TE OGH 1979/9/25 11Os100/79

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Veröffentlicht am 25.09.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr.Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach (§ 83 Abs 2) § 84 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 5. April 1979, GZ 13 Vr 1087/78-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Windhopp, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11. März 1959 geborene Maschinenschlosser Walter A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach dem § 84 Abs 1 StGB - die (ungerügte) Nichtanführung der den angenommenen Grundtatbestand normierenden Gesetzesstelle (§ 83 Abs 1 oder 2 StGB) im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 4 StPO) kann wegen rechtlicher Gleichwertigkeit der in Betracht kommenden Begehungsweisen (ÖJZ-LSK 1975/171 u.a.) auf sich beruhen - schuldig erkannt, weil er am 11. Juli 1978 in Tauplitz Franz B durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten am Körper verletzte, wobei die Verletzung - ein Nasenbeinbruch und ein Bruch der linken Hand (Mittelhandfraktur) - an sich schwer war. Hingegen wurde Ewald C von der Anklage, Franz B im gemeinsamen Zusammenwirken mit Walter A auf die angeführte Art am Körper (schwer) verletzt zu haben, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts geriet Walter A am 11. Juli 1978 zwischen 22 und 23 Uhr auf dem Parkplatz vor der 'Sportalmbar' in Tauplitz in eine tätliche Auseinandersetzung mit Franz B, in deren Verlauf B, als er auf dem auf dem Boden liegenden A zu sitzen kam, von dem hinzukommenden Ewald D heruntergerissen und zur Seite geschleudert, dadurch aber (noch) nicht verletzt wurde. Nach einigen Sekunden stand B auf, worauf ihn A durch Faustschläge mißhandelte, bis er (wieder) zu Boden ging, und ihm dann noch Fußtritte ins Gesicht versetzte, gegen welche Mißhandlungen - deren Folge die angeführten Verletzungen waren -

B sich dadurch zu schützen suchte, daß er beide Hände vor das Gesicht hielt und mit den Arnen Abwehrbewegungen machte. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, A habe sich nicht in einer Notwehrsituation befunden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch von Walter A aus den Gründen der Z 4, 5 und 9 lit. a (sachlich lit. b) des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Zwar wurden entgegen dem Vorbringen zur Verfahrensrüge durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des (in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften) Zeugen Wilfried E Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt.

Denn der Beschwerdeführer gab selbst an, daß E nicht das Tatgeschehen, sondern nur eine diesem vorausgegangene 'feindselige Stimmung' in der 'Sportalmbar' wahrgenommen und ihn im Lokal gewarnt habe, nicht hinauszugehen, weil 'die' (gemeint: B und seine beiden Begleiter) mit ihm (dem Beschwerdeführer) 'was vorhaben' (S. 82). Nun hat das Erstgericht in der Urteilsbegründung ohnehin nicht ausgeschlossen, daß vor Beginn der Auseinandersetzung eine 'bedrohliche Stimmung' herrschte (S. 92). Für die Beurteilung, ob sich der Beschwerdeführer im entscheidenden Tatzeitpunkt in einer Notwehrsituation befand, ist aber die behauptete Warnung durch E, wie bei Behandlung der Rechtsrüge noch dargetan wird, ohne Belang. Der Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z 4 StPO wird daher durch das gerügte Zwischenerkenntnis nicht hergestellt. Bei dem weiteren Vorbringen, das Erstgericht habe für die Beurteilung des Sachverhalts unter dem Aspekt der Notwehr bedeutsame Feststellungen unterlassen und sohin nicht ausreichend begründet, warum es diesen Rechtfertigungsgrund negierte, verkennt der Beschwerdeführer, daß aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nur Begründungsmängel zu einer Tatfrage, nicht jedoch solche zu einer Rechtsfrage releviert werden können (SSt. 40/23 u. a.).

Die bezüglichen Ausführungen der Beschwerde enthalten ebenso wie jene, mit denen ziffernmäßig der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO angerufen wird, der Sache nach eine sich auf den (beanspruchten) Rechtfertigungsgrund der Notwehr beziehende Rechtsrüge im Sinne der Z 9 lit. b des § 281 Abs 1 StPO

Dieser Rechtsrüge ist aber zu entgegnen, daß es darauf, von wem und in welcher (allenfalls vorgefaßten) Absicht die Tätlichkeiten ursprünglich begonnen wurden, daß der Widersacher des Beschwerdeführers in Begleitung zweier Freunde war, daß ihm der Beschwerdeführer zunächst zu unterliegen schien und daß der von dem um den Beschwerdeführer besorgten Zeugen Markus F herbeigeholte Ewald C die Beteiligten trennte und sich dann wieder entfernte, für die Beurteilung der Notwehrfrage beim gegebenen Sachverhalt nicht ankommt.

Denn aus den Urteilsfeststellungen, von denen bei der Beurteilung des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes ausgegangen werden muß, ergibt sich, daß - vom passiven Verhalten der Begleiter BS ganz abgesehen -

die (allenfalls) vorangegangenen Tätlichkeiten seitens BS beendet waren, als ihn der Beschwerdeführer durch Fausthiebe zu Boden schlug, dem auf dem Boden Liegenden noch Fußtritte ins Gesicht versetzte und ihn durch diese Mißhandlungen (an sich schwer) verletzte. Der Verlauf dieser von der ersten deutlich unterscheidbaren zweiten Phase des Tatgeschehens läßt sohin für die Annahme eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffs auf die körperliche Integrität des Beschwerdeführers - als Grundvoraussetzung für den in Anspruch genommenen Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB) - keinen Raum.

Dagegen ist der Beschwerdeführer mit seiner Mängelrüge im Recht. Denn die Feststellung, daß sich Franz B die Mittelhandfraktur links nicht bei seinem Sturz auf den Rücken (nach der unsanften Streitschlichtung durch Ewald C) zuzog, wird vom Erstgericht ebenso wie die daraus abgeleitete Annahme, daß diese Verletzung Folge der (in zweiter Phase fortgesetzten) 'Mißhandlungstätigkeit' des Angeklagten war, allein damit begründet, daß Franz B nach dem vorerwähnten Sturz noch in der Lage war, die Angriffe des Angeklagten durch das Halten beider Arme vor das Gesicht abzuwehren. Diese Überlegung widerspricht aber - worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist - der Lebenserfahrung, nach der eine Verletzung der angeführten Art einen Menschen nicht unter allen Umständen daran hindert, die Arme schützend vor das Gesicht zu halten und auch gewisse Abwehrbewegungen durchzuführen.

Diese offenbar unzureichende Begründung zur entscheidenden Tatsache, daß diese an sich schwere Verletzung des Franz B auf den Angriff des Angeklagten zurückzuführen sei, läßt das Urteil nichtig im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erscheinen.

Somit war der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z 1 StPO wie aus dem Spruche ersichtlich zu erkennen. Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht gegebenenfalls aber auch festzustellen haben, ob der Nasenbeinbruch, den Franz B erlitt, mit einer Dislokation der Bruchstücke verbunden war und daher (wie die Mittelhandfraktur) schon für sich allein als eine an sich schwere Verletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zu beurteilen ist.

Anmerkung

E02206

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00100.79.0925.000

Dokumentnummer

JJT_19790925_OGH0002_0110OS00100_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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