Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführers in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1
StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 16. November 1978, GZ. 5 b Vr 1894/78-53, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwaltes Dr. Gahleithner, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manfred A wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Ausspruch, der Angeklagte habe zum Diebstahl eines wertmäßig den Betrag von 5.000 S übersteigenden Fahrzeuges beigetragen, und in der darauf beruhenden rechtlichen Unterstellung der Tat unter die Bestimmung des § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. sowie in deren Qualifikation nach dem § 129 Z. 1 StGB. und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manfred A verworfen.
Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Manfred A werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Manfred A des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. als Beteiligter gemäß dem § 12 StGB. schuldig erkannt. Ihm liegt nach dem Inhalt des Schuldspruchs zur Last, in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1977 in Lignano/Italien dadurch, daß er den abgesondert verfolgten Rudolf B und Karl C beim Wegschieben eines PKWs. der Marke Fiat 125 behilflich war, zur Ausführung der strafbaren Handlung der Genannten beigetragen zu haben, die in Gesellschaft als Diebsgenossen eine fremde bewegliche Sache in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich den vorerwähnten PKW. einem unbekannten Eigentümer durch Aufbrechen des Schwenkfensters, somit durch Einbruch, mit dem Vorsatz wegnahmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Mit seiner gegen diesen Schuldspruch gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde releviert der Angeklagte Manfred A die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. Soweit der Beschwerdeführer in Bekämpfung seiner vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Mitwirkung an dem im Urteilsspruch näher bezeichneten Diebstahl (durch Mithilfe beim Wegschieben des Fahrzeuges) im Rahmen seiner Mängelrüge darauf abzielt, die Glaubwürdigkeit der ihn belastenden Angaben der wegen dieses Diebstahls abgesondert verfolgten (deshalb auch bereits abgeurteilten) und (daher) im vorliegenden Verfahren als Zeugen vernommenen (Mit-) Täter Rudolf B und Karl C zu erschüttern, indem er entgegen der im Ersturteil verneinten feindseligen Einstellung der Genannten ihm gegenüber nunmehr eine solche aus einzelnen Passagen ihrer Aussagen abzuleiten und ihnen als Motiv für die von ihm behauptete Falschbezichtigung zu unterstellen sucht, vermag er einen formellen Begründungsmangel im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. nicht aufzuzeigen; er bekämpft damit vielmehr nach Inhalt und Zielsetzung dieser Ausführung nur nach Art einer Schuldberufung in einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Weise die freie Beweiswürdigung des Schöffengerichtes und bringt sohin mit diesem Teil seiner Beschwerdeausführungen den vorerwähnten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Es liegt aber auch die vom Beschwerdeführer in weiterer Ausführung der Mängelrüge behauptete Unvollständigkeit im Ausspruch des Ersturteils über seine Tatbeteiligung nicht vor, die seiner Meinung nach in der Nichtberücksichtigung von Widersprüchen in den Angaben der beiden vorerwähnten Belastungszeugen gelegen sein soll. Das Ersturteil überging nämlich entgegen diesem Beschwerdeeinwand keineswegs mit Stillschweigen, daß die Schilderungen des urteilsgegenständlichen PKW-Diebstahls durch diese Zeugen in einigen Details differieren. Es zeigte aber in diesem Zusammenhang zutreffend auf, daß diese nach Überzeugung des Erstgerichtes durch die zwischen den einzelnen Aussagen gelegenen (längeren) Zeiträume und die dadurch bedingte Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens durchaus erklärbaren Abweichungen nur nebensächliche Tatumstände, nicht aber den wesentlichen Kern ihrer Darstellung über die Mitwirkung des Angeklagten am PKW-Diebstahl (durch dessen Mithilfe beim Wegschieben des Fahrzeuges von seinem ursprünglichen Abstellort) betreffen (S. 337, 338 d.A.). Im übrigen ist das Gericht gemäß dem § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. keineswegs verhalten, in den Urteilsgründen alle durch das Beweisverfahren hervorgekommene Umstände einer Erörterung zu unterziehen und etwa auf alle Einzelheiten einer Zeugenaussage einzugehen und zu allen Punkten einer Aussage Stellung zu nehmen, vor allem wenn diese keine entscheidenden Tatsachen betreffen. Es genügt vielmehr, wenn im Urteil - in gedrängter Darstellung - die für die Unterstellung unter ein bestimmtes Strafgesetz entscheidenden Tatsachen bezeichnet werden, die das Gericht als erwiesen annimmt, und die Gründe angeführt werden, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme geführt haben. Dieser Verpflichtung ist das Erstgericht, soweit es die Feststellung über die Beteiligung des Angeklagten an dem in Rede stehenden PKW-Diebstahl anlangt, in zureichendem Maß nachgekommen. Im einzelnen ist zu den vom Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge relevierten Widersprüchen und Abweichungen in den verschiedenen Aussagen der Zeugen B und C zu bemerken, daß es keine für seinen Schuldspruch entscheidende Tatsache betrifft, ob er von der dem PKW-Diebstahl vorangehenden Absprache zwischen Rudolf B und Karl C Kenntnis hatte und sich allenfalls sogar an dem von den beiden darüber geführten Gespräch beteiligte, weil im Ersturteil - zugunsten des Angeklagten - angenommen wird, daß er zunächst (bis zu seiner Mitwirkung am Diebstahl durch Anschieben am Fahrzeug) von dem Diebstahlsvorhaben der Vorgenannten nichts wußte (S. 323 d.A.). Desgleichen ist es letztlich unerheblich, ob Rudolf B oder Karl C oder beide gemeinsam den Angeklagten schließlich zur Mithilfe (beim Wegschieben des Fahrzeuges) herbeigeholt hatten.
