Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26.September 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter, dann des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 3, 128 Abs 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29.Juni 1979, GZ 4 c Vr 4271/75-125, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Bernhauser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Strafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12.Februar 1943 geborene kaufmännische Angestellte Werner A des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1
und Abs 2 Z 3, 128 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er in Wien der Firma B KG. unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch die ihm aufgetragene Arbeit als kaufmännischer Angestellter dieser Firma geschaffen worden war, am 27.März 1975 Spielwaren, Büroartikel und Aufbewahrungsbehälter im Gesamtwert von 192.565,12 S sowie zu einem nicht mehr (genau) feststellbaren Zeitpunkt zwischen Oktober 1974 und Mai 1975 einen Canon Elektronenrechner im Wert von 6.609,68 S mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch Zueignung dieser fremden beweglichen Sachen unrechtmäßig zu bereichern. Von einem weiteren Anklagefaktum wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde insoweit, als er die Unterstellung des festgestellten Sachverhaltes unter den Tatbestand des (schweren) Diebstahls, anstatt unter jenen des (schweren) Betruges als rechtlich verfehlt bezeichnet.
Seine Beschwerde ist unbegründet.
Maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug ist, daß die Beeinträchtigung des fremden Vermögens beim Diebstahl - ebenso wie bei der Veruntreuung - durch eine Handlung des Täters, beim Betrug aber durch eine Handlung des Getäuschten herbeigeführt werden muß, weshalb Betrug ein 'Selbstschädigungsdelikt', Diebstahl hingegen ein 'Fremdschädigungsdelikt' darstellt (Kienapfel, ÖJZ 1975 S. 654). Bedient sich der Täter einer Täuschungshandlung, um sich eine fremde bewegliche Sache anzueignen, so liegt Betrug nur dann vor, wenn die Täuschung allein den Gewahrsamsübergang bewirkt;
muß der Täter dagegen noch zusätzlich handeln, um die Sachherrschaft durch einen Wegnahmeakt zu erlangen, so verantwortet er Diebstahl, weil diesfalls der für den Betrug charakteristische Zusammenhang zwischen der Täuschung und dem Schadenseintritt fehlt (LSK 1978/248 = EvBl. 1978/199, LSK 1976/196, LSK 1975/4 = EvBl. 1975/154 u.a.). Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen wurden die Spielwaren, Büroartikel und Aufbewahrungsbehälter am 27.März 1975 in der Weise weggenommen, daß der als Aufsichtsorgan für das Lager und den Verkauf bei der Spielwarenfirma A. B KG. beschäftigte Angeklagte eine Bestellung des Wolfgang C, an dessen - gleichfalls mit dem Großhandel von Spielwaren befaßten - GesmbH. er beteiligt war, entgegennahm, die Waren im Lager zusammenstellen half und deren Auslieferung mittels eines Lastkraftwagens der Firma B an die Firma C veranlaßte.
Hiebei übergab er von den mehreren Bestellscheinen, die Wolfgang C gemeinsam mit einem Lagerarbeiter ausgefüllt hatte, nur einen über Waren im Gesamtwert von 38.641,36 S der EDV-Abteilung zur Fakturierung; wegen des Fehlens der restlichen Lieferscheine und Fakturen wußte er den mit der Auslieferung beauftragten Chauffeuer Erich D und seinen Geschäftspartner Wolfgang C zu beruhigen. Es gelang ihm auf diese Weise, Waren im Werte von 192.565,12 S unter Ausschaltung der Buchhaltung der Firma B ohne Rechnung und Bezahlung der Firma C zu transferieren.
Die von ihm persönlich vorgenommene Verbringung eines der Firma B gehörigen Elektronenrechners zur Firma C deckte der Angeklagte durch Herstellung einer falschen Rechnung der Firma F Export -Import GesmbH.
Den Beschwerdeausführungen zuwider kann bei dieser Sachlage keine Rede davon sein, daß der Übergang des Gewahrsams an den nicht fakturierten Waren und deren Zueignung durch den Angeklagten bzw. die Firma C mit Wissen und Willen verfügungsberechtigter Personen der Firma B KG. bewerkstelligt worden wäre. Ihre Wegnahme wurde vielmehr durch einen eigenmächtigen Akt des Angeklagten bewirkt, durch den diese Waren in das Vermögen der Firma C überführt wurden. Die Beeinträchtigung fremden Vermögens wurde demnach nicht durch ein Verhalten der getäuschten Angestellten der EDV-Abteilung oder - im Fall des Elektronenrechners - anderer getäuschter Personen herbeigeführt, sondern es wurde durch das Täuschungsmanöver des Angeklagten, der EDV-Abteilung nur einen von mehreren Bestellscheinen zur Fakturierung zu übergeben bzw. eine falsche Rechnung herzustellen, bloß die Zueignung der weggenommenen Waren verdeckt.
Das Erstgericht hat sohin den festgestellten Sachverhalt rechtsrichtig nicht dem Tatbestand des schweren Betruges, sondern jenem des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 3, 128 Abs 2 StGB unterstellt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über Werner A nach §§ 28, 128 Abs 2 StGB
achtzehn Monate Freiheitsstrafe.
Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier (besser: die Wiederholung der) Diebstahlshandlungen und die Überschreitung der Wertgrenze des § 128 Abs 2 StGB
um das (gemeint: bis zu fast dem) Doppelte(n), als mildernd hingegen die volle Schadensgutmachung und den Umstand, daß die Taten schon länger zurückliegen und sich der Angeklagte offenkundig seither wohlverhalten hat.
Mit seiner Berufung strebt Werner A eine Strafermäßigung und die bedingte Strafnachsicht an. Die Berufung ist hinsichtlich der Gewährung der bedingten Strafnachsicht begründet; im übrigen ist sie nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte macht als zusätzlichen Milderungsgrund geltend, daß er die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten habe (§ 34 Z 18 StGB).
Diese Umstände wurden jedoch ohnedies bereits von der ersten Instanz berücksichtigt. Gleiches gilt für die gesamte Schadensgutmachung. In Anbetracht dessen, daß sich die erschwerenden und die mildernden Umstände ungefähr die Waage halten und die Strafe fast an der Untergrenze des bis zu zehn Jahren reichenden Rahmens des § 128 Abs 2 StGB ausgemessen wurde, besteht für eine noch weitere Strafminderung kein wie immer gearteter Anlaß.
Gleichwohl erachtete der Oberste Gerichtshof das längere Zurückliegen der strafbaren Handlungen sowie das anschließende Wohlverhalten des Angeklagten als hinreichend für die Annahme, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen werde, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten, zumal er länger als einen Monat hindurch in Untersuchungshaft war und somit das Übel des Freiheitsentzuges kennengelernt hat. Der Angeklagte ist nach der Aktenlage berufstätig und sozial wieder integriert. Es liegen somit besondere Gründe im Sinne des § 43 Abs 1 StGB vor, die Gewähr für ein künftiges Wohlverhalten des immerhin fast 36 Jahre alten Angeklagten bieten. Da es überdies der Strafvollziehung auch aus generalpräventiven Erwägungen nicht bedarf, war spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E02255European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00127.79.0926.000Dokumentnummer
JJT_19790926_OGH0002_0100OS00127_7900000_000