Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27.September 1979
unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Plischnack als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 30.November 1977, GZ. 2 e Vr 6.834/77-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Janek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Jahre herabgesetzt wird.
Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes wurde der beschäftigungslose Angeklagte Johann A - dessen Freispruch von einem weiteren Anklagepunkt unbekämpft blieb -
des Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB., des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z. 1 StGB., des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB., des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach dem § 203 Abs. 1 StGB.
und schließlich des Verbrechens der Erpressung nach dem § 144 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Ihm wurde zur Last gelegt, daß er in Wien am 21. Juni 1977 im Pötzleinsdorfer Schloßpark während eines heftigen Gewitterregens die 38-jährige Helga B, die ihren eineinhalbjährigen Sohn in einem Kinderwagen mit sich führte, mit Gewalt gegen ihre Person, indem er sie in einem Gebüsch zu Boden warf, ihr den Mund zuhielt und sie gewaltsam entkleidete, widerstandsunfähig machte, sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbrauchte und sie sodann unter Ausnützung der gegebenen Zwangslage sowie durch die wiederholte Drohung, ihr Kind zu töten, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen versuchte (Punkt A und B/1 des Schuldspruches), weiters am 4.August 1977 die 24-jährige Elisabeth C gleichfalls mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich durch Versetzen mindestens eines Schlages mit einem Stein auf den Kopf, wodurch sie eine druckempfindliche Schwellung und eine blutende Rißquetschwunde am Hinterhaupt erlitt, sowie durch die gegen ihre Person gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, er werde sie erschlagen, widerstandsunfähig machte, sie in diesem Zustand zur Vornahme eines Hand- und Mundverkehrs mißbrauchte und sie sodann unter Ausnützung der gegebenen Zwangslage durch gefährliche Drohung nötigte, ihn mit ihrem Auto vom Tatort (einem Weingarten im 19. Bezirk) in das verbaute Stadtgebiet zu fahren und ihm während der Fahrt dorthin 500 S zu übergeben, wobei er hinsichtlich des letzteren Verhaltens der Genötigten mit dem Vorsatz handelte, sich unrechtmäßig zu bereichern (Punkt B/2, C und D des Schuldspruches).
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch nur in den Punkten A (Notzucht an Helga B) und D (Erpressung der Elisabeth C) mit einer auf die Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Von den aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund als unzureichend begründet gerügten Urteilsfeststellungen zum Faktum A (Notzucht an Helga B) betrifft die Konstatierung, daß der Angeklagte, als er auf die Frau zutrat, einen Stock in der Hand hatte, keine entscheidende Tatsache. Denn das Erstgericht maß diesem Umstand für die Beurteilung des weiteren Tatgeschehens ersichtlich keinerlei Bedeutung bei und nahm auch nicht etwa an, daß der Angeklagte bei seinem Angriff in irgendeiner Weise einen Stock (oder sonst einen ähnlichen Gegenstand) benützte.
Im Hinblick auf die in den Urteilsgründen beschriebene Anwendung erheblicher Gewalt durch den Angeklagten, welche von der wiederholten Drohung begleitet war, das von der Frau in einem Kinderwagen mitgeführte Kleinkind umzubringen, konnte das Erstgericht - entgegen dem Beschwerdevorbringen - gestützt auf die Aussage der Helga B mit zureichender Begründung annehmen, daß die Zeugin zufolge der gegen ihre Person angewendeten Gewalt (und der den dadurch vermittelten Eindruck noch unterstreichenden Drohungen) schließlich aus physischen und psychischen Gründen außerstande war, weiteren Widerstand zu leisten, weil er in der gegebenen Situation - in dem während eines heftigen Gewitterregens menschenleeren Parkgelände - aussichtslos schien. In welchem Stadium der fortgesetzten Gewaltanwendung ein solcher Zustand der Widerstandsunfähigkeit bei Helga B schließlich eintrat, ist nicht entscheidungswesentlich; genug daran, daß er - was aus den Urteilsfeststellungen genügend klar hervorgeht - bis zur Vornahme des außerehelichen Beischlafs durch den Angeklagten jedenfalls erreicht war.
