TE OGH 1979/8/8 10Os99/79

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Veröffentlicht am 08.08.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. August 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A und einen anderen Angeklagten wegen §§ 142 Abs 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Martin B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 16. Mai 1979, GZ 20 Vr 3572/78-95, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Strickner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Martin B wird verworfen.

Seiner Berufung wird Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 3 1/2 (dreieinhalb) Jahre herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen diesem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Auf Grund des jeweils einstimmigen Wahrspruchs der Geschwornen wurden der am 23. September 1958 geborene Schlosser Josef A und der am 8. Februar 1953

geborene Kraftfahrer Martin B des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 143 StGB schuldig erkannt, weil sie in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) - das Urteil spricht von einem 'einverständlichen Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)' - am 3. November 1978 dadurch, daß A mit seinem PKW die Geheimprostituierte Walpurga C an einen einsamen Ort der Brennerstraße führte und dort Martin B die C aufforderte, das Geld herauszugeben, der C durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag in der Höhe von 970 S mit dem Vorsatz wegnahmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Daß B der C hiebei - entsprechend dem Anklagevorwurf - ein Messer vorgehalten habe, hatten die Geschwornen (im Wege der Beifügung von Beschränkungen i. S. d. § 330 Abs 2 StPO anläßlich der Bejahung der betreffenden Hauptfragen ebenfalls stimmeneinhellig) verneint.

Rechtliche Beurteilung

Der Mitangeklagte Josef A hat das (auch andere - ihn allein betreffende - Schuldsprüche sowie rechtskräftige Freisprüche beider Angeklagten gemäß § 259 Z 3 - richtig § 336 - StPO enthaltende) Urteil unangefochten gelassen. Der Angeklagte B bekämpft hingegen den (obigen) Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grund des § 345 Abs 1 Z 5 StPO, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

In der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte B nach der dort getroffenen Feststellung, daß die Zeugen Walpurga und Arthur C nicht erschienen waren, und anschließender Vorlesung ihres Entschuldigungsschreibens (Band I bei ON 84) gegen die Verlesung der im gerichtlichen Vorverfahren mit diesen beiden Zeugen aufgenommenen Protokolle ausgesprochen und die 'Einvernahme durch ein deutsches Rechtshilfegericht' mit der Begründung beantragt, daß ladungsfähige Anschriften vorlägen (Bd II S 22). Der Angeklagte erachtet sich nun durch die trotz seines Widerspruches erfolgte Verlesung dieser Zeugenaussagen (Bd II S 23) und durch die Unterlassung der persönlichen Einvernahme dieser Zeugen durch das erkennende Gericht, eventuell durch ein deutsches Rechtshilfegericht unter Intervention des Verteidigers beschwert; außerdem auch durch die Abweisung seines weiteren Antrages (Bd II S 24 unten) auf Beischaffung eines Lichtbildes des Zeugen Arthur C von der Bundespolizeidirektion Innsbruck zum Beweis dafür, daß die von ihm (B) abgegebene Personsbeschreibung eines jener beiden Männer, die ihn (geraume Zeit) vor dem 3. November 1978

tätlich angegriffen hätten, auf diese Zeugen zutreffe. Durch die Einholung dieses Lichtbildes und durch die Vernehmung des Zeugen Arthur C vor dem erkennenden Gericht - so bringt die Beschwerde zum Ausdruck - hätte der Angeklagte die Geschwornen hievon und damit des weiteren davon überzeugen können, daß seine Verantwortung, er habe von der Zeugin Walpurga C lediglich wissen wollen, wer ihn seinerzeit tätlich angegriffen habe, glaubwürdig sei, unter deren Zugrundelegung ihm (ersichtlich gemeint: in Ansehung des der Genannten bei dieser Gelegenheit weggenommenen Geldbetrages) nicht Raub, sondern allenfalls Unterschlagung anzulasten wäre. Die Verfahrensrüge vermag in keiner Richtung durchzugreifen. Walpurga C (zur Tatzeit war sie noch unverheiratet und führte den Familiennamen D) wurde vorliegend mehrfach von der Polizei befragt, die ihre Angaben jeweils niederschriftlich festhielt (Band I, S 47 ff, 95 f).

