Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stach als Schriftführer in der Strafsache gegen Juliane B - wegen der Vergehen nach den §§ 56 Abs 1 Z 1 und 63 Abs 1 Z 1 LMG sowie 228 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 7. Februar 1979, GZ 12 E Vr 493/76-82, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, nach öffenlticher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels vom 7. Februar 1979, GZ 12 E Vr 493/76-82, verletzt das Gesetz, soweit darin Juliane B -
1.) zu Punkt I/C/ des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 Abs 1 StGB, 2.) zu Punkt I/D/ des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 1 und Abs 2, 224 StGB und 3.) zu Punkt I/G/ des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 (Abs 1) StGB schuldig erkannt wurde, in den Bestimmungen zu 1.) des § 228 Abs 1 StGB, zu
2.) des § 488 Z 7 StPO in Verbindung mit §§ 458 Abs 2 Z 1, 270 Abs 2 Z 4, 260 Abs 1 Z 1 StPO sowie im § 223 Abs 1 StGB und zu 3.) des § 229 Abs 1 StGB
Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird in seinen Schuldsprüchen zu Punkt I/C/ (wegen Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 Abs 1 StGB), zu Punkt I/D/ (wegen Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 1 und Abs 2, 224 StGB) und zu Punkt I/G/ (wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 (Abs 1) StGB) sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft) und in der auf diesem Urteil beruhenden Endverfügung vom 15. Februar 1979, ON 87 dA, aufgehoben und es wird die Sache in dem zu Punkt I/D/ bezeichneten Urteilsfaktum zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, hingegen in den zu den Punkten I/C/ und I/G/
angeführten Urteilsfakten gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Juliane B - wird von dem wider sie erhobenen Strafantrag, sie habe 1.) am 1. August 1977 in Wels dadurch, daß sie den Rückschein der vom Kreisgericht Wels in der gegen sie dort anhängigen Strafsache 12 E Vr 493/76 an Ulrike A ergangenen Zeugenladung mit deren Namen unterfertigte, bewirkt, daß gutgläubig eine Tatsache in einer inländischen öffentlichen Urkunde unrichtig beurkundet wurde, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, daß diese Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache (nämlich der ordnungsgemäßen Zustellung dieser Ladung an die Zeugin) gebraucht werde;
und 2.) in der Zeit vom 22. Dezember 1978 bis 19. Jänner 1979 in verschiedenen Orten Oberösterreichs die von ihr gestohlenen Kennzeichentafeln O-80.386 und O-80.946, somit Urkunden, über die sie nicht verfügen durfte, unterdrückt, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß diese im Rechtsverkehr zum Beweise einer Tatsache, nämlich der Zulassung von Kraftfahrzeugen, gebraucht werden, und habe hiedurch zu 1.) das Vergehen der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 Abs 1 StGB und zu 2.) das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs 1 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit dem durch einen Protokolls- und Urteilsvermerk beurkundeten Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels vom 7. Februar 1979, GZ 12 E Vr 493/76-82, wurde die am 26. April 1933 geborene Juliane B - u.a. der Vergehen der mittelbaren unrichtigen Beurkundung nach dem § 228 Abs 1 StGB (Punkt I/C/), der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 1 und Abs 2, 224 StGB (Punkt I/D/) und der Urkundenunterdrückung nach dem § 229
(Abs 1) StGB (Punkt I/G/) schuldig erkannt.
