TE OGH 1979/6/26 11Os60/79

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Veröffentlicht am 26.06.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert A wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach den §§ 146, 147

Abs 3 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19.Februar 1979, GZ 12 Vr 303/79-51, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Schlick und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert A wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in dem (den Angeklagten Robert A) schuldigsprechenden Teil zur Gänze aufgehoben und insoweit die Sache in den Urteilsfakten Punkt 1) (Urkundenunterdrückung zum Nachteil der Antonia B) sowie Punkt 3) und 4) (Betrug zum Nachteil des Dipl.Ing. Dr. Herbert C und Ewald D) zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen und im Urteilsfaktum

2) gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

'Robert A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 9. September 1977 in Graz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, den Notar DDr. Karl E als Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren nach der am 22. Jänner 1977 verstorbenen Antonia B durch die Behauptung, der Erblasserin und deren Nachlaß nichts zu schulden, zur Nichtaufnahme einer Darlehensforderung von mindestens 1,286.900,-- S in das Verzeichnis des Nachlaßvermögens, somit durch Täuschung über Tatsachen zu einer Unterlassung zu verleiten versucht, die die Erben nach Antonia B am Vermögen in der angeführten Höhe schädigen sollte, und hiedurch das Verbrechen des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147

Abs 3 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.'

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Robert A auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8.Jänner 1941 geborene Kaufmann Robert A des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs 1 StGB (Punkt 1) des Urteilssatzes) und des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach den §§ 146, 147

Abs 3, 15 StGB (Punkte 2), 3) und 4) des Urteilssatzes) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Ihm liegt nach dem Inhalt des Schuldspruchs zur Last, in Graz zu Punkt 1): im November 1976 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich ein schwarzes Notizbuch mit (von ihm unterfertigten) Aufzeichnungen der Antonia B über die ihm von ihr gewährten Kredite dadurch, daß er Antonia B (während ihres Krankenhausaufenthaltes) die Wohnungsschlüssel unter einem Vorwand herauslockte und sodann dieses Notizbuch aus ihrer Wohnung holte, unterdrückt zu haben, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß es im Rechtsverkehr zum Beweise des Rechts der Erben nach Antonia B auf Rückforderung dieser Darlehen gebraucht werde;

ferner mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, zu Punkt 2): am 9.September 1977 den Notar DDr. Karl E als Gerichtsabgeordneten im Verlassenschaftsverfahren nach der am 22.Jänner 1977 verstorbenen Antonia B durch die Behauptung, der Erblasserin und deren Nachlaß nichts zu schulden, zur Nichtaufnahme einer Darlehensforderung von mindestens 1,286.900,-- S in das Verzeichnis des Nachlaßvermögens, somit durch Täuschung über Tatsachen zu einer Unterlassung zu verleiten versucht zu haben, die die Erbin nach Antonia B an ihrem Vermögen in der angeführten Höhe schädigen sollte;

zu Punkt 3): im August 1978 den Dipl.Ing. Dr. Herbert C durch die Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, somit durch Täuschung über Tatsachen, zum Abschluß eines Mietvertrages über ein Geschäftslokal in Graz mit der Verpflichtung zur Bezahlung einer monatlichen Miete von 3.000,-- S, sohin zu einer Handlung verleitet zu haben, die diesen an seinem Vermögen in der Höhe von 11.144,22 S schädigte;

zu Punkt 4): am 9. und 12.Oktober 1978 den Ewald D durch die Zusage der Rückzahlung bis 16.Oktober 1978, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Gewährung von zwei Darlehen in der Höhe von jeweils 22.000,-- S, sohin zu Handlungen verleitet zu haben, die diesen an seinem Vermögen in der Höhe von insgesamt 44.000,-- S schädigten. Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte Robert A mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit. a und lit. b des § 281 Abs 1 StPO

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist gerechtfertigt.

Das angefochtene Urteil leidet - zunächst - im Urteilsfaktum 2) an dem vom Beschwerdeführer insoweit in seiner zumindest sinngemäß das Vorliegen eines strafbaren Betrugsversuches bestreitenden Rechtsrüge geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs 1