Von den mängelfrei begründeten Urteilsfeststellungen ausgehend erweist sich auch die Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.) als verfehlt, mit der eine Beurteilung der Tat als Nötigung zum Beischlaf (§ 202 Abs. 1 StGB.) angestrebt wird. Denn das Erstgericht ging beim Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen Verbrechens der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB. - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt - von einer richtigen Auslegung der Merkmale des genannten Tatbildes aus und faßte insbesondere den Begriff der Widerstandsunfähigkeit - im Sinn der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung - als einen Zustand echter Wehrlosigkeit auf, in welchem eine Frau aus physischen oder psychischen Gründen zur weiteren Widerstandsleistung nicht mehr imstande ist oder ihr ein weiterer Widerstand wegen Aussichtslosigkeit nicht zugemutet werden kann (EvBl. 1975/270 u. a.).
Das Erstgericht stellte auch ausdrücklich fest, daß der Vorsatz des Angeklagten auf das Herbeiführen einer solchen Widerstandsunfähigkeit bei Helga B - also auf die gänzliche Ausschaltung ihres Willens - und auf ihren Mißbrauch zum außerehelichen Beischlaf in diesem Zustand gerichtet war. In subjektiver Hinsicht entspricht daher die Beurteilung dieses Faktums durch das Schöffengericht gleichfalls dem Gesetz.
Für den (nur) mit Beziehung auf § 281 Abs. 1 Z. 5
StPO. bekämpften Schuldspruch wegen Erpressung hat es keine Bedeutung, ob der Angeklagte den Stein, mit dem er zuvor gegen Elisabeth C Gewalt ausgeübt und sie gegen ihren Mißbrauch zur Unzucht widerstandsunfähig gemacht hatte, danach noch bis zum Besteigen ihres Autos in der Hand hielt oder inzwischen zeitweilig aus der Hand legte; zu einer Erörterung dieser Frage bestand für das Erstgericht schon deshalb kein Anlaß, weil es feststellte, daß der Angeklagte, nachdem er den Stein vor dem Einsteigen ins Auto weggeworfen hatte, erst im Auto während der Fahrt von Elisabeth C die Übergabe von Geld forderte.
Der nach den Urteilsfeststellungen dabei vom Angeklagten zu Elisabeth C gemachten Äußerung, es werde etwas passieren, wenn sie ihm nicht Geld gebe, konnte vom Erstgericht der Sache nach - insoweit in Entscheidung einer Tatfrage (SSt. 37/39) - mit Grund der Sinn einer Drohung mit (weiteren) gegen die körperliche Integrität der Elisabeth C gerichteten Angriffen beigemessen werden. Den Gewalttätigkeiten des Angeklagten im Zug des vorausgegangenen Sittlichkeitsdeliktes (Urteilsfaktum C) kam dabei die Bedeutung von Umständen zu, durch welche die Eignung der Drohung im Sinn des § 74 Z. 5 StGB. evident gemacht wird. Im Hinblick darauf, daß Spruch und Gründe eines Urteils stets als eine Einheit aufzufassen sind, vermag es die Schlüssigkeit und Deutlichkeit des angefochtenen Urteils nicht zu beeinträchtigen, daß die solcherart festgestellte, nunmehr im Sinn des § 144 Abs. 1
StGB. für tatbildlich erachtete (neue) Drohung im Urteilsspruch mit den Worten 'unter Ausnützung der unter Punkt C) dargestellten Zwangslage' an sich nur unzulänglich umschrieben ist. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Landesgericht verurteilte den Angeklagten Johann A gemäß dem Strafsatz des § 201 Abs. 1 StGB. unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren.
Bei der Strafbemessung waren erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen mit einem Vergehen, die einschlägigen Vorstrafen (in Beziehung auf die Erpressung), ferner die besondere Brutalität, die der Angeklagte gegen seine Opfer an den Tag legte, mildernd hingegen das Geständnis und der Umstand, daß es einmal beim Versuch blieb.
Die Berufung des Angeklagten richtet sich gegen das Strafausmaß. Sie ist begründet.
Die hier gegebenen Strafzumessungsgründe wurden zwar in erster Instanz im wesentlichen richtig und vollzählig festgestellt, doch maß das Erstgericht den Strafschärfungsgründen den Umständen nach zu große Bedeutung bei. Davon ausgehend, daß der anzuwendende Strafsatz des § 201 Abs. 1
StGB. Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht, vertritt der Oberste Gerichtshof die Auffassung, daß im besonderen Fall dem außerordentlich hohen Unrechtsgehalt der Verfehlungen und dem gesteigerten Verschuldensgrad des Angeklagten mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren genügend Rechnung getragen wird.
In diesem Sinn war darum der Berufung des Angeklagten Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02303European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00038.78.0927.000Dokumentnummer
JJT_19790927_OGH0002_0130OS00038_7800000_000