Ihr liegt nach dem Inhalt dieser Schuldsprüche zur Last, zu Punkt I/C/: am 1. August 1977 in Wels dadurch, daß sie den Rückschein der vom Kreisgericht Wels in der gegen sie dort anhängigen Strafsache 12 E Vr 493/76 an Ulrike A ergangenen Zeugenladung mit deren Namen unterfertigte, bewirkt zu haben, daß gutgläubig eine Tatsache in einer inländischen öffentlichen Urkunde unrichtig beurkundet wurde, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, daß diese Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweise einer Tatsache (nämlich der ordnungsgemäßen Zustellung dieser Ladung an die Zeugin) gebraucht werde;
zu Punkt I/D/: in der Zeit von 1973 bis 1978 in Wien den ihr vom Bezirkspolizeikommissariat Wels am 26. Jänner 1957 ausgestellten Führerschein, somit eine echte inländische öffentliche Urkunde, durch Änderung der ursprünglichen Nr 1086/57 auf die Nr 107458 verfälscht und diese (verfälschte) Urkunde zum Beweise einer Tatsache im Rechtsverkehr gebraucht zu haben;
zu Punkt I/G/: in der Zeit vom 22. Dezember 1978 bis 19. Jänner 1979 in verschiedenen Orten Oberösterreichs die von ihr gestohlenen Kennzeichentafeln O-80.386 und O-80.946, somit Urkunden, über die sie nicht verfügen durfte, unterdrückt zu haben, wobei sie mit dem Vorsatz handelte zu verhindern, daß diese im Rechtsverkehr zum Beweise einer Tatsache, nämlich der Zulassung von Kraftfahrzeugen, gebraucht werden.
Rechtliche Beurteilung
Das eingangs zitierte Urteil steht in seinen vorerwähnten, unter den Punkten I/C/, I/D/ und I/G/ bezeichneten Schuldsprüchen der Juliane
B -
mit dem Gesetz nicht im Einklang:
1.) Der Schuldspruch der Vorgenannten zu Punkt I/C/ verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 228 Abs 1 StGB, weil schon nach dem Inhalt dieses Schuldspruchs eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme dieses Tatbestandes, nämlich die Erschleichung einer unrichtigen Beurkundung (hier: durch einen gutgläubigen Postbeamten) nicht gegeben ist. Nach dem diesem Schuldspruch zu entnehmenden Tatsachensubstrat läge zwar an sich das objektive Tatbild des Vergehens nach den §§ 223 Abs 1, 224 StGB vor, begangen durch das Herstellen einer falschen Urkunde, denn die auf dem Rückschein aufscheinende Unterschrift stammt in Wahrheit nicht von der Zeugin Ulrike A, sondern von der Angeklagten, womit eine an sich unechte (öffentliche) Urkunde geschaffen wurde. Der diesem Schuldspruch zugrundeliegende Vorgang weist aber darauf hin, daß der Postbeamte der - wenn auch unrichtigen (vgl MGA 6.Band, 13.Auflage, Fußnote 1) zu § 103 ZPO in Verbindung mit § 80 Abs 1 StPO) - Meinung war, eine Ersatzzustellung der Zeugenladung an die Angeklagte als damalige Dienstgeberin der Zeugin Ulrike A sei zulässig. Richtigerweise wäre zwar unter diesen Umständen der Rückschein der in Rede stehenden Zeugenladung von Juliane B - mit ihrem einenen Namen und mit dem Beisatz 'als Dienstgeberin' zu unterfertigen gewesen; es kann aber bei dieser Fallgestaltung die Annahme, sie habe sich - schon über Anlaß des Vorgehens des Zustellers - für berechtigt gehalten, mit fremden (wenn auch nicht vorgetäuschtem) Namenszug - den betreffenden Rückschein zu unterzeichnen, so daß es erkennbar zufolge eines entschuldbaren Rechtsirrtums an dem auf die Herstellung einer falschen Urkunde (die im Rechtsverkehr zum Beweise einer Tatsache gebraucht werden sollte) gerichteten Vorsatz fehlt und diesbezügliche, den vorerwähnten Vorsatz betreffende Feststellungen auch gar nicht getroffen werden könnten. Damit scheidet eine strafrechtliche Haftung wegen Vergehens nach den §§ 223 Abs 1, 224 StGB von vornherein aus (s.auch Leukauf-Steininger2, S 1307).
