist keineswegs sinnlos, da sie durchaus im Sinne der klagenden Partei gelöst werden kann. Der Auffassung, daß bei einem Zuschlag im Zuge einer Zwangsversteigerung nicht der Verpflichtete, sondern der Staat "Lieferant" sei, ist nämlich folgendes entgegenzuhalten:
Es ist davon auszugehen, daß der Begriff "Lieferung" nicht zivil- oder verfahrensrechtlich, sondern ausschließlich steuerrechtlich zu beurteilen ist. Das Wesen der "Lieferung" in umsatzsteuerrechtlicher Sicht bildet die Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand durch den Lieferer an den Abnehmer. Dieser Begriff ist im Umsatzsteuerrecht durchaus eigenständig und von dem bürgerlichrechtlichen Lieferbegriff zu unterscheiden. Während nämlich nach bürgerlichem Recht zwischen dem Verpflichtungsgeschäft und dem Verfügungs- oder Erfüllungsgeschäft zu unterscheiden ist, ist steuerrechtlich lediglich die Erfüllung maßgebend, wobei es nicht darauf ankommt, was vereinbart wurde, sondern darauf, was tatsächlich geleistet wird. Die freie Entschließung zu einer Leistung ist keine Voraussetzung für das Vorliegen einer steuerbaren Leistung, da § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 ausdrücklich bestimmt, daß die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt. Auch Eigentumsübertragung ist keine Voraussetzung für das Vorliegen einer "Lieferung"; wesentlich ist, daß der Abnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wird, im eigenen Namen wie ein Eigentümer zu verfügen. Wie der Unternehmer diesen Erfolg herbeiführt, ist unerheblich. Er kann die Verfügungsmacht über den Gegenstand dem Abnehmer selbst oder in dessen Auftrag einem Dritten verschaffen, und er kann die Verfügungsmacht selbst oder durch einen von ihm beauftragten Dritten übertragen (Kommentar Dorazill, 39, 42, 43, 44/1, 44/2). Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1975, B 318/74, setzt ein Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 begrifflich einen Leistungsaustausch voraus. Aus diesem Grund ist im Fall einer Zwangsversteigerung eine "Lieferung" an den Staat nicht anzunehmen, weil im Zwangsversteigerungsverfahren wohl der Staat die Verfügungsmacht über den Pfandgegenstand hat, aber diese Verfügungsmacht nicht vom Verpflichteten ableitet und auch kein Entgelt an den Verpflichteten für die Übertragung der Verfügungsmacht über den Pfandgegenstand leistet. Die Freistellung von Schulden, die nach Matheja (UStR 2/1971, 22, II Z. 1 letzter Absatz) das Entgelt des Staates darstellen soll, erfolgt jedenfalls "wirtschaftlich" nicht durch den Staat, sondern eben aus dem Meistbot, somit durch die Leistung des Erstehers für den zugeschlagenen Pfandgegenstand.
Die Auffassung, der Staat könne die Verfügungsmacht dem Ersteher nur dann verschaffen, wenn sie vom Verpflichteten auf ihn übergegangen sei, ist nicht überzeugend. Gerade weil der Staat auf Grund seiner hoheitlichen Zwangsgewalt verfügt und - grundsätzlich originäres - Eigentum überträgt, ist der Erwerb des Eigentums durch ihn nicht Voraussetzung für die Möglichkeit, dem Ersteher die Verfügungsgewalt über den versteigerten Gegenstand einzuräumen. Er kann dies vielmehr auf Grund seiner Zwangsgewalt anordnen, wobei der Verpflichtete dieser Anordnung nachzukommen und sie durchzuführen hat und (grundsätzlich nur) im Falle der Weigerung des Verpflichteten Übertragung durch das Vollstreckungsorgan vorgenommen wird, so daß der Verpflichtete der zur Rechnungsausstellung verpflichtete Lieferant im Sinne des § 11 UStG 1972 ist und im Falle seiner Weigerung im Klageweg die Rechnung von ihm verlangt werden kann. Der Staat verfügt bei Durchführung einer Zwangsversteigerung zwar über den Pfandgegenstand im eigenen Namen und kraft eigenen Rechtes, aber - wirtschaftlich gesehen - nicht wie ein Eigentümer. Durch seine auf der hoheitlichen Zwangsgewalt beruhenden Verfügungsmöglichkeit unterscheidet sich auch seine Stellung von der eines Zwischenmannes bei einem sogenannten Reihengeschäft, bei dem gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1972 die Lieferung an den letzten