TE OGH 1979/8/8 10Os101/79

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Veröffentlicht am 08.08.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. August 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 sowie Abs 2 Z 1 und 3 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Jugendschöffengericht vom 28. Mai 1979, GZ 15 Vr 319/79-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Strohal und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3

StPO in der Sache selbst erkannt:

Friedrich A wird von der Anklage, er habe am 6. Februar 1979 in Hinzenbach, Gemeinde Eferding, in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Manfred B als Beteiligten (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Autoradio samt Lautsprecher im Wert von etwa 400 S, unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch die ihm als Lehrling aufgetragene Arbeit geschaffen worden sei, zum Nachteil der Firma C, die die Arbeit seines Dienstgebers, der Firma T*** B*** OHG, bedungen hatte, mit dem Vorsatz weggenommen, Manfred B durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern; er habe hiedurch das Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs 1 sowie Abs 2 Z 1 und 3 StGB begangen, gemäß § 259 Z 4 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9. Juli 1962 geborene Elektrikerlehrling Friedrich Alois A wegen des im Spruch bezeichneten Tatgeschehens des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 und Z 3

StGB schuldig erkannt. Den Ausspruch und die Vollstreckung der wegen dieser Diebstahlstat zu verhängenden Strafe schob das Jugendschöffengericht in Anwendung des § 13 Abs 1 JGG für eine zweijährige Probezeit vorläufig auf.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er für sich den sachlichen Strafausschliessungsgrund der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat gemäß § 42 StGB reklamiert.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist berechtigt.

Den Urteilsfeststellungen nach verrichtete der damals sechzehneinhalbjährige Lehrling Friedrich A zusammen mit dem (erwachsenen) Elektrikergesellen Manfred B am 6. Februar 1979 im Auftrage seines Dienstgebers, der Firma T***B*** OHG, in einem Neubau der Kraftfahrzeugwerkstätte der Firma C in Hinzenbach Elektrikerarbeiten. Im Zuge dieser Tätigkeit entdeckten die beiden im Keller des Gebäudes auf einer Stellage ein gebrauchtes (ausgebautes) Autoradio samt Lautsprecherbox im Gesamtwert von etwa 400 S. Nach einer Bemerkung B' s, dieses Radio sei noch zu gebrauchen, meinte der Angeklagte, es sei für das Kraftfahrzeug des B recht. Nachdem hierauf B die Lautsprecherbox und der Angeklagte das Radiogerät an sich genommen hatten und letzteres vom Angeklagten unter der Kleidung versteckt worden war, begaben sich die beiden damit zum Personenkraftwagen des B, in dessen Kofferraum sie Radio und Lautsprecherbox verwahrten. Beide Geräte baute B in der Folge in seinem Fahrzeug ein.

Ausgehend von diesen Konstatierungen war zu der vom Erstgericht

verneinten Frage der Anwendbarkeit des § 42

StGB zu erwägen:

Entgegen der in der Nichtigkeitsbeschwerde vertretenen Auffassung ist ein Handeln des Angeklagten aus Unbesonnenheit nicht anzunehmen. Dies würde nämlich erfordern, daß der Angeklagte bei der Sachwegnahme spontan einem augenblicklichen (für ihn an sich charakterfremden) Tatentschluß folgte, der aus besonderen Gründen der Steuerung durch überlegtes Denken entzogen war. Einer solchen, für eine Beurteilung der Tat (bloß) als Entwendung gemäß § 141 StGB bedeutsamen Annahme steht aber vorliegend entscheidend entgegen, daß die Täter - wenngleich eine ihnen günstig scheinende Gelegenheit ausnützend - erst nach Erörterungen bezüglich der Verwendbarkeit dieses Gerätes die Wegnahme des Radiogerätes samt Lautsprecherbox in arbeitsteiligem Zusammenwirken (nach der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung /-s. S 57 unten d. A/- sogar unter Einbeziehung eines /-gleichfalls/- Aufpasserdienste leistenden Lehrjungen der Firma) durchführten, woraus - im Gesamten betrachtet - erkennbar ist, daß diese Tat doch das Ergebnis eines überlegten diebischen Handelns (mehrerer) war. Andererseits aber wurde eine besondere Vorsatzintensität der Täter, insbesondere des Angeklagten, nicht festgestellt und ist auch noch zu berücksichtigen, daß dieser aus der im Interesse des erwachsenen Arbeitskollegen begangenen Tat persönlich keinerlei materiellen Nutzen zog oder ziehen wollte. Unter diesen Umständen kann daher seine Schuld im Sinne des § 42 Abs 1 Z 1 StGB (noch) als gering angesehen werden, zumal in diesem Zusammenhang - will man nicht zu einer den Intentionen des Gesetzgebers ersichtlich zuwiderlaufenden allzu restriktiven Auslegung des § 42

