TE OGH 1979/9/11 9Os144/79

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Veröffentlicht am 11.09.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1

und Abs 2 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 8.Mai 1979, GZ 29 Vr 948/78-13, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung werden auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef A der tateinheitlich begangenen Verbrechen (1) der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie (2) des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 (Abs 1) StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, von 1971 bis zum 31.Dezember 1977 in Kürnberg (zu 1) ihm von der Volksschulgemeinde Kürnberg anvertrautes Bargeld im Gesamtbetrag von 203.539,20 S sich mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet und (zu 2) dadurch zugleich als Beamter, und zwar als Schriftführer und Kassier der Volksschulgemeinde Kürnberg, seine Befugnis, im Namen dieser Person öffentlichen Rechts als deren Organ Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der vom Angeklagten gegen dieses Urteil ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß der Schuldspruch wegen Veruntreuung mit einer vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit. b StPO behaftet ist.

Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß der Angeklagte noch vor der Anzeige zur teilweisen Schadensgutmachung einen Betrag von 108.738,56 S erstattete, daß er sich bezüglich des Restbetrages von 96.118,91 S zur Bezahlung innerhalb von fünf Jahren in monatlichen Raten ab dem 1.Juli 1978 bei gleichzeitiger grundbücherlicher Sicherstellung verpflichtete, daß er seiner Ratenverpflichtung nicht nachkam, dreimal gemahnt sowie schließlich geklagt wurde und daß er daraufhin im Jänner 1979 einschließlich Zinsen einen Betrag von 166.071,64 S an die Volksschulgemeinde Kürnberg zurückzahlte (S. 304, 305).

Nach § 167 Abs 2 Z 2 StGB kommt dem Täter einer Veruntreuung tätige Reue zustatten, wenn er sich, bevor die Behörde von seinem Verschulden erfahren hat, wenngleich auf Andringen des Verletzten, vertraglich verpflichtet, diesem binnen einer bestimmten Zeit den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden gutzumachen. Hält er seine Verpflichtung nicht ein, dann lebt die Strafbarkeit wieder auf.

Bei einem zur Schadensgutmachung getroffenen Ratenvergleich hat der Täter zwar grundsätzlich die für die einzelnen Teilzahlungen vereinbarten Termine einzuhalten. Denn in diesem Fall wird die Gutmachung des gesamten Schadens in mehrere Teilleistungen aufgespalten, die nach Inhalt der Vereinbarung jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen sind. Von einer termingerechten Bezahlung des ganzen Schadens kann daher unter diesen Umständen schon dann nicht mehr die Rede sein, wenn auch nur ein einziger Teilzahlungstermin versäumt wird. Anders ist die Rechtslage jedoch, wenn der Geschädigte beim Abschluß des Vergleichs nicht auf einer Schadensgutmachung in ziffernmäßig und zeitlich genau festgelegten Raten besteht, sondern zu erkennen gibt, daß für ihn bloß die Erfüllung der Schadenersatzpflicht bis zu einem bestimmten Endtermin wesentlich ist. Diesfalls nämlich wird ohne weiteres gesagt werden können, daß der vom Täter zu leistende Schadenersatz vereinbarungsgemäß erst zu jenem Zeitpunkt fällig ist und daß der Berechtigte nur auf das ihm nach § 1415 ABGB. zustehende Recht, vorher Teilzahlungen zurückzuweisen, verzichtet hat. Ob nun in einem Vergleich eine Verpflichtung des Täters zur jeweils pünktlichen Bezahlung bestimmter Raten vorgesehen ist oder lediglich seine Ermächtigung zur Ratenzahlung bei feststehender Verpflichtung zur Gutmachung des ganzen Schadens binnen bestimmter Zeit, ist in erster Linie eine Tatfrage, die nach dem - in der Regel wohl in entsprechenden Abmachungen, wie etwa in der Vereinbarung eines Terminverlustes bei Verzug, objektivierten - Willen der Parteien zu lösen ist. (Vgl. zu alledem RZ 1975/34.) Feststellungen zur vorerwähnten Tatfrage enthält das angefochtene Urteil nicht. Solche sind aber deshalb entscheidungswesentlich, weil dem Angeklagten dann, wenn er nach Inhalt des noch vor der Anzeige mit dem Geschädigten abgeschlossenen Vergleichs nur zur Gutmachung des gesamten Schadens binnen fünf Jahren ohne Verpflichtung zur Bezahlung ziffernmäßig bestimmter, terminisierter Raten verhalten war - worauf einzelne Verfahrensergebnisse (vgl. insbes. S. 193, 297) hindeuten, ohne daß die Tatsache der Klageführung gegen ihn zwangsläufig dagegen spräche -, infolge vollständiger Schadensgutmachung innerhalb dieser Frist nach § 167 StGB Strafaufhebung wegen tätiger Reue zugutekäme.

Schon dieser gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmende Feststellungsmangel erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Veruntreuung und aus Gründen des Zusammenhangs (§ 289 StPO) zudem desjenigen wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt, der übrigens sowohl im Spruch als auch in den Entscheidungsgründen die ausdrückliche Annahme eines zur Tatbestandsverwirklichung notwendigen Schädigungsvorsatzes vermissen läßt, also die Aufhebung des gesamten Urteils und die Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung waren darauf zu verweisen.

Gemäß § 285 e StPO war daher mit Zustimmung der Generalprokuratur schon bei der nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E02215

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00144.79.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19790911_OGH0002_0090OS00144_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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