Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5.September 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Plischnack als Schriftführer in der Strafsache gegen Constantin A wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 10.April 1979, GZ 11 b Vr 97/79-19, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kolm und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.Jänner 1950 geborene rumänische Staatsbürger Constantin A des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB
schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 21.Jänner 1979 in Baden Karoline B durch Versetzen eines Faustschlags in das Gesicht, demnach mit Gewalt gegen ihre Person, fremde bewegliche Sachen, und zwar eine Handtasche samt Geldbörse und 150 S Bargeld mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Rechtsrüge des Angeklagten, wonach die entscheidende Urteilsfeststellung - derzufolge er Karoline B einen Faustschlag ins Gesicht (erst) versetzte, als sie wieder nach der (ihr unmittelbar vorher aus der Hand entrissenen) Handtasche greifen wollte - eine rechtliche Beurteilung der Tat als Raub nicht zulasse und nur einen Schuldspruch wegen Diebstahls (§ 127 StGB) und Körperverletzung (§ 83 StGB) decke, kommt keine Berechtigung zu.
Abgesehen davon, daß bereits das Entreissen einer Tasche (mit Bereicherungsvorsatz) als Raub zu beurteilen ist, wenn - so wie dies ersichtlich im vorliegenden Fall geschah - die Wegnahme unter gewaltsamer Überwindung des widerstrebenden Willens der - wenn auch überraschend -
angegriffenen Person durch den Einsatz von körperlicher Kraft des Täters bewerkstelligt wird, zumal die gegen das Opfer gerichtete Gewalt nicht in einer unmittelbaren Einwirkung auf dessen Körper bestehen muß (LSK 1976/77 u.a.), übersieht der Beschwerdeführer bei der hier angesichts des im Ersturteil festgestellten Tatgeschehens allein zu prüfenden - von ihm in der Beschwerde allerdings nicht anerkannten - Frage der Abgrenzung des Raubes vom räuberischen Diebstahl (§ 131 StGB), daß der letztere nur dann verwirklicht ist (und demnach die Annahme eines Raubes nur dann rechtlich verfehlt wäre), wenn im Zeitpunkt der Gewaltanwendung durch den Täter der (zur formellen Vollendung des Raubes erforderliche) Gewahrsamsbruch bereits vollzogen war. Dieser tritt aber erst ein, sobald der Täter die tatsächliche, unmittelbare und ausschließliche Sachherrschaft erlangt und der bisherige Gewahrsamsinhaber dadurch nicht mehr in der Lage ist, über die Sache zu verfügen, denn erst dann ist die Sache (entsprechend dem hier maßgebenden Begriff des § 142 Abs 1 StGB und dem gleichlautenden Tätigkeitswert des § 127 Abs 1 StGB) 'weggenommen' (LSK 1975/21). Allein das Entreissen einer Sache, vor allem wenn damit - so wie hier - keine ins Gewicht fallende räumliche Veränderung (Verbringung) derselben verbunden ist, bewirkt noch nicht den Gewahrsamsverlust des bisherigen Sachinhabers.
Wendet daher der Täter - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar nach dem Entreissen der Sache (selbst wenn diesem Vorgang noch nicht die Bedeutung einer Gewaltanwendung im Sinn des § 142 Abs 1 StGB beigemessen wird) gegen den gegenwärtigen (bisherigen) Gewahrsamsträger (weitere) Gewalt an, mit der er dessen Gewahrsam an der Sache bricht und (erst nunmehr) die ausschließliche tatsächliche Sachherrschaft erlangt, verantwortet er - wie auch das Erstgericht zutreffend erkannt hat - Raub.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten gemäß § 142 Abs 1
StGB zu vierzehn Monaten Freiheitsstrafe.
Dabei wertete es als erschwerend nichts, als mildernd die teilweise Schadensgutmachung infolge Sicherstellung der Handtasche, den geringen entstandenen Schaden und den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten. Mit seiner Berufung strebt Constantin A eine Strafermäßigung und die bedingte Strafnachsicht an. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Der Berufungswerber vermag selbst keinen zusätzlichen Milderungsgrund ins Treffen zu führen. Die Strafe wurde bei einem gemäß § 142 Abs 1 StGB von einem Jahr bis zu zehn Jahren reichenden Rahmen nahezu an der gesetzlichen Untergrenze ausgemessen. Darnach besteht kein Anlaß für eine Strafherabsetzung. Bei dem sich aus dem Verfahren ergebenden Persönlichkeitsbild des Berufungswerbers als eines nur von Gelegenheitsarbeiten in prekären Verhältnissen lebenden, offenbar Entwurzelten mit unverkennbar labilem Charakter kann nicht angenommen werden, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, noch weniger aber, daß aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten sei, daß der Rechtsbrecher nicht neuerlich Straftaten begehen werde (§ 43 StGB). Die bei dem verhängten Strafmaß nur unter den verschärften Voraussetzungen des Absatz 2 des § 43 StGB überhaupt mögliche bedingte Strafnachsicht kommt nach dem soeben Gesagten nicht in Betracht.
Anmerkung
E02169European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00104.79.0905.000Dokumentnummer
JJT_19790905_OGH0002_0100OS00104_7900000_000