Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stach als Schriftführer in der Strafsache gegen Monika A wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2
StGB. mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 22. Februar 1979, GZ. 4 Vr 2159/78-14, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 20. November 1960 geborene, zur Tatzeit jugendliche Spitalsgehilfin Monika A des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 20. Juni 1977 vorsätzlich im Verfahren AZ C 46/77 des Bezirksgerichtes Mureck, somit vor Gericht als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Aussage, innerhalb der kritischen Zeit außer mit Johann B mit keinem anderen Mann geschlechtlich verkehrt zu haben, unter Eid eine falsche Beweisaussage abgelegt hat.
Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer lediglich auf Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, wobei sie ausführt, durch die Abweisung des von ihr in der dem Urteil vorangehenden Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags auf neuerliche Einholung eines Blutgutachtens sowie auf Einholung eines anthropologischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß als Vater ihres Kindes nur Johann B in Frage komme und das im Zivilprozeß erstattete Gutachten unrichtig sei, in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden zu sein.
Das Jugendschöffengericht sah die leugnende Verantwortung der Angeklagten dadurch als widerlegt an, daß im Verfahren AZ C 46/77 des Bezirksgerichtes Mureck (Vaterschaftsklage des mj. Reinhard A gegen Johann B), in dem die Angeklagte die inkriminierte Zeugenaussage abgelegt hat, der dort beigezogene Sachverständige Univ. Prof. Dr. C in seinem dort erstatteten Gutachten über die Blutuntersuchung zu dem Ergebnis gekommen ist, daß ßJohann B sowohl zufolge der festgestellten Verteilung der Blutfaktoren als auch zufolge der Verteilung der Chromosomen im Rhesussystem als Vater des Kindes auszuschließen ist, Zweifel an der Identität des abgenommenen mit dem untersuchten Blut des Zeugen B nicht bestünden und auch die Richtigkeit des bezeichneten Gutachtens nicht zweifelhaft sei (S. 64/65 d. A.).
In der Hauptverhandlung vom 22. Feber 1979 hatte sich die Beschwerdeführerin der Verlesung des im Zivilakt enthaltenen Sachverständigengutachtens widersetzt (S. 58 d. A.) und die Einholung eines Blutgutachtens im Strafverfahren sowie überdies auch die Einholung eines anthropologischen Gutachtens zum Beweis dafür beantragt, daß nur Johann B der Vater ihres Kindes sei und das im Zivilverfahren erstattete Gutachten nicht stimme (abermals S. 58 d. A.). Das Erstgericht hat jedoch das im Zivilverfahren erstattete Gutachten, gestützt auf § 252 Abs. 2 StPO, verlesen und den Beweisantrag mit der Begründung abgewiesen, aus dem Inhalt des Zivilakts in Verbindung mit der Aussage des Zeugen B und der Darstellung der Angeklagten selbst über die Blutabnahme ergäben sich keine Zweifel an der Richtigkeit des (im Zivilprozeß erstatteten) Sachverständigengutachtens (S. 59 d. A.).
Rechtliche Beurteilung
Es kann dahingestellt bleiben, ob Protokolle oder Gutachten aus einem Zivilverfahren überhaupt zu den in § 252 Abs. 2 StPO unter anderem angeführten 'Urkunden und Schriftstücken anderer Art, die für die Sache von Bedeutung sind', gehören (vgl. KH 2068, wonach das Protokoll über die in einem Zivilprozeß abgelegte Aussage eines Zeugen nicht zu den Schriftstücken zählt, die nach § 252 Abs. 2 StPO zu verlesen sind). Entscheidend ist, daß es sich bei dem vom Erstgericht dem Urteil zugrundegelegten Sachverständigengutachten um ein solches gehandelt hat, das in einem anderen als dem vorliegenden Verfahren erstattet wurde. Beantragt der Angeklagte in dem gegen ihn geführten Strafverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie vorliegend die Beschwerdeführerin die Einholung eines (neuerlichen) Blutgutachtens, und widersetzt er sich solcherart ausdrücklich der Verwertung des aus einem anderen Verfahren stammenden, wenn auch zum gleichen Beweisthema erstatteten Gutachtens, so liegt in der Abweisung eines solchen Beweisantrags in der Regel eine Verletzung von Verteidigungsrechten, weil es dem Angeklagten dadurch benommen wird, die Vernehmung des Sachverständigen im Strafprozeß zu erwirken und in der Hauptverhandlung von seinem Fragerecht Gebrauch zu machen. Gerade darauf zielte aber der Antrag auf Einholung eines Blutgutachtens im Strafverfahren ab.
Somit war die Abweisung des Antrags auf Einholung eines solchen Sachverständigengutachtens im Rahmen des gegen die Angeklagte abgeführten Strafverfahrens, wie die Beschwerde zutreffend rügt, geeignet, Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, zu beeinträchtigen.
Es war daher gemäß § 285 e StPO - mit Zustimmung der Generalprokuratur - bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten aus den dargelegten Erwägungen Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen, ohne daß auf die weitere Verfahrensrüge (betreffend die Abweisung des Antrags, auch ein anthropologisches Sachverständigengutachten einzuholen) einzugehen war.
Anmerkung
E02268European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00071.79.0927.000Dokumentnummer
JJT_19790927_OGH0002_0120OS00071_7900000_000