Im Urteilsfaktum I/D/ liegt der Juliane - B nach dem Inhalt des bezüglichen Schuldspruchs sowohl ein Verfälschen ihres (echten) Führerscheins, begangen in der Zeit zwischen 1973 bis 1978, als auch der Gebrauch dieser (verfälschten) inländischen öffentlichen Urkunde zur Last. Dieses Verhalten wurde vom Kreisgericht Wels sowohl dem Abs 1 als dem Abs 2 des § 223 StGB (in Verbindung mit § 224 StGB) unterstellt, wobei der Einzelrichter dieses Gerichtes ersichtlich eine (echte) Konkurrenz der in den Absätzen 1 und 2 des § 223 StGB angeführten Deliktsformen annahm. Dieser Schuldspruch verstößt zunächst insoweit gegen die Bestimmung des § 488 Z 7 StPO (in Verbindung mit den §§ 458 Abs 2 Z 1, 270 Abs 2 Z 4, 260 Abs 1 Z 1 StPO) als ihm nicht zu entnehmen ist, auf welche Weise die Angeklagte diesen (verfälschten) Führerschein (zum Beweise einer Tatsache) im Rechtsverkehr gebraucht hat (etwa durch Vorweisen desselben anläßlich einer Verkehrskontrolle); auch fehlt in diesem Punkte die Angabe einer Tatzeit, sodaß der Schuldspruch in seinem Ausspruch über den Gebrauch der verfälschten öffentlichen Urkunde dem sich aus den vorzitierten Gesetzesstellen ergebenden Erfordernis der Individualisierung der Tat nicht gerecht wird (vgl 12 Os 42/79 = ÖJZ-LSK 1979/203
und ÖJZ-LSK 1977/221). Außerdem läßt das Kreisgericht Wels hier unbeachtet, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl ÖJZ-LSK 1976/220, 1977/299) bei einem nachfolgenden Gebrauch der (von demselben Täter) verfälschten Urkunde im Rechtsverkehr nur eine strafrechtliche Haftung des Täters nach dem § 223 Abs 2 StGB eintritt, weil sich in einem solchen Fall die von ihm vorher vorgenommene Fälschung als straflose (nachbestrafte) Vortat darstellt.
In diesem Urteilsfaktum (Punkt I/D/) steht aber die mangelnde Individualisierung der in dem Gebrauch des verfälschten Führerscheins im Rechtsverkehr (zum Beweise einer Tatsache) gelegenen Tat einer sofortigen Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof in der Sache selbst entgegen, sodaß die Sache (nach Aufhebung des Urteils /auch/ in diesem Schuldspruch und im Strafausspruch) insoweit an das Kreisgericht Wels zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen ist.
Der Schuldspruch der Juliane -B zu Punkt I/G/ wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 (Abs 1) StGB erweist sich deshalb als rechtlich verfehlt, weil sie zufolge des dem Urteilsfaktum Pkt. I/E/ zugrundeliegenden Sachverhaltes die dem Franz C und Ferdinand D gestohlenen Kennzeichentafeln O-80.386 und O-80.946 auf ihrem nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeug angebracht hatte und damit in der Zeit vom 23. Dezember 1978 bis Mitte Jänner 1979 in verschiedenen Orten Oberösterreichs auf öffentlichen Straßen gefahren ist (wodurch sie dem Staat in seinem Recht auf Ausschluß von nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen von der Teilnahme am öffentlichen Verkehr absichtlich Schaden zugefügt hatte, indem sie Organe der Straßenaufsicht durch Täuschung über Tatsachen zur Duldung ihrer Teilnahme am öffentlichen Verkehr verleitet hatte, weshalb sie auch des Vergehens der Täuschung nach dem § 108 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt worden ist), bei welchem (vom Kreisgericht Wels ausdrücklich festgestellten) Tatgeschehen keine Rede davon sein kann, ihr Vorsatz sei darauf gerichtet gewesen, den Gebrauch dieser Kennzeichentafeln (die als öffentliche Urkunden zu werten sind;
vgl ÖJZ-LSK 1976/14) - durch wen immer - zum Beweise eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache zu verhindern; im Gegenteil, sie hat diese Kennzeichentafeln - wenn auch unbefugt - selbst verwendet.
Diese unter 1.) bis 3.) angeführten Gesetzesverletzungen wirken sich zum Nachteil der Juliane -B aus, sodaß der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes Folge zu geben und wie im Spruche zu entscheiden war.
Anmerkung
E02196European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00119.79.0830.000Dokumentnummer
JJT_19790830_OGH0002_0120OS00119_7900000_000