Abnehmer zugleich als Lieferung eines jeden Unternehmers in der Reihe gilt, weil bei einem Reihengeschäft eine geschlossene Kette von auf Willensübereinstimmung beruhenden Geschäften vorausgesetzt wird und jeder Unternehmer die Verfügungsmöglichkeit über den Gegenstand vom Vormann ableitet. Aus der Regelung des Reihengeschäftes für den Fall einer Verfügung auf Grund einer eigenen (nicht vom Vormann abgeleiteten) Zwangsgewalt können wegen der Verschiedenheit des Sachverhaltes keine schlüssigen Folgerungen gezogen werden. Wirtschaftlich gesehen führt aber die Zwangsversteigerung im Falle eines Zuschlages den gleichen Erfolg herbei wie ein - auf Willensübereinstimmung zwischen Verpflichtetem und Erwerber beruhender - Verkauf des betreffenden Gegenstandes, bei dessen Zuschlag an den Ersteher lediglich die freiwillige Entscheidung des bisherigen Eigentümers zur Verschaffung des Titels für die Übertragung an den Erwerber durch den Zwangsakt des Gerichtes (Zuschlagserteilung) ersetzt wird. Die Freiwilligkeit des Umsatzes soll aber - wie bereits ausgeführt - nach dem Umsatzsteuergesetz 1972 belanglos sein. Die wirtschaftliche und damit umsatzsteuerrechtliche Gleichstellung des Erwerbes durch Zuschlag mit dem Erwerb durch Kauf erscheint mit Rücksicht darauf, daß es sogar nach bürgerlichem Recht lange bestritten war, ob der Zuschlag nicht die Rechtsnatur eines Kaufvertrages hat (s. Heller - Berger - Stix, 1240 ff., 1767), berechtigt. Es ist daher davon auszugehen, daß im Falle des Zuschlages, umsatzsteuerrechtlich gesehen, der Verpflichtete "Lieferant" im Sinne des § 11 UStG 1972 ist, er also die ihm durch die Zuschlagserteilung aufgetragene Lieferung "ausführt" (§ 11 Abs. 1 UStG 1972). Daß er nicht freiwillig liefert und im Falle seiner Weigerung oder bei einer schon vorher angeordneten gerichtlichen Verwahrung das Gericht einschreitet und die Übergabe des ersteigerten Gegenstandes vornimmt, schließt daher die steuerrechtliche Stellung des Verpflichteten als "Lieferanten" keineswegs aus. § 3 UStG 1972 verlangt auch nur, daß der Leistungsempfänger auf Grund der "Lieferung" wie ein Eigentümer über deren Gegenstand - tatsächlich - verfügen kann, schließt aber nicht aus, daß derjenige, der die Lieferung ausführt, dies über behördliche Anordnung zu tun hat (§ 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972). Der Verpflichtete ist daher gegenüber dem Ersteher als der "Lieferant" im Sinne des § 11 UStG 1972 zur Ausstellung der verlangten Rechnung verpflichtet. Um allfällige Schwierigkeiten, die sich für den Verpflichteten gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 ergeben könnten, auszuschließen, ist in der Rechnung aber darauf hinzuweisen, daß die "Lieferung" auf Grund der Zuschlagserteilung erfolgt ist. Die Frage, ob eine Direktlieferung an den Ersteher oder eine Lieferung im Sinne der sogenannten "Zweistufentheorie" vorliegt, kann dann bereits auf Grund der Angaben in der Rechnung von der Abgabenbehörde rechtlich geprüft und beurteilt werden, so daß die Gefahr einer Haftung nach § 11 Abs. 14 UStG 1972 nicht anzunehmen ist. Die Haftung nach § 11 Abs. 14 UStG 1972 soll ja nur Mißbräuche verhindern, so daß irrtümlich ausgestellte Rechnungen berichtigt werden können, aber die Haftung auch nur dann eintritt, wenn weder aus dem Inhalt der Rechnung noch aus den sonstigen in der Rechnung bezogenen Unterlagen der Leistende, der Leistungsempfänger und die Art der Leistung hervorgehen. Eine Haftung ist daher etwa auch dann nicht gegeben, wenn Name und Anschrift des Unternehmers im zivilrechtlichen Sinn angegeben ist, obgleich dieser nicht Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ist (Kommentar Dorazil I 144/1, 144/31).
Der Revision war somit Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern; hiebei war jedoch auf den oben erwähnten Hinweis Bedacht zu nehmen.
Anmerkung
Z52101Schlagworte
"Lieferung" auf Grund der ZuschlagserteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0040OB00510.79.0626.000Dokumentnummer
JJT_19790626_OGH0002_0040OB00510_7900000_000