StPO

Die zur Verwirklichung des Tatbestandes des Betruges u.a. erforderliche 'Täuschung über Tatsachen', die darin besteht, daß der Täter bei dem Getäuschten einen Irrtum hervorruft oder einen schon vorhandenen bestärkt und ausnützt (vgl. Leukauf-Steininger zu § 146 StGB, S. 736/737), verlangt mehr als die bloße Unwahrheit (Foregger-Serini2, S. 270), Nach den von der Judikatur zum sogenannten 'unwahren Parteivorbringen' schon nach der früheren, durch das Strafgesetz bestimmten Rechtslage entwickelten, aber auch auf die nunmehr durch das Strafgesetzbuch geschaffene Rechtslage in gleichem Maße anwendbaren Grundsätzen ist ein sich bloß in einer unwahren Behauptung erschöpfendes Vorbringen einer Partei gegenüber einer Behörde oder einer behördenähnlichen Einrichtung, wenn sie sich zur Unterstützung ihrer falschen Behauptung nicht zusätzlicher Täuschungsmittel, etwa durch Vorlage nachgemachter oder verfälschter Urkunden oder anderer (falscher) Beweismittel bedient, vor allem dann, wenn eine (verfahrensmäßige) Überprüfung dieses (unwahren) Parteivorbringens zu erwarten ist, zur rechtlichen Annahme einer 'Täuschung über Tatsachen' und demnach eines Betruges nicht ausreichend. Denn ein bloß unwahres Parteivorbringen begründet für sich allein noch nicht Betrug (vgl. Foregger-Serini2, S. 270, sowie Leukauf-Steininger zu § 146 StGB, S. 737/738 und die dort zitierte Judikatur).

Nach den - in Übereinstimmung mit den sich aus dem Akteninhalt ergebenden Verfahrensergebnissen stehenden und durch diese vollauf gedeckten - Urteilsfeststellungen erschöpfte sich das dem Schuldspruch im Urteilsfaktum 2) zugrundeliegende Tatverhalten des Beschwerdeführers allein in der im Verlassenschaftsverfahren nach der verstorbenen Antonia B gegenüber dem Notar DDr. Karl E als Gerichtskommissär (über Befragen) aufgestellten (unwahren) Behauptung, der Erblasserin und deren Nachlaß nichts zu schulden, somit in einem bloßen Bestreiten einer Darlehensschuld, ohne daß er sich hiebei irgendwelcher Täuschungsmittel bedient hätte. Eine Feststellung, daß Letzteres der Fall gewesen wäre, könnte nach der Aktenlage auch gar nicht getroffen werden, weil bei Abgabe dieser Erklärung die von ihm damals bereits unterfertigte Zwischenabrechnung, mit der er mit Stichtag 1.Mai 1976 das Bestehen einer Darlehensforderung der Antonia B in der Höhe von 1,135.500,-- S ausdrücklich anerkannt hatte, bekannt war und dieser Umstand ihm auch vorgehalten wurde (vgl. S. 33/34 und 114 d.A.). Diese vom Beschwerdeführer am 9.September 1977 gegenüber dem Gerichtskommissär bei der angestrebten Feststellung der Nachlaßforderungen eingehaltene Vorgangsweise stellt sohin nach dem Vorgesagten keine Täuschungshandlung im Sinne des § 146 StGB dar, sodaß sein Schuldspruch im Urteilsfaktum 2) schon mangels Verwirklichung dieses für den Tatbestand des Betruges essentiellen Tatbildmerkmals rechtsirrig erfolgte (vgl. hiezu auch EvBl. 1954/258).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert A war somit insoweit sogleich ein Freispruch des Genannten gemäß dem § 259 Z 3 StPO zu fällen, ohne daß auf die den Punkt 2 des Urteilssatzes weiters vom Beschwerdeführer geltend gemachten Nichtigkeitsgrund einzugehen gewesen wäre.

Mit seiner gegen die Schuldsprüche im Urteilsfaktum 1 und 3 gerichteten Mängelrüge verweist der Beschwerdeführer zutreffend darauf, daß in der letzten, gemäß dem § 276 a StPO infolge geänderter Zusammensetzung des Schöffengerichts und des seit der vorhergehenden (vertagten) Hauptverhandlung vom 14.Dezember 1978 (ON. 25 d.A.) verstrichenen Zeitraums von mehr als einem Monat neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 19.Februar 1979 (ON. 49 d.A.) außer der Einvernahme des Angeklagten Robert A und seiner mitangeklagten Mutter Anna A nur die beiden Zeugen August F und Ewald D gehört wurden. Im übrigen wurden zwar in dieser Hauptverhandlung - entgegen der unrichtigen Behauptung des Beschwerdeführers - die Protokolle über die Aussagen der (außerhalb der Hauptverhandlung vernommenen) Zeugen Dipl.Ing. Dr. Herbert C und Helga C (ON. 26 und 27 d.A.) verlesen (S. 238 d.A.), sonst aber keine weiteren die Beweisaufnahme betreffenden Verlesungen vorgenommen. Gemäß dem § 258 Abs 1 StPO darf aber das Gericht bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist.

Aktenstücke können demnach nur insoweit als Beweismittel dienen, als sie in der Hauptverhandlung verlesen wurden.

Die Verletzung dieser Gesetzesbestimmung kann daher zu einer Urteilsnichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5

StPO führen (s. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, E.Nr. 2 und 5 zu § 258).

