Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27.September 1979
unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Plischnack als Schriftführers in der Strafsache gegen Hans A und andere wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und 3, 128 Abs. 2 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Hans A und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Hans A und Christina zum B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 18.April 1979, GZ. 8 b Vr 1.002/79-24, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schuppich und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Hans A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes wurden der Restaurator Hans A des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und 3, 128 Abs. 2
StGB. und die Studentin Christina zum B des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2 StGB. schuldig erkannt, weil sie in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB.) - Hans A unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm (in seinem Beruf) aufgetragene Arbeit geschaffen worden war, zum Nachteil des Auftraggebers - fremde bewegliche Sachen im Wert von zirka 1,700.000 S dem Fürsten Franz Josef von und zu C (aus der Bibliothek des Palais Liechtenstein in der Roßau) mit dem Vorsatz wegnahmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar 1.
Mitte August 1978 ungefähr 300 (Druck-) Graphiken und 2. im Spätherbst 1978 mindestens 38 alte Bücher.
Hinsichtlich der weiteren Anklage, in der Hans A (außerdem) der Diebstahl von Porzellangegenständen (aus dem Stadtpalais Liechtenstein in Wien I) und Christina zum B Hehlerei in bezug auf die zuletzt genannten Gegenstände angelastet worden war, erging ein unangefochtener Freispruch gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. Der Schuldspruch wird nur von Hans A mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. bekämpft.
Rechtliche Beurteilung
Der mit dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund zunächst erhobene Vorwurf mangelnder oder (offenbar) unzureichender Begründung richtet sich gegen die vom Schöffengericht in Entscheidung der Tatfrage getroffene - der rechtlichen Annahme schweren Diebstahls nach dem § 128 Abs. 2
StGB. zugrundegelegte - Feststellung, die Angeklagten (mithin auch der Beschwerdeführer) hätten einen 100.000 S übersteigenden Wert der gestohlenen Graphiken (schon bei der Wegnahme) ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden.
Es entspricht aber durchaus allgemeiner Erfahrung, daß ein Dieb, dessen Vorsatz ja darauf zielt, sich (oder einen Dritten) durch die Zueignung einer fremden beweglichen Sache unrechtmäßig zu bereichern (§ 127 Abs. 1 StGB.), dann, wenn er vom Wert des betreffenden Gegenstands - den er seiner Art nach im vorliegenden Fall als Kunstwerk kennt - keine bestimmte Vorstellung hat, in der Regel jeden möglichen (auch höheren und gegebenenfalls die in Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2 des § 128 StGB. festgesetzten Grenzen übersteigenden) Wert hinzunehmen gewillt ist; dies kann mit Grund jedenfalls dann angenommen werden, wenn für die einen so beschaffenen (bedingten) Vorsatz ausschließende gegenteilige Annahme, daß nämlich der Täter, dem der höhere Wert der Sache nicht bekannt war, den Diebstahl in Kenntnis des Wertes unterlassen (oder doch eingeschränkt) hätte, keine besonderen Gründe vorliegen (SSt. 23/23 u.a.). Mit den Hinweisen des Erstgerichtes auf die beim Beschwerdeführer nach seinem Beruf vorauszusetzende Sachkenntnis und auf sein (zugegebenes) Handlungsziel, durch den Diebstahl Barmittel zur Gründung einer selbständigen Existenz zu erlangen, konnte die getroffene Feststellung des bedingten Tätervorsatzes in bezug auf den 100.000 S übersteigenden Wert der gestohlenen Sachen sohin zureichend begründet werden.
Der weitere Einwand der Mängelrüge, das Ergebnis der erst am 16. Dezember 1978 durchgeführten Weihnachtsauktion des Auktionshauses Wolfdietrich D in Wien habe der Beschwerdeführer nicht schon vor Dezember 1978 kennen können, ist gleichfalls verfehlt. Denn die damit bekämpfte Urteilsfeststellung bezieht sich entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht auf das Versteigerungsergebnis, sondern auf den 'vorläufigen Mindestschätzwert' (S. 260 d.A.). Daß dem Beschwerdeführer zumindest ein vorläufiger Schätzwert des von ihm bei D eingebrachten Teiles der gestohlenen Graphiken von mehreren hunderttausend Schilling schon bei der Einlieferung bekannt wurde, ergibt sich aber aus den diese vorläufigen Schätzwerte stück- oder serienweise anführenden, vom Beschwerdeführer gegengezeichneten Einlieferungslisten vom 3.Oktober 1978 (S. 51 bis 59 d.A.). Der Verantwortung der Zweitangeklagten, daß ihnen bei der (späteren) Wegnahme der Bücher der (100.000 S übersteigende) Wert der zuvor gestohlenen Graphiken bereits bekannt gewesen sei (S. 230 d.A.), wurde vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren ersichtlich nicht widersprochen.
