Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall) StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 9. Februar 1979, GZ 20 t Vr 7051/77-93, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Doczekal und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Peter A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall) StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in Wien außer dem Fall der Notzucht Personen weiblichen Geschlechtes mit Gewalt, und zwar durch Versetzen von Schlägen, zum außerehelichen Beischlaf nötigte, nämlich (1.) am 25. April 1977 Dorothea B sowie (2.) am 12. Juli 1977 Elisabeth C, wobei die Tat eine Schädelprellung, einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchstücke und eine Prellung des Kehlkopfes mit Blutunterlaufungen am Hals, also eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 345 Abs 1 Z 8 und Z 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.
Daß für eine Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB als Begehungsmittel Gewalt oder gefährliche Drohung und als deren Erfolg eine dem wahren Willen der genötigten Frau zuwiderlaufende Duldung des außerehelichen Beischlafs durch sie erforderlich sind, ist der bezüglichen schriftlichen Rechtsbelehrung in ihrem Zusammenhang (S. 3, 4 in Beilage ./5 zu ON. 92) ohnedies unmißverständlich zu entnehmen.
Keineswegs kann diese dahin mißverstanden werden, daß als tatbestandsgemäßes 'Nötigen' auch ein durch legale Mittel erfolgtes Herbeiführen eines Beischlafsentschlusses des Tatopfers erfaßt werden könnte. Weitergehend generalisierender Erläuterungen zum Begriff 'nötigen', den der Schwurgerichtshof zutreffend als ein 'Bestimmen des Opfers dazu, daß es den außerehelichen Beischlaf zuläßt', sodaß es zu einer Willensentschließung oder Willensbetätigung 'verhalten wird', umschrieb, insbesondere einer nochmaligen Erwähnung des (alternativen) Tatbestandserfordernisses einer Gewaltanwendung, einer noch stärkeren Betonung des Wesens der Nötigung als einer Willensbeugung (vgl. ÖJZ-LSK. 1979/90 u.a.) oder einer Anführung anderer möglicher Folgen einer Nötigung, bedurfte es nicht.
Unbegründet ist ferner der Vorwurf, durch die Rechtsbelehrung habe bei den Geschwornen der Eindruck entstehen können, daß schon bei bloß zeitlicher Aufeinanderfolge von Gewalt und außerehelichem Geschlechtsverkehr das Tatbestandsmerkmal 'nötigen' gegeben sei. Aus dem Zusammenhang der Erläuterungen erhellt vielmehr ganz klar, daß der Vorsatz des Täters auch auf die Kausalität des Begehungsmittels für den Erfolg, also darauf gerichtet sein muß, das Opfer durch die Gewalt oder gefährliche Drohung zum Beischlaf zu bestimmen; 'Absicht' (§ 5 Abs 2 StGB) ist dazu, der Terminologie des Beschwerdeführers zuwider, nicht erforderlich.
Desgleichen ist nicht einzusehen, inwiefern der in Abgrenzung des Tatbestandes der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB von jenem der Notzucht nach § 201 Abs 1
StGB gegebene Hinweis darauf, daß bei diesem Delikt die Gewalt auch gegen einen Dritten gerichtet sein könne, bei jenem dagegen das Opfer selbst betreffen müsse (S. 8, 9 in Beilage ./5 zu ON. 92), zur Verwirrung der Geschwornen geeignet gewesen sein sollte; daraus, daß im gegebenen Fall die Gewalt ohnedies gegen das Opfer ausgeübt wurde, ergibt sich zwar die Überflüssigkeit der gerügten Erläuterung, aber nicht deren Unrichtigkeit.