Wesentliche Feststellungen zum Schuldspruch wegen Urkundenunterdrückung (Pkt. 1 des Urteilssatzes) stützt das Erstgericht u.a. auf die hier wesentlichen Zeugen Mathilde G und Maria H, die aber in der Hauptverhandlung am 19.Februar 1979 nicht gehört und deren in der Hauptverhandlung vom 19.August 1978 abgelegten Aussagen (S. 115-118 d.A.) ebensowenig verlesen wurden wie ihre Angaben vor der Polizei (S. 49-55 d.A.).

Zum Urteilsfaktum 3 wurden zwar, wie bereits ausgeführt, die Aussagen der Zeugen Dipl.Ing. Dr. Herbert C und Helga C in der Hauptverhandlung vom 19.Februar 1979

verlesen, doch befaßten sich diese vorwiegend mit den Fragen des Abschlusses des Mietvertrags mit dem Beschwerdeführer und sein darauf folgendes Verhalten, nahmen aber in keiner Weise zur Vermögenssituation des Angeklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags sowie auch zu der Frage Stellung, ob und inwieweit der Angeklagte damals wußte, daß er den vereinbarten Mietzins nicht werde bezahlen können. In seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung führte der Angeklagte, wie von ihm in der Beschwerde zutreffend bemerkt wird, lediglich aus, daß er inzwischen die in Rede stehenden Lokalmietbeträge durch seinen Mitarbeiter I bezahlt habe (S. 239 d.A.), ohne aber zu den für die Feststellung des Sachverhaltes der den Tatbildmerkmalen der Täuschung, Vermögensschädigung und Bereicherungsabsicht wesentlichen subsumierbaren Themen Stellung zu nehmen.

Das Gericht unterließ überdies auch die Verlesung bzw. Erörterung jener sonstigen Aktenteile und der - im Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch gar nicht angeschlossenen - Konkurs- und Exekutionsakten, die über die zur Tatzeit gegebenen finanziellen Verhältnisse des Angeklagten Aufschluß geben konnten. Der Beschwerdeführer ist aber auch mit seinen weiteren Beschwerdeausführungen im Recht, mit denen er Feststellungsmängel und damit formell die Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO behauptend, der Sache nach in Wahrheit aber Begründungsmängel im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 der erwähnten Gesetzesstelle relevierend, seinen Schuldspruch im Urteilsfaktum 4) sinngemäß mit dem Hinweis bekämpft, im Ersturteil seien wesentliche Verfahrensergebnisse übergangen und unberücksichtigt gelassen worden. Denn in der Begründung dieses Schuldspruchs findet die Feststellung des Schädigungs- und des Bereicherungsvorsatzes des Angeklagten insofern keine vollständige Begründung, als die Aussage des Zeugen Ewald D unberücksichtigt blieb, derzufolge einer der beiden ihm vom Beschwerdeführer zur Sicherung der aufgenommenen Darlehen übergebenen Ringe nach einer Schätzung durch einen Juwelier zwar nicht den behaupteten Wert von 60.000,-- S, aber immerhin einen Materialwert von etwa 8.000,-- S aufgewiesen hatte und der ihm vom Beschwerdeführer als weitere Sicherstellung übergebene Blankowechsel nur deshalb von der Raiffeisenkasse Graz-Andritz nicht eingelöst worden sei, weil nach der ihm vom Direktor dieses Geldinstituts erteilten Auskunft damals ein weiteres Schätzungsgutachten (über die dem Beschwerdeführer gehörigen Liegenschaften) in Ausarbeitung gestanden sei (vgl. S. 244 d. A.). Diese Darstellung des Zeugen Ewald D wäre bei Prüfung eines im Zeitpunkt der Aufnahme der beiden Darlehen am 9. und 12.Oktober 1978 vorgelegenen Schädigungsvorsatzes des Beschwerdeführers umso mehr erörterungsbedürftig gewesen, als die Darlehensschuld des Beschwerdeführers bei Ewald D - wie auch im Ersturteil festgestellt wurde - bereits am 13.Jänner 1979 zur Gänze bezahlt wurde und ihm in der Zwischenzeit von der Salzburger Kredit- und Wechselbank, und zwar nach seiner Darstellung unter grundbücherlicher Besicherung durch die ihm gehörigen Liegenschaften in Grambach und unter Übernahme der Bürgschaft durch die mit ihm befreundete Geschäftsfrau Lieselotte J einen Kredit in der Höhe von 6.000.000,-- S eingeräumt erhalten hatte (s. Angaben des Angeklagten Robert A, S. 245 d.A.). So gesehen weist die Begründung des Urteils zu den Urteilsfakten 1, 3 und 4 Mängel auf, die eine Aufhebung des Urteils in diesen Punkten erforderlich machten, ohne daß die übrigen zu diesen Urteilssätzen geltend gemachten Nichtigkeitsgründe erörtert zu werden brauchten. Über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert A war daher spruchgemäß zu erkennen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E02106

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00060.79.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19790626_OGH0002_0110OS00060_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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