Auch die in diesem Sinn getroffene Urteilsfeststellung ist mithin durch die Verfahrensergebnisse hinlänglich gedeckt. Erteilte aber der Beschwerdeführer in Kenntnis des Wertes schon eines Teiles der von ihm gestohlenen Graphiken von mehreren hunderttausend Schilling gleichwohl einen Versteigerungsauftrag, nahm er darüber hinaus noch weitere Gegenstände - nämlich die Bücher - weg und gab er sie mit den noch vorhandenen Graphiken sodann im Dezember 1978
ebenfalls - nunmehr bei der Firma E & F in München - zur Versteigerung, so manifestiert diese Handlungsweise nach den eingangs dargelegten Erfahrungssätzen das Vorliegen eines schon vom ersten diebischen Zugriff an den Wert von mehr als 100.000 S von vornherein umfassenden bedingten Tätervorsatzes. Bei der Wegnahme der Bücher steigerte sich zudem, wie das Erstgericht zutreffend hervorhob, der Vorsatz des Beschwerdeführers angesichts seiner nunmehr bestimmten Vorstellung von der Überschreitung der fraglichen - nach dem Zusammenrechnungsprinzip (§ 29 StGB.) aufzufassenden - Wertgrenze sogar zur Wissentlichkeit.
Die Urteilsannahme, daß der den Diebstahl nach dem § 128 Abs. 2 StGB. qualifizierende Wert der gestohlenen Sachen von mehr als 100.000 S vom Vorsatz des Beschwerdeführers umfaßt war, ist demnach mit keinem Begründungsmangel behaftet.
Mit der Rechtsrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. macht der Beschwerdeführer zusammengefaßt geltend, seine Tat sei nicht als (schwerer) Diebstahl, sondern als Veruntreuung zu beurteilen. Auch mit diesem Einwand ist der Beschwerdeführer - abgesehen davon, daß ihn im Hinblick auf den (von seinem Vorsatz umfaßten) Wert der entzogenen Sachgüter nach dem § 133 Abs. 2 StGB. die gleiche Strafdrohung träfe wie nach dem § 128 Abs. 2 StGB. - nicht im Recht.
Maßgebend für die rechtliche Beurteilung einer durch vorsätzliche und widerrechtliche Entziehung fremder beweglicher Sachen begangenen Tat als Diebstahl oder als Veruntreuung ist - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt -
in objektiver Hinsicht der Umstand, ob der Täter die faktische Verfügungsgewalt erst durch Gewahrsamsbruch erlangt ('wegnimmt': § 127 Abs. 1 StGB.) oder ob er Sachen entzieht, die sich bereits in seinem ausschließlichen Gewahrsam befinden ('ihm anvertraut worden' sind: § 133 Abs. 1 StGB.).
Nach den im vorliegenden Fall maßgeblichen Feststellungen befanden sich die gegenständlichen Graphiken und Bücher in den Räumen des Palais Liechtenstein, zu denen der Beschwerdeführer als mit der Restaurierung von Möbeln und Gemälden beauftragter Restaurator lediglich Zutritt hatte. Die betreffenden Sachen standen somit bis zur Wegnahme im Gewahrsam des Eigentümers; keineswegs waren sie dem Beschwerdeführer in dem Sinn anvertraut, daß sie ihm mit Rückstellungs- oder Verwendungspflicht in seinen ausschließlichen Gewahrsam überlassen worden wären. Eine Befugnis des Beschwerdeführers, Kunstgegenstände aus den im Palais untergebrachten fürstlichen Sammlungen vorübergehend in seine (im selben Gebäude befindliche Dienst-) Wohnung zu bringen, wurde vom Erstgericht - dessen in der Beschwerde bezogene Erwägungen nur die (vom Freispruch umfaßten) Porzellangegenstände betreffen - in Ansehung der in Rede stehenden Graphiken und Bücher nicht festgestellt; eine derartige Feststellung war auch durch die Verfahrensergebnisse nicht indiziert. Auf die (Rechts-) Frage, ob und unter welchen weiteren Voraussetzungen die Ausübung einer solchen Befugnis einen ausschließlichen Gewahrsam des Beschwerdeführers in der Bedeutung eines 'Anvertrauens' (im Sinn des § 133 Abs. 1 StGB.) hätte bewirken können, ist demnach nicht einzugehen.
