TE OGH 1979/10/5 13Os87/79

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Veröffentlicht am 05.10.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführers in der Strafsache gegen Anton A und andere wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2 sowie 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Ren'e B und Christian C gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengerichtes vom 19. März 1979, GZ 24 Vr 1117/78-47, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichteshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen der Verteidiger der Angeklagten, Rechtsanwälte Dr. Jelen und Dr. Mühl, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Gemäß dem § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, dahin ergänzt, daß a) dem Angeklagten Ren'e B auch die Vorhaft vom 23. April 1978, 12 Uhr, bis zum 24. April 1978, 16 Uhr, und vom 30. Mai 1978, 6 Uhr 20, bis zum 31. Mai 1978, 16 Uhr, sowie b) dem Angeklagten Anton D auch die Vorhaft vom 30. Mai 1978, 6 Uhr 20, bis zum 31. Mai 1978, 16 Uhr, gemäß dem § 38 Abs 1 Z 1 StPO auf die jeweils verhängte Strafe angerechnet wird.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den beiden Angeklagten Ren'e B und Christian C auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden unter anderem der am 12. September 1961 geborene Installateurlehrling Ren'e B und der am 14. August 1962 geborene Angestellte Christian C neben weiterer Straftaten auch des 'Vergehens' (richtig: Verbrechens) der schweren Nötigung nach den §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB und des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie zusammen mit einem weiteren Mittäter (dem abgesondert verfolgten Erwachsenen Reinhold E) am 18. Jänner 1979 in Linz die Margit F dadurch, daß sie ihr abwechselnd ein Springmesser vor das Gesicht hielten und sie mit dem Zerschneiden des Gesichtes sowie mit dem Abstechen bedrohten, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tode bzw. einer auffallenden Verunstaltung, zum Einführen eines Patentex-Verhütungsmittels in ihre Scheide und zur Durchführung eines Mundverkehrs mit ihnen, sohin zur Unzucht, nötigten. Gegen den Schuldspruch in diesen Punkten wenden sich die Angeklagten Ren'e B und Christian C mit ihren auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 und von Christian C auch jene der Z 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten, getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

I.) Zu den Verfahrens- und Mängelrügen:

Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO rügt der Angeklagte Christian C, daß das Jugendschöffengericht gegen seinen Widerspruch die Akten 25 Vr 2652/77 des Landesgerichtes Linz und 4 U 260/78 des Bezirksgerichtes Linz-Land - beide bedingte Verurteilungen im Sinne des § 13 Abs 1 JGG 1961 betreffend - in das vorliegende Strafverfahren (zur Straffestsetzung im Sinne des Abs 2 dieser Gesetzesstelle) einbezogen hat, wodurch die Gewährung der bedingten Strafnachsicht für die neu abzuurteilenden Straftaten nicht mehr möglich gewesen sei.

Dem ist entgegenzuhalten, daß bei Führung eines neuen Strafverfahrens gegen einen Jugendlichen, gegen den insoweit ein früheres Strafverfahren 'anhängig' ist, als in diesem eine bedingte Verurteilung nach dem § 13 Abs 1 JGG 1961 erfolgte und die Frist für die nachträgliche Straffestsetzung noch nicht abgelaufen ist (vgl Nr 12 zu § 13 JGG in Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze), für den Fall, daß die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Widerruf des Aufschubes sowie auf Festsetzung und Vollziehung der Strafe stellt, in der Regel beide Strafverfahren nach dem § 56 StPO zu vereinigen sind und eine gemeinsame Verhandlung über die Anklage wegen der neuen Tat und den Antrag auf Straffestsetzung bei dem nach der letztgenannten Gesetzesstelle zuständigen Gericht durchzuführen ist; hiebei geht dann, wenn für das neu anhängig gewordene Verfahren ein Gericht höherer Ordnung zuständig ist, die Zuständigkeit zur Erlassung des ausständigen 'Endurteiles' im Sinne der §§ 13 Abs 2 und 46 Abs 4 JGG 1961 trotz des Inhaltes der letztgenannten Gesetzesbestimmung auf dieses über (vgl hiezu Gebert-Pallin- Pfeiffer, III1, Nr 17 zu § 56 StPO und die dort zitierte Judikatur). Das Erstgericht hat daher, indem es dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft, die Akten 25 Vr 2652/77