Außerdem wurde sie, ebenso wie ihr nunmehriger Ehegatte Arthur C, vom Untersuchungsrichter zeugenschaftlich einvernommen (Band I ON 22 und 56). Am 4. April 1979 erschien Walpurga C bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck, gab ihre bevorstehende Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland bekannt und erklärte, ihre genaue Anschrift in den nächsten Tagen bekannt geben und einer Ladung 'ohne Rückschein' an ihren neuen ausländischen Wohnort ('mit Sicherheit') Folge leisten zu wollen. Inhaltlich des zu ON 84 angehefteten, am 27. April 1979 beim Landesgericht Innsbruck eingelangten Schreibens bestätigten Walpurga und Arthur C den Erhalt von (unvorschriftsmäßig nicht im Rechtshilfeweg, sondern unter Umgehung der deutschen Justizbehörden unmittelbar mit Rückschein - Bd I S 446 - zugestellten) Zeugenladungen und teilten mit, daß ihnen aus beruflichen Gründen eine Zureise zur Hauptverhandlung nicht möglich sei und sie ihre bisherigen Angaben aufrecht hielten. Insoweit der Beschwerdeführer in der Rechtsmittelschrift unter Hinweis auf einen gleichzeitig eingebrachten Protokollsberichtigungsantrag (ON 109) davon ausgeht, daß sein Verteidiger nach dem Widerspruch gegen die Verlesung der mit den Zeugen Walpurga und Arthur C aufgenommenen gerichtlichen Zeugenprotokolle, die Einvernahme vor dem erkennenden Gericht, eventuell durch ein deutsches Rechtshilfegericht unter Intervention (der Verteidigung) begehrte, muß ihm zunächst entgegengehalten werden, daß zufolge der Abweisung des Berichtigungsantrags durch das Erstgericht (Band II ON 111) von dem einleitend wiedergegebenen (weit enger gefaßten) Beweisantrag laut der über die Hauptverhandlung aufgenommenen Niederschrift (Band II, S 22) auszugehen ist.

Das Erstgericht hat hierüber (abweislich, und zwar) auf Verlesung der Protokolle über die Aussagen der Walpurga und des Arthur C gemäß § 252 Abs 1 Z 1 mit der Argumentation entschieden, daß diese Zeugen wegen Übersiedlung ins Ausland nicht vor Gericht gestellt werden können, eine gerichtliche Vernehmung außerhalb der Hauptverhandlung bereits erfolgt sei und eine nochmalige derartige Anhörung (daher) nicht zielführend erscheine (Band II, S 22 bis 23). Diesem Zwischenerkenntnis ist vor allem schon deshalb beizupflichten, weil der Beschwerdeführer bei seiner Antragstellung unterlassen hat, anzuführen, über welche (weiteren noch klärungsbedürftigen) Umstände die beiden gerichtlich ohnedies bereits vernommenen Zeugen (ergänzend) befragt hätten werden sollen (EvBl. 1951/349 u.v.a.). Daß das Erstgericht mangels näherer Bezeichnung des Ziels der begehrten Beweisaufnahme gar nicht in der Lage war, Widerspruch und Antrag des Beschwerdeführers auf ihre - für die Zuerkennung einer Berechtigung erforderliche - Relevanz zu prüfen, zeigt nicht zuletzt die - offenkundig darum zwangsläufig nur ganz allgemein gehaltene - Begründung des angefochtenen Zwischenerkenntnisses. Der gleiche Mangel würde dem Beweisantrag übrigens auch in der (unzulässig erweiterten) Fassung laut dem Protokollsberichtigungsantrag anhaften.

