Norm
KO §6Kopf
SZ 52/144
Spruch
Die Überlassung von Mietrechten zur freien Verfügung des Gemeinschuldners bewirkt ihr Ausscheiden aus der Konkursmasse, doch bleiben die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestandenen Mietzinsrückstände Konkursforderungen. Ein nach § 7 Abs. 1 KO unterbrochener Rechtsstreit hierüber kann nach Abschluß der Prüfungstagsatzung, in der die Forderung bestritten wurde, im Umfang eines Feststellungsbegehrens wieder aufgenommen werden. Mit der Zustellung des Beschlusses über die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens beginnen alle Fristen zur Vornahme von Prozeßhandlungen neu zu laufen
OGH 4. Oktober 1979, 7 Ob 692, 693/79 (LGZ Graz, 3 R 481-488/77, 3 R 107/79; BGZ Graz, 3 C 304/77)
Text
Mit Mietvertrag vom 1. Dezember 1974 mieteten die Beklagten von den Klägerinnen die im Erdgeschoß des Hauses G, K-Straße Nr. 49 gelegenen Wohnung Nr. 3. Mit Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. April 1978 wurde über das Vermögen des Erstbeklagten das Konkursverfahren eröffnet.
Mit ihren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen erklärten die Klägerinnen die vorzeitige Auflösung des vorgenannten Mietvertrages infolge Säumigkeit der Beklagten mit der Entrichtung des geschuldeten Mietzinses im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB und beantragten, die Beklagten zur Räumung der fraglichen Wohnung sowie zur Entrichtung des aushaftenden Mietzinses von 18 375 S samt Anhang zu verurteilen.
Das Erstgericht stellte mit Beschluß fest, daß im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung (7. Juli 1977) ein Mietzinsrückstand der Beklagten von 6102.70 S ausgehaftet habe. Im übrigen entschied das Erstgericht im Sinne des Räumungsbegehrens, sprach die Beklagten schuldig, den Klägerinnen 6102.70 S zu zahlen, und wies das Mehrbegehren von 12 273 S ab. Das Berufungsgericht hob den vom Erstgericht nach § 21 Abs. 2 Mietengesetz gefaßten Beschluß sowie das Ersturteil in seinem klagsabweisenden Teile auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Hinsichtlich der Räumungsverpflichtung der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht die bezüglich des Zuspruches von 6102.70 S unangefochten gebliebene Entscheidung des Erstgerichtes als Teilurteil.
Der OGH wies wegen der durch die Konkurseröffnung über das Vermögen des Erstbeklagten eingetretenen Verfahrensunterbrechung sämtliche von den Streitteilen erhobenen Rechtsmittel mit Ausnahme der bekämpften Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht hinsichtlich des von der Zweitbeklagten begehrten Mietzinsrückstandes von 12 273.50 S (in diesem Umfange trat keine Verfahrensunterbrechung ein) zurück.
Über Antrag der Klägerin vom 7. März 1979 erklärte das Erstgericht mit dem den Beklagten am 6. April 1979 zugestellten Beschluß vom 2. April 1979, daß das durch die Konkurseröffnung (teilweise) unterbrochene Verfahren wieder aufgenommen werde. Das Rekursgericht ordnete die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens nur hinsichtlich des Räumungsbegehrens an und wies im übrigen den Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Kläger Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her; hingegen wurde der Revision der Beklagten nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Zum Revisionsrekurs:
Aus dem im kurzen Weg beigeschafften, den Erstbeklagten betreffenden Konkursakt ergibt sich, daß die Prüfungstagsatzung am 14. September 1978 stattgefunden hat, in der eine von den Klägerinnen in der dritten Klasse angemeldete Konkursforderung von 76 883.08 S vom Masseverwalter bestritten wurde. Die Mietrechte an der eingangs erwähnten Wohnung wurden dem Erstbeklagten mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 28. Juni 1978 zur freien Verfügung überlassen. Mit Beschluß vom 28. November 1978 sprach das Konkursgericht aus, daß der Konkurs mangels eines kostendeckenden Vermögens aufgehoben werde, wenn nicht binnen 14 Tagen ein Kostenvorschuß von 10 000 S erlegt oder Vermögen des Gemeinschuldners bzw. ein Anfechtungsgrund bescheinigt werden, welche die Verfahrenskosten decken.
Mit diesem Beschluß hat das Konkursgericht jedoch nur die Aufhebung des Konkurses angekundigt, sofern nicht ein Kostenvorschuß von 10 000 S erlegt oder ein die Kosten deckendes Vermögen des Gemeinschuldners bescheinigt wird. Die Aufhebung des Konkurses hätte daher noch eines weiteren Beschlusses bedurft, der bisher vom Konkursgericht nicht erlassen wurde (ZBl. 1935/l 15).
Der Umstand, daß die Mietrechte an der vorgenannten Wohnung dem Erstbeklagten vom Konkursgericht zur freien Verfügung überlassen wurden, hat die Wirkung, daß der Erstbeklagte über diesen aus der Konkursmasse ausgeschiedenen Vermögenswert frei verfügungsberechtigt ist. Die aus diesen Mietrechten abgeleiteten, bereits im Zeitpunkte der Konkurseröffnung bestandenen Mietzinsrückstände des Erstbeklagten sind jedoch als vermögensrechtliche Ansprüche der Rekurswerberinnen gegen den Gemeinschuldner Konkursforderungen (Bartsch - Pollak, Komm. zur KO[3] I, 30) und unterliegen als solche nach § 102 Abs. 1 KO der Anmeldung im Konkurse (Bartsch - Pollak a. a. O., 476 ff.; Fasching II, 775). Der vom Konkursgericht nur in der Begründung seines Beschlusses ausgesprochenen Rechtsansicht, daß der Erstbeklagte (Gemeinschuldner) auch hinsichtlich der aus den überlassenen Mietrechten abgeleiteten Schulden persönlich zur Prozeßführung berechtigt sei, kommt entgegen der Ansicht der Rekurswerberinnen für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bindungswirkung zu.