des Landesgerichtes Linz und 4 U 260/78 des Bezirksgerichtes Linz-Land 'zur nachträglichen Straffestsetzung' in das gegenständliche Verfahren einzubeziehen (Bd IV/ S 16) - womit die Anklagebehörde ersichtlich ein Vorgehen nach dem § 13 Abs 2 JGG 1961 in bezug auf die beiden vorgenannten Strafverfahren begehrte - gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers Folge gab, eine rechtlich zulässige, in derartigen Fällen sogar die Regel bildende Entscheidung getroffen. Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, wurden hiedurch nicht hintangesetzt oder unrichtig angewendet, zumal es dem Gericht unbenommen blieb, nach mündlicher Verhandlung den nach § 46 Abs 4 JGG 1961 gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Festsetzung und Vollziehung der Strafe abzuweisen und die Strafe im neu anhängig gewordenen Verfahren gemäß § 43 StGB bedingt nachzusehen. In Ausführung seiner Mängelrüge erblickt der genannte Angeklagte zunächst einen den insoweit relevierten Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO verwirlichenden Widerspruch darin, daß nach dem Urteilstenor er selbst, Ren'e B und Reinhold E der Margit F 'abwechselnd' ein Springmesser vor das Gesicht hielten (Bd IV/S 34), er nach den Feststellungen in den Urteilsgründen jedoch das Messer nie in der Hand hatte und sich während der Drohungen der anderen schlafend stellte (Bd IV/S 41 und 42).

Dem ist aber zu erwidern, daß eine echte Widersprüchlichkeit im Sinne des angezogenen Nichtigkeitsgrundes nicht vorliegt. Das Erstgericht hat sich in den Urteilsgründen mit den Tatbeiträgen des Beschwerdeführers im besonderen befaßt und diese eindeutig festgestellt. Unter diesen Umständen kommt, der allerdings nicht glücklichen Fassung des Urteilsspruches, so weit darin der Tatbeitrag des Beschwerdeführers umschrieben ist, keine entscheidende Bedeutung zu.

In der Ausführung seiner Mängelrüge fortfahrend, macht der Angeklagte C dem Erstgericht sodann zum Vorwurf, es habe sein Urteil insoweit offenbar unzureichend begründet, als es nicht ausspreche, welchen Sachverhalt es konkret feststelle und seiner rechtlichen Beurteilung zugrundelege. Der genaue Tathergang, insbesondere Art und Umfang seiner eigenen Beteiligung an der Tat bleibe unklar, auch sei dem Urteil nicht zu entnehmen, auf welche Beweismittel es sich stütze und wie es insbesondere zum Ergebnis gelange, er habe Margit F in den Keller, in dem die Tat verübt wurde, gelockt, und dabei gewußt, was mit ihr geschehen solle.

Diese Vorwürfe entbehren jedoch jeder Grundlage.

Das Erstgericht hat nämlich ausdrücklich festgestellt, daß schon am Tage vor der Tat eine Absprache zwischen den Angeklagten B und C stattfand, Margit F am nächsten Tag in den Keller des Lokales 'L*** 2000' zu locken und dort zu 'vergewaltigen', daß die Genannte (nach Ausführung des ersten Teiles dieses Planes) sodann im Keller unter Verwendung eines Messers mit dem Zerschneiden des Gesichtes und dem Abstechen massiv bedroht wurde und ein Verhütungsmittel in ihre Scheide einführen sowie mit den Angeklagten B und C und ihrem erwachsenen Komplizen einen Mundverkehr durchführen mußte, wozu sie sich nur unter dem Druck der erwähnten Drohungen bereit erklärte. Diese Feststellungen, welche zur rechtlichen Beurteilung des faktischen Geschehens völlig hinreichen, gründete das Jugendschöffengericht ausdrücklich auf die Verantwortungen des Beschwerdeführers sowie des Mittäters Rene B vor dem Untersuchungsrichter (Bd III/S 107, bzw. 109 ff), die in der Hauptverhandlung verlesen wurden (Bd IV/S 16), in Verbindung mit den Bekundungen anderer Personen, insbesondere jener der im Vorverfahren als Mitbeschuldigte vernommenen Brüder Johannes und Andreas G (ON 9 und 12 in Bd III, Verlesung Bd IV/S 16) sowie des Reinhold E (pol. Vernehmung Bd III/S 65 - 67, Verlesung Bd IV/S 16) und der Zeugin Margit F (Bd IV/S 6 ff; vgl Bd IV/S 41 - 43).