Da ferner angesichts des nunmehrigen ausländischen Wohnsitzes der Eheleute C, der ihnen - nach Inhalt ihres bereits erwähnten Entschuldigungsschreibens sowie dem tatsächlichen Ausbleiben von der Hauptverhandlung - ersichtlich mangelnden Bereitschaft, als Zeugen vor dem inländischen erkennenden Gericht zu erscheinen und des Fehlens der Möglichkeit, ein solches Erscheinen zu erzwingen (sh Art. 8 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. 1969/41), die Voraussetzungen für die Verlesung ihrer Angaben aus dem Vorverfahren gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO gegeben waren, versagen die erörterten Einwände der Verfahrensrüge; sie vermögen solcherart auch keine Verstöße gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz aufzuzeigen, dessen Verletzung für sich allein /also dann, wenn sich nicht prozessuale Sachverhalte damit verknüpfen, welche die Voraussetzungen eines (formalen) Nichtigkeitsgrundes (z. B. eben § 281 Abs 1 Z 4 StPO) verwirklichen (was nach dem Gesagten hier nicht zutrifft) und deshalb nach dem betreffenden Nichtigkeitsgrund geltend gemacht werden können/, keine Nichtigkeit begründet (vgl. Foregger-Serini, StPO2, S 245, Erl. zu § 252 und die dort angeführte Judikatur).

Was aber die Frage der Identität des Arthur C mit einem jener beiden Männer anlangt, die B seiner Verantwortung nach einige Zeit vor dem Vorfall am 3. November 1978 tätlich angegriffen haben sollen, (zu deren Klarstellung in der Hauptverhandlung C als Zeuge konkret gar nicht geführt, sondern nur die Beischaffung des Lichtbildes beantragt wurde, sodaß es der Verfahrensrüge wegen des Unterbleibens einer Einvernahme des Genannten zu diesem Beweisthema schon an den prozessualen Voraussetzungen zur Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes mangelt) so ist sie gänzlich unerheblich. Denn selbst der Nachweis eines von Arthur C zu einem früheren Zeitpunkt unternommenen tätlichen Angriffs war nicht geeignet, die im Umfange des Schuldspruchs sich im wesentlichen deckenden Angaben der Walpurga C und des Mitangeklagten A über den von letzterem gemeinsam mit dem Beschwerdeführer zum Nachteil der Walpurga C am 3. November 1978

gegen 22 Uhr unternommenen Raub zu widerlegen oder auch nur zu erschüttern, schließen sich doch diese beiden Vorfälle in keiner Weise gegenseitig aus.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten B nach § 143 StGB zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung nahm es als erschwerend an, daß er Urheber und Anstifter war, als mildernd demgegenüber nur den geringen Schaden. Die Vorstrafen des Angeklagten erklärte es zwar nicht als erschwerend zu werten, weil diese nach dem Zeitablauf bereits tilgbar wären, vermeinte aber umgekehrt wegen derselben dem Angeklagten den Milderungsgrund des § 34 Z 2 StGB nicht zubilligen zu können.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB anstrebt, kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Der vom Erstgericht angenommene Erschwerungsgrund der Anstiftung des Mitangeklagten A kann sich nur auf die erste von diesem - gemeinsam mit B verübten -

Straftat beziehen. Denn im Zusammenhang mit den weiteren - den Mitangeklagten Josef A betreffenden Fakten (Pkte II 1 und 2 der Anklageschrift ON 80 = Pkte 2 und 3

des Urteils) ist ihm eine Mitwirkung entweder gar nicht vorgeworfen (Pkt II/2 bzw. Pkt 3) oder er - auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen - vom bezüglichen Vorwurf (Pkt III 2 der Anklage) losgezählt worden.

Die beiden im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Vorstrafen des Angeklagten, denen im Jahr 1972 verübte Straftaten zugrunde liegen, sind, wie das Erstgericht erkannt hat, durch Zeitablauf tilgbar. Demnach kann dem Angeklagten, der sich bis zur Verübung der gegenständlichen Straftat durch sechs Jahre (auch sonst) wohlverhalten hat, der Milderungsgrund des ordentlichen Lebenswandels im Sinne des § 34 Z 2 StGB nicht vorenthalten werden (vergl. auch 9 Os 19/76). Der ganzen Sachlage nach erweist sich die über den Angeklagten B verhängte Strafe als überhöht. Da immerhin gewichtige Milderungsgründe vorliegen, welche den einzigen erschwerenden Umstand und wegen des beträchtlich überwiegenden jahrelangen Wohlverhaltens auch für die Zukunft eine günstige Prognose erstellt werden kann, steht einer außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB nichts entgegen.

In Stattgebung der Berufung war die Freiheitsstrafe daher auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß herabzusetzen.

Anmerkung

E02145

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00099.79.0808.000

Dokumentnummer

JJT_19790808_OGH0002_0100OS00099_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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