Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Maria A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Juni 1979, GZ 6 e Vr 6794/78-28, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Bernhauser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maria A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß sie am 19. August 1978 in Wien ihren Ehegatten Johann A mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, und zwar durch zwei Stiche mit einem ca. 30 cm langen Messer in den Unterleib, am Körper verletzte.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, mit der sie nur die Qualifikation ihrer Tat nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB anficht, kommt keine Berechtigung zu.
Die Feststellung, daß die Beschwerdeführerin billigend in Kauf nahm - also (auch) ernstlich für möglich hielt - und sich damit abfand, ihr Ehegatte könnte durch ihre beiden Stiche mit dem beschriebenen scharfen und sehr spitzen Messer in seinen Unterleib lebensgefährliche Verletzungen erleiden, hat das Erstgericht, der Mängelrüge zuwider, durchaus nicht ausschließlich daraus abgeleitet, daß sie auf eine bezügliche Frage des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung keine Antwort gab. In dieser Reaktion, verglichen damit, daß sie im Gegensatz dazu die Beabsichtigung solcher Folgen stets dezidiert bestritt, erblickte es vielmehr bloß eine Bestätigung allgemeiner Lebenserfahrung in bezug auf die subjektive Tatseite bei derartigen Angriffen für den konkreten Fall, wobei es auf die geringe Wucht der Stichführung ohnedies Bedacht nahm (S. 141, 142). Von einem Begründungsmangel des Urteils im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes kann insoweit keine Rede sein. Mit ihrem Einwand, die vorerwähnte Frage des Vorsitzenden habe ihr Fassungsvermögen überstiegen, bekämpft die Angeklagte ebenso wie mit einem Großteil ihrer Ausführungen zur Rechtsrüge nur nach Art und Zielsetzung einer Schuldberufung unzulässigerweise die im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden unanfechtbare schöffengerichtliche Beweiswürdigung.
Völlig unberechtigt aber ist ihr der Sache nach erhobener Vorwurf, die Urteilsbegründung sei deshalb widersprüchlich, weil man ihr einerseits einräume, sie habe als Folgen ihrer Tat nicht einmal schwere Verletzungen ihres Ehegatten billigend in Kauf genommen, anderseits aber unterstelle, ihr derartiger Vorsatz habe sich sogar auf lebensgefährliche Verletzungen des Tatopfers erstreckt. Denn das Erstgericht hat unmißverständlich bloß festgestellt, daß die Beschwerdeführerin nicht die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) hatte, ihren Gatten schwer zu verletzen, keinesfalls aber angenommen, daß nicht doch wenigstens ihr bedingter Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) solche Verletzungsfolgen umfaßt hätte (S. 139, 140). Dementsprechend lassen die auf der urteilsfremden Prämisse, die Angeklagte habe lebensgefährliche Verletzungen ihres Ehegatten nicht in Kauf genommen, beruhenden Beschwerdeausführungen überhaupt eine prozeßordnungsgemäße Darstellung des materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO, dessen Nachweis einen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf anzuwendenden Gesetz voraussetzt, vermissen. In objektiver Hinsicht aber haftet der dem Urteil zugrundeliegenden, auf das gerichtsmedizinische Gutachten (S. 128 f.) gestützten Rechtsansicht des Schöffengerichtes, daß eine Stichführung mit einem scharfen und spitzen, etwa 30 cm langen Messer gegen den Unterleib eines Menschen auch dann, wenn sie nur mit geringer Wucht erfolgt, in der Regel mit Lebensgefahr verbunden ist, ein Rechtsirrtum nicht an.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach § 84 Abs 1 StGB zu acht Monaten Freiheitsstrafe, die es ihr gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es ihr mehrmaliges Zustechen als erschwerend, ihr Geständnis, ihre Unbescholtenheit, ihre Provokation durch ihren Gatten und den Umstand, daß sie nach der Tat selbst Polizei und Rettung verständigte, dagegen als mildernd.
Der Berufung der Angeklagten, mit der sie eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.
Der vorerwähnte Erschwerungsumstand wurde zu Recht angenommen, zusätzliche Milderungsgründe vermag die Berufungswerberin nicht aufzuzeigen. Die abschreckende Wirkung der von ihr erlittenen etwa vierwöchigen Untersuchungshaft konnte das Schöffengericht zwar bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung bedingter Strafnachsicht ins Kalkül ziehen, nicht aber auch bei der Ausmessung der Strafdauer. Diese wird in der in erster Instanz bestimmten Höhe der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld der Angeklagten (§ 32 StGB) durchaus gerecht.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02199European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00125.79.0925.000Dokumentnummer
JJT_19790925_OGH0002_0090OS00125_7900000_000