Was aber Art und Umfang des eigenen Tatbeitrages des Beschwerdeführers anlangt, so traf das Erstgericht auch insoweit konkrete Feststellungen, nämlich jene, daß er schon am Vortag mit B darüber sprach, Margit F am nächsten Tag in den vorerwähnten Keller mitzunehmen und sie dort zu vergewaltigen, auf Grund dieses Einverständnisses die Genannte sodann tatsächlich im Hinblick auf das besprochene Vorhaben in den Keller lockte, wobei er auch jenes Verhütungsmittel mitbrachte, das sich F dann einführen mußte, und sich schließlich während der Drohungen - mit denen er einverstanden war - zwar schlafend stellte, dann aber - nachdem das Mädchen bereits eingeschüchtert war - ebenfalls von Margit F mit dem Mund befriedigen ließ. Auch insoweit finden die Urteilsannahmen in den vom Erstgericht ausdrücklich zitierten, oberwähnten Beweisergebnissen - darunter insbesondere auch der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers im Vorverfahren (Bd III/S 47 ff, S 107 ff) - volle Deckung.

Soweit der Angeklagte C letztlich auch Feststellungen, die dem Bereich der Strafzumessungsgründe angehören, als 'aktenwidrig' rügt, ist er bloß darauf zu verweisen, daß einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) allein solche Begründungsmängel zugänglich sind, welche sich auf 'entscheidende Tatsachen' beziehen. Unter diesen Begriff fallen aber nur solche Tatsachen, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände maßgebend sind. Soweit sich die Beschwerde auf bloße Strafzumessungsgründe bezieht, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl Gebert-Pallin-Pfeiffer, III2, Nr 8 zu § 281 Abs 1 Z 5 StPO).

Auch der Mängelrüge des Angeklagten Christian C kann somit kein Erfolg beschieden sein.

Gleiches gilt für die Mängelrüge des Angeklagten Ren'e B, der unter Anziehung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO dem Jugendschöffengericht vorwirft, aus den getroffenen Feststellungen könne nicht abgeleitet werden, daß die zur Tatzeit gegebene Situation eine Verwirklichung der speziell angedrohten qualifizierten Übel (Tod, auffallende Verunstaltung) im Sinne des § 106 Abs 1 Z 1 StGB habe erwarten lassen, weshalb diese Gesetzesstelle zu Unrecht angewendet worden sei. Denn damit macht dieser Angeklagte der Sache nach keinen - eine Tatfrage betreffenden - Begründungsmangel geltend, sondern behauptet vielmehr, das Erstgericht habe die Erörterung einer Rechtsfrage, welche in die Entscheidungsgründe aufzunehmen gewesen wäre, unterlassen, und wirft damit in Wahrheit bloß die Frage der materiellen Richtigkeit der Unterstellung der ihm als Nötigung (§ 105 StGB) angelasteten Tat auch unter die qualifizierende Bestimmung des § 106 Abs 1 Z 1 StGB auf, zu der jedoch im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge noch Stellung zu nehmen sein wird (vgl Gebert-Pallin-Pfeiffer, III2, Nr 5 und 5 a zu § 281 Abs 1 Z 5 StPO).

II.) Zu den Rechtsrügen:

Rechtlich verfehlt ist die Behauptung des Angeklagten C, passive Anwesenheit am Tatort und späteres 'Nutznießen' der von anderen geschaffenen Lage (nämlich durch das Begehren, Margit F möge auch bei ihm einen Mundverkehr durchführen) genüge für die Annahme strafrechtlicher Verantwortlichkeit als Mittäter in bezug auf das Vergehen nach dem § 204 Abs 1 StGB nicht. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer von urteilsfremden Annahmen ausgeht, weil er nach den Urteilsfeststellungen auch am Tatort aktiv an der Tatbildverwirklichung im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Ren'e B und Reinhold E mitgewirkt hat und überhaupt die treibende Kraft war, kommt diesen Ausführungen aus folgenden Erwägungen keine Berechtigung zu:

