TE OGH 1979/9/4 9Os132/79

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Veröffentlicht am 04.09.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 (zweiter Fall) StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Josef A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 25.Juli 1979, GZ 3 Vr 399/79-18, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef A des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 14.Oktober 1978 im Gemeindegebiet Predlitz-Turrach als Lenker eines Motorfahrrads die im Straßenverkehr gebotene Vorsicht und Aufmerksamkeit außer acht ließ, wodurch er zum Sturz kam und die auf dem Soziussitz mitgefahrene Josefine B schwere Verletzungen erlitt, nachdem er sich vor der Tat fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obwohl er vorhergesehen hatte, daß ihm die Lenkung eines Kraftfahrzeugs bevorstehe.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer hat sich von Anfang an dahin verantwortet, daß er deswegen ins Schleudern geraten und gestürzt sei, weil ihm B während der Fahrt in einer Kurve die Augen zugehalten und er aus diesem Grund stark abgebremst habe; in der Hauptverhandlung räumte er dazu als möglich ein, daß die Genannte unsicher gewesen oder ins Schwanken gekommen sei (S. 13/14, 16 in ON. 2, S. 38/39). Die Verletzte selbst konnte zur vorerwähnten Verantwortung infolge einer retrograden Amnesie nicht Stellung nehmen (S. 15, 35 in ON. 2, S. 39). Nichtsdestoweniger nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß das unfallskausale abrupte Bremsmanöver vom Angeklagten, ohne daß ihm B die Augen zugehalten hätte, nur deshalb eingeleitet worden sei, weil er infolge seiner Alkoholisierung die Kurve zu spät gesehen habe (S. 54). Diese Feststellung begründete es damit, daß die Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig erscheine und daß sich B, die keinesfalls so stark alkoholisiert gewesen sei wie er, nicht durch ein Zuhalten seiner Augen einer derartigen Unfallsgefahr ausgesetzt haben würde (S. 49).

Mit Recht rügt der Beschwerdeführer diese Begründung als offenbar unzureichend. Bei der im gegebenen Fall rein spekulativen Annahme, Josefine B sei es nicht zuzutrauen, daß sie durch eine Behinderung des Angeklagten leichtsinnig die Sturzgefahr selbst provoziert haben könnte, handelt es sich, zumal die Genannte nach den Urteilsfeststellungen vor dem Unfall jedenfalls doch auch eine nicht ganz unerhebliche Menge Alkohol konsumiert hatte, um eine weder durch die bisherigen Verfahrensergebnisse noch durch allgemeine Lebenserfahrung gedeckte und daher bloße Schein-Begründung. Andere Gründe dafür, warum das Jugendschöffengericht die in Rede stehende Verantwortung für unglaubwürdig hielt, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Die vom Erstgericht angenommene Unrichtigkeit der Darstellung des Angeklagten, daß er eine Bremsspur verursacht habe, ist in diesem Zusammenhang sicherlich nicht von Belang, zumal ihm ja seine Behauptung, scharf gebremst zu haben, geglaubt wurde. Das Recht der freien Beweiswürdigung aber geht nicht so weit, daß das Gericht zum Nachteil des Angeklagten ungeklärt gebliebene Umstände willkürlich als erwiesen oder als widerlegt ansehen dürfte (vgl. SSt. 30/20 u.a.). Die Feststellung, daß Josefine B dem Angeklagten beim Durchfahren der Kurve nicht die Augen zugehalten habe, läßt demnach in der Tat eine durch Verfahrensergebnisse gedeckte, den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung entsprechende zureichende Begründung vermissen. Schon dieser nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO Nichtigkeit bewirkende Begründungsmangel erfordert die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz zu neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne daß es einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedürfte.

Mit Zustimmung der Generalprokuratur war daher gemäß § 285 e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E02166

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00132.79.0904.000

Dokumentnummer

JJT_19790904_OGH0002_0090OS00132_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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