Der Meinung des Rekursgerichtes, daß das Verfahren hinsichtlich der gegen den Erstbeklagten erhobenen restlichen Mietzinsforderung von 12 273.15 S derzeit nicht fortgesetzt werden könne und daher unterbrochen bleibe, kann jedoch nicht gefolgt werden. Die durch die Konkurseröffnung nach § 7 Abs. 1 KO unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten können nämlich vom Masseverwalter und vom Gegner des Gemeinschuldners (Konkursgläubiger) aufgenommen werden (§ 7 Abs. 2 KO). Allerdings kann der Gegner des Gemeinschuldners bei Ansprüchen, die der Anmeldung im Konkurs unterliegen, einen Fortsetzungsantrag erst nach Abschluß der Prüfungstagsatzung stellen, wenn der Bestand oder der Rang seiner im Rechtsstreit geltend gemachten Forderung bestritten wurde (Fasching II, 775, vgl. auch Sobalik, "Das Klagebegehren im Prüfungsprozeß", RZ 1979, 189 ff.). Hier wurde die von den Rekurswerberinnen im Konkurs gegen den Erstbeklagten angemeldete Forderung von insgesamt 76 883.08 S zur Gänze bestritten. Die Voraussetzungen für die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens auch hinsichtlich des vom Erstbeklagten begehrten Mietzinsrückstandes von 12 273.15 S liegen somit vor. Allerdings tritt hinsichtlich diese Anspruches an Stelle des Erstbeklagten, solange der Konkurs nicht aufgehoben ist, der Masseverwalter in den Prozeß ein. Ihr gegen den Erstbeklagten gerichtetes Geldleistungsbegehren werden allerdings die Rekurswerberinnen im Sinne des § 113 Abs. 1 KO in ein Feststellungsbegehren zu ändern haben. Sollten sie dies unterlassen, wird das Erstgericht im Falle der Bejahung dieses Anspruches von Amts wegen auf Feststellung dieser Forderung im Konkurs zu erkennen und das Leistungsmehrbegehren abzuweisen haben (Fasching II, 780; Sobalik a. a. O., 191; SZ 24/90; Arb. 5898).
II. Zur Revision:
Trotz Fehlens einer Revisionserklärung kann dem Revisionsantrag der Beklagten und deren Vorbringen in ihrer Revisionsschrift eindeutig entnommen werden, daß sie das Teilurteil des Berufungsgerichtes (hinsichtlich des Räumungsbegehrens) zur Gänze bekämpfen (Fasching IV, 59 f., 350). Auch die ziffernmäßige Bezeichnung der geltend gemachten, im § 503 ZPO angeführten Revisionsgrunde ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, wenn sich aus den Revisionsausführungen ergibt, welcher Revisionsgrund behauptet wird (Fasching, Ergänzungsband, 112 f.; EvBl. 1957/208). Die formellen Mängel der Revisionsschrift der Beklagten rechtfertigen daher nicht deren Verwertung. Die Revision ist auch rechtzeitig, weil mit der Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses über die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens an die Revisionswerber am 6. April 1979 alle Fristen zur Vornahme von Prozeßhandlungen, einschließlich der Notfristen von neuem in Gang gesetzt wurden (Fasching II, 779; SZ 9/78).
Die Revisionswerber sind der Ansicht, das Erstgericht hätte den von ihm gefaßten Beschluß über den aushaftenden Mietzinsrückstand nach § 21 Abs. 2 Mietengesetz nicht nur vor Schluß der Verhandlung verkunden, sondern auch den Parteien zustellen müssen. Nur dann hätten nämlich die Revisionswerber die Möglichkeit gehabt, den aushaftenden Mietzins noch vor Schluß der Verhandlung zu entrichten und ein Vorbringen zu erstatten, daß sie am Auflaufen der aushaftenden Mietzinsrückstände kein grobes Verschulden treffe. Durch die Vorgangsweise des Erstgerichtes, das gleich nach Fassung des vorgenannten Beschlusses über den Mietzinsrückstand die Verhandlung geschlossen habe, sei daher den Revisionswerbern diese Möglichkeit genommen worden.
Mit diesen Ausführungen rügen die Revisionswerber eine Verletzung der Bestimmung des § 21 Abs. 2 Mietengesetz, bei der es sich um eine Verfahrensvorschrift handelt (MietSlg. 20 521, 26 332, 29 398 u. a. m.). Das Vorliegen dieses von den Revisionswerbern bereits in ihrer Berufungsschrift geltend gemachten Mangels des Verfahrens erster Instanz wurde jedoch vom Berufungsgericht verneint. Dieser behauptete Verfahrensverstoß kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des OGH im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (JBl. 1969, 399; 1972, 312 und 569).
Anmerkung
Z52144Schlagworte
Mietrechte, Überlassung an Gemeinschuldner, Unterbrochenes Verfahren, Wiederaufnahme nach PrüfungstagsatzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0070OB00692.79.1004.000Dokumentnummer
JJT_19791004_OGH0002_0070OB00692_7900000_000