Jede Nötigung ist als Erfolgsdelikt erst mit dem Beginn der abgenötigten Handlung, die Nötigung zur Unzucht daher mit dem Beginn der abgenötigten Unzuchtshandlung vollendet, nicht aber schon durch die vom Täter (durch Gewalt oder gefährliche Drohung) geschaffene Zwangslage. Eigenhändigkeit des zweiten Deliktsaktes (Begehung der Unzucht) ist nicht erforderlich, die Bestimmung des § 204 StGB ist vielmehr eine Nötigung besonderer Qualifikation; es ist daher auch die Nötigung zur Begehung oder Duldung einer Unzuchtshandlung mit einer anderen Person nach § 204 StGB strafbar und begeht auch derjenige das Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 StGB als unmittelbarer Täter, der in Kenntnis der vorangegangenen Nötigung des Opfers Unzuchtshandlungen begeht; denn hiedurch setzt er die eingeleitete Willensbeugung fort und verwirklicht sie. Auch wenn, den Angaben des Beschwerdeführers folgend, angenommen würde, der Angeklagte habe sich an den Drohungen mit dem Messer gegenüber Margit F nicht beteiligt, wäre für die Beschwerde somit nichts gewonnen, weil der Angeklagte in Kenntnis der vorangegangenen Drohungen diese (in Richtung auf Unzucht herbeigeführte Zwangslage des Mädchens ausnützte und von ihr die Unzuchtshandlung (Mundverkehr) verlangte, damit aber als unmittelbarer Täter im Sinne obiger Ausführungen anzusehen ist.

Beide Beschwerdeführer bekämpfen unter Relevierung des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO die Beurteilung der an Margit F begangenen Tat auch als Verbrechen der schweren Nötigung nach den §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB. Sie vertreten hiezu die Auffassung, daß der gesamte Vorfall von einem einheitlichen Willensentschluß getragen worden sei, wobei die Täter als Endziel 'die sexuelle Betätigung in dieser oder jener Form ins Auge gefaßt hatten' (C), bzw. Margit F 'zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht werden sollte' (B). Der gesamte Unrechtsgehalt des Tatgeschehens werde bereits durch die Subsumierung unter die Bestimmung des § 204 Abs 1 StGB erfaßt, ohne daß die verschiedenen Stadien der Tatverwirklichung unter gesonderte Strafsanktion gestellt werden dürften. Es handle sich vielmehr um 'gleichartige Einzelhandlungen, die zueinander im Fortsetzungszusammenhang stehen' (B). Die Tat wäre sohin in ihrer Gesamtheit rechtsrichtig nur dem § 204 Abs 1 StGB zu unterstellen gewesen.

Diese Rechtsauffassung kann nicht geteilt werden.

Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die oben wiedergegebenen Beschwerdeausführungen des Angeklagten C, wonach der gemeinsame Tätervorsatz in unbestimmter Weise auf irgendeine sexuelle Betätigung gerichtet gewesen sei, in den Urteilsfeststellungen keine Deckung findet. Diese gehen vielmehr dahin, daß Margit F - wie auch der Angeklagte B in seiner Rechtsrüge ausführt - 'vergewaltigt' d.h. zum außerehelichen Beischlaf gezwungen werden sollte (Bd IV/S 42). Nur dann, wenn es tatsächlich zur rechtswidrigen Erzwingung des Beischlafes - zumindest in Form der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs 1 StGB - gekommen wäre, müßte davon ausgegangen werden, daß sich die Erzwingung der Einführung eines Verhütungsmittels in die Scheide des Opfers als eine in logischem Zusammenhang mit dem deliktischen Endziel stehende Nebenerscheinung und sohin wirklich bloß als ein Stadium auf dem Wege zur Erreichung dieses Endzieles - nämlich der Vollziehung des Beischlafes -

