TE OGH 1979/10/2 9Os146/79

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Veröffentlicht am 02.10.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Simetzberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roman A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 1 StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 4. Juli 1979, GZ 22 Vr 1708/79-7, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roman A des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128

Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 18. Jänner 1979 in Innsbruck dem in einem Rollstuhl gesessenen querschnittgelähmten Josef B unter Ausnützung dieses Zustands, der den Genannten hilflos gemacht habe, 3.400 S Bargeld gestohlen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 4 und Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen den Schuldspruch kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß B, den der Angeklagte am Hauptbahnhof kennengelernt, mit dem er zunächst noch ein Gasthaus besucht und den er dann wieder zum Bahnhof zurückgebracht habe, in der Folge im Bahnhofsrestaurant eingeschlafen sei; nunmehr habe der Angeklagte die Handtasche des B, die dieser entweder auf seinem Schoß abgelegt oder am Rollstuhl hängen gehabt habe, genommen und damit den Bahnhof verlassen, daraus mindestens 3.400 S gestohlen sowie schließlich die Tasche in einer bestimmten Telefonzelle weggeworfen, wo sie später gefunden worden sei. Diese Feststellungen stützte es auf das vom Angeklagten vor der Polizei abgelegte Geständnis im Zusammenhang damit, daß der Geschädigte ihn im Zug der Erhebungen auf einem Lichtbild als jenen Mann erkannt hatte, mit dem er zuletzt am Bahnhof beisammen gewesen sei, sowie damit, daß den Auffindungsort der Tasche nur der Täter habe kennen können. Die davon abweichenden Angaben des B im Vorverfahren dagegen, wonach der Angeklagte unter einem Vorwand das Lokal verlassen und dabei die Handtasche mitgenommen habe (S 16), sowie jene der Kellnerin Maria C, wonach B erst eingeschlafen sei, nachdem der Angeklagte die gemeinsame Zeche bezahlt habe und weggegangen sei (S 9, 12), überging es mit Stillschweigen; der Behauptung des Angeklagten in der Hauptverhandlung hinwieder, er habe vor der Polizei nur deshalb gestanden, weil man sein Leugnen auf Grund seiner zahlreichen Vorstrafen als zwecklos bezeichnet und nachdem man ihm vorgelesen gehabt habe, wo die Tasche gefunden worden sei (S 27), schenkte es auf Grund der Zeugenaussage des Polizeibeamten D keinen Glauben. Mit Recht erblickt der Beschwerdeführer unter diesen Umständen in der Abweisung seines Antrages auf (Zeugen-) Vernehmung des Geschädigten zum Anklagevorwurf (S 28) eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte im Sinn des § 281 Abs 1 Z 4 StPO Denn abgesehen davon, daß das Hauptverhandlungsprotokoll (gleichwie das Urteil) offen läßt, ob nicht der Angeklagte in diesem Verfahrensstadium sogar seine Identität mit dem tatverdächtigen Begleiter des Bestohlenen bestritt, und daß diesfalls die zu seiner Entlastung beantragte Zeugenvernehmung im Interesse der Unmittelbarkeit des Verfahrens schon deswegen unerläßlich gewesen wäre, kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine Aussage des Geschädigten im Sinn seiner bisherigen (im Urteil unerörtert gebliebenen) Darstellung, nach der (zumal in Verbindung mit den Angaben der Maria C) angenommen werden könnte, er sei erst nach dem Weggehen des Angeklagten eingeschlafen, dessen Selbstbezichtigung in einem wesentlichen Punkt, und zwar in Ansehung der Behauptung, B habe schon zur Zeit des Diebstahls geschlafen, widerlegt und damit den Beweiswert des in der Folge widerrufenen ursprünglichen Geständnisses insgesamt (ungeachtet der für dessen Richtigkeit sprechenden Depositionen des Zeugen D) entscheidend geschwächt hätte.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war demnach mit Zustimmung der Generalprokuratur (§ 285 e StPO) schon bei der nichtöffentlichen Beratung das angefochtene Urteil aufzuheben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen. Im zweiten Rechtsgang wird sich auch die Vernehmung der Zeugin Maria C als zweckmäßig erweisen und im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs zu beachten sein, daß die Querschnittlähmung des Bestohlenen allein nur dann als ein Zustand angesehen werden kann, der ihn im Sinn des § 128 Abs 1 Z 1 StGB hilflos machte, wenn er nach den Umständen des konkreten Falles gerade dadurch außerstande gesetzt war, seinen Besitz gegen gewaltlose Wegnahme zu schützen. Der natürliche Schlaf hinwieder bewirkt - anders als etwa ein durch Drogen oder durch schwere Alkoholisierung (vgl ÖJZ-LSK 1978/212), bedingter -

in der Regel noch keine so tiefgreifende Ausschaltung des menschlichen Bewußtseins, daß schon deswegen von einer Hilflosigkeit dieser Art gesprochen werden könnte.

Außerdem ist zur Annahme der in Rede stehenden Qualifikation weiters erforderlich, daß die Hilflosigkeit des Opfers zum Diebstahl ausgenützt, letzterer dadurch also zumindest erleichtert worden ist und daß alle solcherart objektiv maßgebenden Umstände auch vom Vorsatz des Täters umfaßt wurden.

Anmerkung

E02229

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00146.79.1002.000

Dokumentnummer

JJT_19791002_OGH0002_0090OS00146_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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