Eine ausdrückliche Wiederholung der Rechtsbelehrung über den Tatbestand des § 202 Abs 1 StGB schließlich, die den Geschwornen schon in bezug auf die Eventualfrage (2) zur Hauptfrage I erteilt wurde, bei der Erörterung der insoweit gleichartigen Eventualfrage
(4) zur Hauptfrage II war durchaus entbehrlich: durch den Hinweis darauf, daß hinsichtlich des in Rede stehenden Verbrechens 'in Ansehung des Täters, des Wesens, der Gewalt, des Beischlafs, der Nötigung und des Vorsatzes hier uneingeschränkt die Ausführungen zur erstbezeichneten Eventualfrage gelten', wurde der Vorschrift des § 321 Abs 2 StPO vollauf entsprochen (EvBl. 1971/315 u.a.). Demgemäß vermag der Beschwerdeführer mit seinen Einwänden eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung im Sinn des § 345 Abs 1 Z 8 StPO nicht aufzuzeigen.
Bei seinem Versuch aber, einen zur Urteilsnichtigkeit nach Z 12 der vorerwähnten Verfahrensbestimmung führenden Subsumtionsirrtum nachzuweisen, geht er nicht von dem im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Sachverhalt, sondern von seiner leugnenden Verantwortung aus. Damit bringt er den geltendgemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten, von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafsatz des § 202 Abs 2 StGB zu sieben Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es seine mehreren Vorstrafen wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Taten, die Wiederholung der strafbaren Handlung, die leichte Verletzung der Dorothea B und die besondere Brutalität beider Straftaten als erschwerend, keinen Umstand hingegen als mildernd. Bei einer möglichen Strafobergrenze von fünfzehn Jahren (§ 39 StGB) hielt es demgemäß und unter Bedacht auf eine durch die beiden neuerlichen brutalen Sexualdelikte dokumentierte, bereits eingewurzelte Neigung des Angeklagten zur Mißachtung der körperlichen Integrität und zur Verletzung der Sexualspähre von Frauen sowie auf seine daraus und aus der letztlichen Erfolglosigkeit aller seiner bisherigen Abstrafungen resultierende besondere Gefährlichkeit für Frauen die verhängte Freiheitsstrafe wegen seines hohen Verschuldens und wegen des gravierenden Unrechtsgehalts seiner Taten für angemessen.
Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.
Von einem Teil- oder Tatsachengeständnis des Berufungswerbers im Faktum C kann im Hinblick auf seine Verantwortung, die Genannte habe dem Geschlechtsverkehr zugestimmt und er habe sie erst nachher verletzt, ebensowenig die Rede sein wie davon, daß es sich bei der Tat 'doch mehr oder minder um eine sich aus der Situation ergebende Entgleisung' gehandelt habe.
Auch für die Annahme, das Tatopfer habe den Angeklagten 'verleitet' oder ihm in sexueller Hinsicht auch nur 'Avancen' gemacht, welche die äußerst brutale Tat in einem milderen Licht erscheinen ließen, bietet die Aktenlage keinen Anhaltspunkt. Daß der Berufungswerber sonst ein normales Eheleben führt, einer geregelten Arbeit nachgeht und nunmehr schon eine längere Untersuchungshaft erlitten hat, wirkt nicht als mildernd. Wohl aber wurden ihm die leichten Verletzungen der Dorothea B, die über die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 202 Abs 1 StGB hinausgehen und durch den gesetzlichen Strafsatz nicht erfaßt werden, zu Recht als erschwerend angelastet, gleichwie das Gewicht seiner einschlägigen Vorstrafen dadurch, daß diese bereits einige Jahre zurückliegen, nach Lage des Falles nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Aus seinem Vorleben und aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Gross schließlich hat das Geschwornengericht durchaus zutreffend eine eingewurzelte Neigung des Angeklagten zu Gewalt- und Sexualdelikten abgeleitet, die ihn als eine speziell für Frauen gefährliche Täterpersönlichkeit ausweist.
Aus alledem folgt in zusammenfassender Betrachtung, daß die vom Erstgericht über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren seiner tatund persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) entspricht, sodaß seiner Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02099European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00075.79.0626.000Dokumentnummer
JJT_19790626_OGH0002_0090OS00075_7900000_000