darstellte. Vorliegend sind die Täter aber - wenngleich das Erstgericht in seinen Urteilsgründen nicht näher darauf eingeht - ersichtlich freiwillig vom Versuch der geplanten Erzwingung des Beischlafes zurückgetreten (§ 16 Abs 1 StGB) - andernfalls hätte ein Schuldspruch nach den §§ 15, 202 Abs 1 StGB gefällt werden müssen - und haben statt dessen den (im Sinne der bisherigen Darlegungen zwangsläufig 'neuen') Entschluß gefaßt, ihr Opfer zum Unzuchtsakt des sogenannten Mundverkehrs zu zwingen, weshalb von einem 'einheitlichen Willensentschluß', der das gesamte Tatgeschehen von vornherein umfaßt haben soll, in Wahrheit nicht die Rede sein kann. Dieser Rücktritt vom Versuch (in bezug auf die Erzwingung des Beischlafes) bewirkt aber, daß die - mit der später beschlossenen Tat in keinem sachlich sinnvollen Zusammenhang mehr stehende - Erzwingung der Einführung eines Verhütungsmittels in die Scheide durch Margit F, welche ein vollendetes Geschehen darstellt, das vom Rücktritt von der Erzwingung des Beischlafes nicht berührt wird, einer selbständigen strafrechtlichen Beurteilung zu unterziehen ist. Ohne Rechtsirrtum hat das Erstgericht daher diese Tat - da hier keine Unzuchtshandlung, sondern ein, wenngleich mit der intimen Körpersphäre der Genötigten faktisch im Zusammenhang stehendes, sexuell indifferentes Verhalten erzwungen werden sollte und auch wurde, welches sohin nicht unter die lex specialis des § 204 Abs 1 StGB fällt - als Nötigung nach dem Grundtatbestand des § 105 StGB, die zeitlich nachfolgende, mit ihr aber in keinem Zusammenhang stehende, sondern echt real konkurrierende Erzwingung des Mundverkehrs durch die beiden Beschwerdeführer hingegen als Vergehen der Nötigung nach dem § 204 Abs 1 StGB beurteilt.

Die Beschwerdeführer sind aber auch nicht im Recht, wenn sie schließlich - auch insoweit der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO zur Darstellung bringend - die Unterstellung ihrer als Nötigung gewerteten Tathandlung unter die qualifizierende Norm des § 106 Abs 1 Z 1 StGB bekämpfen. Wenngleich das Erstgericht Rechtsausführungen zu dieser Frage unterlassen hat, so erfolgte die Beurteilung dieser Tat als Verbrechen der schweren Nötigung nach den §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB doch im Ergebnis zu Recht. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung und bedarf daher keiner weiteren Ausführungen, daß ein Mädchen, das sich in einem Kellerraum und somit an einem abgelegenen, einer Hilfe von außen nicht leicht zugänglichen Ort von einer Mehrzahl von Burschen umringt sieht, von denen jeweils einer ihr demonstrativ ein geöffnetes und daher unmittelbar einsatzbereites Fixiermesser vor das Gesicht hält und dabei mit der Zufügung von Schnitten in das Gesicht droht, zumindest die Verwirklichung dieser Drohung - ob auch der weiteren Drohung mit dem 'Abstechen', kann dahingestellt bleiben - ernstlich befürchten muß und einer solchen Drohung daher die in § 74 Z 5 StGB vorausgesetzte Eignung zukommt. Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, daß die Bedrohte nach den Feststellungen, die das Erstgericht entgegen der unrichtigen Behauptung des Beschwerdeführers C, es sei zur Wirkung der Drohung auf das Opfer nichts festgestellt worden, in seinen Urteilsgründen getroffen hat (Bd IV/S 43), im konkreten Fall auch subjektiv tatsächlich so starke Angst hatte, daß sie sich nur unter dem Eindruck der massiven Drohungen mit dem Messer zum Mundverkehr bereit erklärte. Allein schon diese - nach den Umständen sohin objektiv ernstzunehmende und auch subjektiv ernstgenommene - Drohung mit einer 'auffallenden Verunstaltung', als welche Schnittnarben im Gesicht eines jungen Mädchens ohne Zweifel gewertet werden müssen, reicht vollauf für die Annahme der Qualifikation nach dem § 106 Abs 1 Z 1 StGB hin.

Soweit der Angeklagte C vermeint, daß bezüglich seiner Person Feststellungen zur subjektiven Tatseite (hinsichtlich der strafsatzerhöhenden Umstände im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle) fehlten, ist auf die obigen Darlegungen über seine Mittäterschaft zu verweisen.

Da sich demnach auch die Rechtsrügen der Angeklagten Ren'e B und Christian C als verfehlt erweisen, waren ihre somit zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.