Da dem angefochtenen Urteil sohin auch der geltend gemachte Rechtsirrtum nicht anhaftet, war die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Das Landesgericht verurteilte gemäß dem Strafsatz des § 128 Abs. 2 StGB. den Angeklagten Hans A zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und die Angeklagte Christina zum B zu einer solchen in der Dauer eines Jahres.
Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB. wurde die über die Angeklagte Christina zum B verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Bei der Strafbemessung waren im Fall des Angeklagten A erschwerend die Überschreitung der Wertgrenze des § 128 Abs. 2 StGB. um etwa das Sechzehnfache, ferner die Verleitung der Zweitangeklagten zur Tat und die Verübung von zwei Angriffen, mildernd hingegen das umfassende Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel und die völlige Schadensgutmachung, im Fall der Angeklagten zum B erschwerend gleichfalls die Überschreitung der Wertgrenze des § 128 Abs. 2 StGB. um etwa das Sechzehnfache und die Verübung von zwei Angriffen, mildernd das umfassende Geständnis, der bisherige ordentliche Lebenswandel, die völlige Schadensgutmachung und der Umstand, daß diese Angeklagte durch den Mittäter zur Tat verleitet wurde.
Es liegen fristgerecht erhobene Berufungen des Angeklagten Hans A und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der beiden Angeklagten Hans A und Christina zum B vor.
Die Berufung des Angeklagten Hans A richtet sich gegen das Strafausmaß, die der Staatsanwaltschaft ebenfalls gegen das Strafausmaß und gegen die Gewährung des bedingten Strafnachlasses im Fall der Angeklagten Christina zum B.
Keine der Berufungen ist im Recht.
Die hier gegebenen Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz nicht nur im wesentlichen vollzählig und richtig festgestellt, sondern auch zutreffend gewürdigt.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes entsprechen die verhängten Freiheitsstrafen sowohl dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen als auch dem Verschuldensgrad der beiden Angeklagten. Dabei zog das Erstgericht gebührend mit in Betracht, daß die Tat des Erstangeklagten A insbesondere im Hinblick auf die ersichtliche Anstiftung der Zweitangeklagten in strengerem Lichte erscheinen muß. Dazu kommt, daß der Erstangeklagte auf Grund seines Berufes über besondere Einsichtsfähigkeit in das Unrechtmäßige und Verwerfliche des (Kunst-) Diebstahls verfügte und daß der Wert des gestohlenen Gutes außerordentlich hoch anzusetzen ist.
Berücksichtigt man den vergleichsweise untergeordneten Tatbeitrag der Zweitangeklagten und den ungünstigen Einfluß des Erstangeklagten so kann dem Erstgericht letztlich auch nicht entgegengetreten werden, wenn es der Auffassung anhing, daß im Fall der Angeklagten Christina zum B alle Voraussetzungen einer Gewährung des bedingten Strafnachlasses im Sinn der Norm des § 43 Abs. 1 StGB. vorliegen. In diesem Zusammenhang verbleibt lediglich auf die der Zweitangeklagten zugebilligten Milderungsumstände zu verweisen, die nach Lage der Verhältnisse allein schon den Schluß rechtfertigen, daß die bloße Androhung der (Straf-) Vollziehung genügen werde, um die Täterin von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Aber auch generalpräventive Überlegungen lassen sich gegen die Gewährung der bedingten Strafnachsicht nicht ins Treffen führen, zumal die Zweitangeklagte - wie bereits erwähnt - im Zug des Tatgeschehens - den Umständen nach - nur eine minderwichtige Rolle spielte. Aus diesen Erwägungen konnte den Berufungen des Angeklagten Hans A und der Staatsanwaltschaft kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02311European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00093.79.0927.000Dokumentnummer
JJT_19790927_OGH0002_0130OS00093_7900000_000