StGB kommen - kein extrem strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. auch Zipf, Gutachten für die Verhandlungen des Siebenten Österreichischen Juristentages, Band I 2. Teil, 104 ff; Driendl, ÖJZ 1979, 337 ff). Soweit das Erstgericht demgegenüber darauf verweist, daß der in Rede stehende - mittelbare (EvBl. 1978/169) -

Dienstdiebstahl 'unter Umständen durchaus mit einer Rufschädigung des Arbeitgebers des Angeklagten verbunden sein hätte können', so handelt es sich hiebei letztlich bloß um einen Hinweis rein hypothetischer Natur, der ungeeignet ist, einen höheren Unrechts- oder Schuldgehalt der (ohnedies auch dem § 127 Abs 2 Z 3 StGB unterstellten) Diebstahlstat darzutun; und letzteren umso weniger als eine solche (allfällige) Möglichkeit derartiger (außerstrafrechtlicher) Tatfolgen nach Lage des Falles vom Bewußtsein der Täter ersichtlich jedenfalls nicht mitumfaßt war. Bezüglich der Tatfolgen bestehen mit Rücksicht auf den Wert der entzogenen, in der Folge sichergestellten und dem Eigentümer (der an sich sogar bereit gewesen wäre, das in Rede stehende Radiogerät zu verschenken) zurückgestellten Gegenstände von ca. 400 S, und dem nach dem Vorgesagten geringen sozialen Störwert der Tat keine Bedenken, diese Folgen als unbedeutend im Sinne des § 42 Abs 1 Z 2 StGB zu beurteilen.

Schließlich sprechen angesichts des bisher ordentlichen Lebenswandels des in das Familienleben im Elternhaus eingegliederten, bereits (als Elektrikerlehrling) in Berufsausbildung stehenden und bisher auch sonst unauffälligen Angeklagten sowie im Hinblick darauf, daß es sich bei der Diebstahlstat im Sinne der Urteilsfeststellungen um eine erst- und einmalige, für den Charakter des Jugendlichen atypische Verfehlung handelt, auch spezialpräventive Aspekte nicht gegen die Heranziehung des § 42 StGB Ebensowenig stehen dieser Beurteilung die vom Erstgericht mit dem Hinweis auf die (relative) Häufigkeit der von Lehrlingen begangenen Dienstdiebstähle betonten Erfordernisse der Generalprävention entscheidend entgegen, zumal ein verallgemeinernder Ausschluß bestimmter Deliktsgruppen oder Deliktsarten - etwa von Laden- oder Dienstdiebstählen schlechthin - vom Anwendungsbereich des § 42 StGB abzulehnen und vielmehr stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen ist (SSt. 47/55 am Ende).

So gesehen bedarf es aber beim jugendlichen Angeklagten, dessen Zukunftsprognose durchaus günstig ist und der im durchgeführten Verfahren stets schuldeinsichtig geständig war, mit Beziehung auf den urteilsgegenständlichen Dienstdiebstahl und die konkrete Tat- und Tätersituation weder einer Bestrafung noch des vom Erstgericht gewählten Vorgehens nach § 13 Abs 1 JGG, um ihn vor weiteren Straftaten zu bewahren oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und mit Freispruch des Angeklagten gemäß § 259 Z 4 StPO vorzugehen.

Anmerkung

E02144

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00101.79.0808.000

Dokumentnummer

JJT_19790808_OGH0002_0100OS00101_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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