III.) Zur Maßnahme nach dem § 290 Abs 1 StPO:

Nach dem Akteninhalt (Bd I/S 146 und 148 sowie ON 3 des unter ON 27 einbezogenen Aktes Vr 1253/78 des Landesgerichtes Linz) haben der Angeklagte Ren'e B sowie der Mitangeklagte Anton D - gegen den das Urteil bereits in Rechtskraft erwachsen ist - auch die im Spruch näher bezeichneten Zeiten in Vorhaft (nämlich polizeilicher Verwahrungshaft) zugebracht, doch ist eine Anrechnung derselben entgegen der Vorschrift des § 38 Abs 1 Z 1 StPO nicht erfolgt. Insoweit haftet dem Urteil des Erstgerichtes daher der Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO an, der vom Angeklagten B in seiner Nichtigkeitsbeschwerde nicht geltend gemacht und, sohin nach § 290 Abs 1 StPO aus Anlaß der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerden von Amts wegen wahrzunehmen sein wird, zumal die nicht angerechnete Haftdauer das Ausmaß der geringsten zeitlichen Freiheitsstrafe von einem Tag übersteigt (vgl 13 Os 202/77). In gleicher Weise wird dieser materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund in Ansehung des Angeklagten Anton D wahrzunehmen sein, der gegen das Urteil kein Rechtsmittel ergriffen hat (vgl SSt 39/42).

Das Erstgericht verurteilte die beiden Angeklagten nach § 129 StGB unter Anwendung der §§ 28 StGB und 11 JGG, Christian C unter gleichzeitiger Straffestsetzung nach § 13 Abs 2 JGG hinsichtlich der Verurteilung des Landesgerichtes Linz vom 3. Februar 1978, 25 Vr 2652/77

und des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 30. Mai 1978, 4 U 260/78, gemäß § 16 JGG zu je einer Rahmenstrafe, und zwar Ren'e B in der Dauer von acht bis zwanzig Monaten, Christian C in der Dauer von neun bis zu zwei Jahren.

Bei der Strafbemessung nahm es bei beiden Angeklagten als erschwerend die Wiederholung der diebischen Angriffe, den hohen Schaden von etwa S 50.000,-, das Zusammentreffen von fünf Straftaten verschiedener Art, bei Ren'e B überdies den raschen Rückfall nach seiner Enthaftung (aus der Untersuchungshaft), bei Christian C die beiden Vorverurteilungen und die Tatsache, daß er im Faktum VI.) des Urteilsspruches die treibende Kraft war, an, als mildernd hingegen das umfassende Geständnis, die teilweise objektive Schadensgutmachung, die vernachlässigte Erziehung und den Umstand, daß es bei den zu Punkt I.) B.) angeführten Diebstahlsfakten beim Versuch geblieben ist, bei Ren'e B überdies die Unbescholtenheit. Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten die Herabsetzung der Freiheitsstrafen und die bedingte Strafnachsicht an. Die Berufungen sind nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig und richtig erfaßt und auch zutreffend gewürdigt. Die über die beiden Angeklagten verhängten Rahmenstrafen entsprechen im Hinblick auf die in den Straftaten manifestierten Gesinnungsmängel durchaus den Anforderungen des § 16 Abs 1 JGG, sodaß keine Veranlassung bestand, das Mindest- oder Höchstmaß der Rahmenstrafen herabzusetzen oder eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe zu verhängen.

Nach Art des kriminellen Verhaltens des Angeklagten Ren'e B und der Tatsache, daß er ungeachtet einer kurzfristigen Untersuchungshaft weitere Straftaten beging, liegen bei ihm die Voraussetzungen des § 43 Abs 2 StGB nicht vor.

Der in dieser Richtung zielende Antrag des Angeklagten Christian C ist nicht berechtigt, weil die gemäß § 13 Abs 2 JGG nachträglich festgesetzte Strafe (wogegen sich der Angeklagte C im Rahmen seiner Berufung gar nicht beschwerte) - und im Falle einer Vereinigung des mit dem Schuldspruch nach § 13 Abs 1 JGG nur vorläufig abgeschlossenen Verfahrens mit dem wegen der neuen Straftat eingeleiteten Verfahren gemäß § 56 StPO die für alle dem Angeklagten zur Last liegenden Straftaten ausgesprochene Gesamtstrafe - nicht nach § 43 StGB bedingt nachgesehen werden kann (EvBl 1974/95).

Anmerkung

E02282

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00087.79.1005.000

Dokumentnummer

JJT_19791005_OGH0002_0130OS00087_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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