Norm
JN §28Kopf
SZ 52/126
Spruch
Inländische Gerichtsbarkeit für Ansprüche aus der Schadenbehandlungsversicherung
OGH 30. August 1979, 7 Ob 37/79 (OLG Wien, 15 R 26/79; KG St. Pölten, 1 Cg 33/78)
Text
Der Beklagte schloß bei seiner Einreise nach Österreich mit dem PKW Volvo 2544, schwedisches Kennzeichen AA 33.816, am 5. September 1970 mit der klagenden Partei eine Schadenbehandlungsversicherung zu den in der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 14. Dezember 1967, BGBl. 403 (Geschäftsplan für die Schadenbehandlungsversicherung), festgelegten Bedingungen ab. Diese sehen unter Punkt 3 vor, daß der Versicherungsnehmer den Versicherer (Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs) beauftragt, bei der Regelung der Versicherungsfälle nach bestem Wissen und Gewissen vorzugehen, und sich seinerseits verpflichtet, dem Versicherer die bezahlten Entschädigungen und Kosten samt Zinsen zu ersetzen. Noch am Tage seiner Einreise verschuldete der Beklagte mit seinem PKW einen Verkehrsunfall, bei dem Karl Heinz R schwer verletzt wurde. Bisher erbrachte die klagende Partei auf Grund dieses Schadensfalles an geschädigte Dritte Leistungen in der Höhe von 388 493 S.
Mit ihrer beim Erstgericht am 30. Jänner 1978 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei vom Beklagten den Ersatz des vorgenannten Betrages samt Anhang. Auf Grund der abgeschlossenen Schadenbehandlungsversicherung habe der Beklagte der klagenden Partei alle von ihr aus den von ihm verschuldeten Verkehrsunfall erbrachten Leistungen zu ersetzen. Da sich der Unfall im Sprengel des Erstgerichtes ereignet habe, sei dieses nach § 20 EKHG örtlich zuständig. Der Beklagte beantragt Klagsabweisung und wendet Verjährung des Klagsanspruches ein.
Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens. Die Klagsforderung unterliege nicht der kurzen Verjährungszeit der §§ 1480 ff. ABGB, sondern der dreißigjährigen Verjährung des § 1479 ABGB. Der Beklagte habe daher der klagenden Partei auf Grund der mit ihr abgeschlossenen Schadenbehandlungsversicherung die von ihr erbrachten Leistungen aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen.
Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der vom Beklagten erhobenen Berufung das Ersturteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage zurück. Die klagende Partei stützte den Klagsanspruch auf die mit dem Beklagten abgeschlossene Schadenbehandlungsversicherung und mache daher keinen auf sie im Wege der Legalzession übergegangenen Schadenersatzanspruch geltend. Der von der klagenden Partei in Anspruch genommene Gerichtsstand nach § 20 EKHG sei sohin nicht gegeben. Der Beklagte habe seinen ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Es fehle demnach die örtliche Zuständigkeit eines (inländischen) Gerichtes und damit auch die österreichische Gerichtsbarkeit. Dieser Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit sei nach § 42 Abs. 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Das angefochtene Urteil und das vorangegangene Verfahren seien daher als nichtig aufzuheben und die erhobene Klage von Amts wegen zurückzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin Folge; hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die Sachentscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Ob der von der Rekurswerberin in Anspruch genommene Gerichtsstand des § 20 EKHG gegeben ist, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn man das Vorliegen dieses Gerichtsstandes verneint, kann der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß wegen Fehlens der örtlichen Zuständigkeit eines in Österreich gelegenen Gerichtes die inländische Gerichtsbarkeit mangle, nicht gefolgt werden. Nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 des Versicherungswiederaufbaugesetzes vom 8. September 1955, BGBl. 185 (VWG) - dieses findet auf Versicherungsunternehmungen, die im Inland zum Geschäftsbetrieb zugelassen sind, sowie auf ausländische Versicherungsgesellschaften hinsichtlich ihres inländischen Geschäftsbetriebes Anwendung (§ 1 VWG) -, sind die zum inländischen Bestand einer Versicherungsunternehmung gehörigen Versicherungsverträge bei inländischen Versicherungsunternehmungen an deren Sitz, bei ausländischen hingegen am Orte ihrer inländischen Niederlassung zu erfüllen. Dieser Erfüllungsort ist auch Gerichtsstand. Für die im Inland mit einem inländischen Versicherer abgeschlossenen Versicherungsverträge ist daher kraft Gesetzes Erfüllungsort der Ort des Sitzes des inländischen Versicherungsunternehmens, der zugleich den Wahlgerichtsstand des Erfüllungsortes bildet. Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag können mithin auch ohne ausdrückliche Vereinbarung der Parteien bei diesem Gerichtsstand geltend gemacht werden.
Die Schadenbehandlungsversicherung wurde vom Beklagten im Inland (bei seiner Einreise nach Österreich) mit der Rekurswerberin, die als inländische Versicherungsgesellschaft aufgetreten ist, abgeschlossen. Für die klagsweise Geltendmachung von Erfüllungsansprüchen aus der Schadenbehandlungsversicherung wäre daher, wenn man das Vorliegen des Gerichtsstandes nach § 20 EKHG verneint, wohl nicht das Erstgericht, sondern das Landesgericht für ZRS Wien (Gericht des Sitzes der Rekurswerberin) zuständig gewesen. Da jedoch der Beklagte in der Hauptsache mündlich verhandelte, ohne rechtzeitig die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben, wäre dadurch das Erstgericht nach § 104 Abs. 3 JN zuständig geworden. Die inländische Gerichtsbarkeit ist daher entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes auch dann gegeben, wenn die Rekurswerberin den Gerichtsstand des § 20 EKHG nicht geltend machen kann.
Anmerkung
Z52126Schlagworte
Inländische Gerichtsbarkeit, SchadenbehandlungsversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0070OB00037.79.0830.000Dokumentnummer
JJT_19790830_OGH0002_0070OB00037_7900000_000