Es erübrigten sich auch weitere Erörterungen im Ersturteil über die verschiedenen Angaben dieser beiden Zeugen darüber, wer von ihnen in Ausführung des Diebstahlsvorhabens das Seitenschwenkfenster des Fahrzeuges (mittels eines Schraubenziehers) aufgebrochen hatte, weil das gewaltsame §ffnen des Fahrzeuges an sich sowohl von Rudolf B als auch von Karl C unbestritten blieb, der Angeklagte jedoch nach den Urteilsfeststellungen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht am Tatort weilte, sondern erst nachher (zur Mithilfe beim Wegschieben des Fahrzeuges) herbeigeholt wurde (vgl. S. 324 d. A.); ebenso konnte im Ersturteil ein Eingehen auf die näheren, für den Schuldspruch des Angeklagten aber gar nicht entscheidenden Umstände des erst fernab vom Tatort (außerhalb von Lignano) vorgenommenen Wechsels der Kennzeichentafeln am gestohlenen Fahrzeug (durch Montage von österreichischen Kennzeichentafeln an Stelle der ursprünglich am Fahrzeug angebrachten italienischen; vgl. S. 325 d. A.) unterbleiben. Das Erstgericht nahm aber auch auf die Aussage der Zeugin Dana D ausreichend Bedacht und legte zutreffend dar, daß für den Angeklagten aus deren ihn an sich nicht belastenden Angaben nichts zu gewinnen ist, weil sie beim PKW-Diebstahl nicht zugegen war und darüber nichts zu berichten wußte (S. 339, 341 d.A.). Die Urteilsfeststellung, daß sich der Angeklagte (spätestens) im Zeitpunkt seiner Tatbeteiligung (durch Anschieben am Fahrzeug) seiner Mitwirkung an einem PKW-Diebstahl bewußt war (S. 324 d.A.), konnte schließlich das Erstgericht - entgegen den bezüglichen, der Sache nach einen Begründungsmangel relevierenden Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. - denkrichtig und schlüssig daraus ableiten, daß der unter Mithilfe des Angeklagten von seinem ursprünglichen Abstellplatz weggeschobene grünfarbige PKW, Marke Fiat 125, mit dem dem Rudolf B gehörigen weißen PKW, Marke Ford-Taunus, den der Angeklagte gemeinsam mit Rudolf B und Karl C zur Anreise nach Lignano benützt hatte, nicht identisch war (S. 357 d.A.) und dies auch dem Angeklagten bekannt war (S. 324 d.A.); darüber hinaus konnte es sich auf die auch insoweit belastenden Angaben der Zeugen B (vgl. S. 133 und 309 d.A.) und C (S. 314 d.A.) stützen (S. 341 d.A.). Soweit jedoch der Beschwerdeführer zur Entkräftung der Urteilsfeststellung, er habe bei diesem PKW-Diebstahl mitgewirkt, die seiner Meinung nach unberücksichtigt gebliebene Aussage des Zeugen B vor dem Untersuchungsrichter (ON. 14) ins Treffen führt, übergeht er die Deposition dieses Zeugen (auch) anläßlich dieser Vernehmung, derzufolge sich der Beschwerdeführer am Wegschieben des PKWs. beteiligt hat (S. 111 d.A.).
Die auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Rechtsrüge erweist sich, soweit der Beschwerdeführer damit eine Tatbeurteilung nach dem § 136 StGB. anstrebt, als nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil er sich hiebei über die ausdrückliche Urteilsfeststellung hinwegsetzt, daß (auch) der Beschwerdeführer (beim Wegschieben des Fahrzeuges) mit Diebstahlsvorsatz handelte (der die Vorstellung miteinschließt, das Fahrzeug dem Berechtigten in der Folge nicht mehr zukommen zu lassen), sodaß für die Annahme eines bei ihm im Tatzeitpunkt vorliegenden, bloß auf den vorübergehenden Gebrauch des Fahrzeuges gerichteten Vorhabens - auf das sich der jede Tatbeteiligung leugnende Angeklagte selbst nicht beruft und das auch sonst nach den Umständen des Falles nicht indiziert war - und somit für eine Unterstellung der Tat (bloß) unter den Tatbestand des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 StGB. kein Raum verbleibt. Der Hinweis des Beschwerdeführers in seiner Rechtsrüge, daß nach den Urteilsannahmen nicht er, sondern ausschließlich Rudolf B, der in der Folge allein den gestohlenen PKW.
benützt hatte, bereichert worden sei, schlägt, sofern er damit - der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. relevierend - für seine Person das Vorliegen eines für den Tatbestand des Diebstahls essentiellen, auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes verneint, schon deshalb nicht durch, weil Diebstahl auch derjenige verantwortet, der eine fremde bewegliche Sache einem anderen mit dem Vorsatz wegnimmt, einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Hingegen ist die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten insoweit berechtigt, als sie unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. die Annahme eines 5.000 S übersteigenden Wertes des gestohlenen PKWs.
im Ersturteil sowie die Urteilsfeststellung, daß sein (bedingter) Vorsatz auch ein - vor seiner Mitwirkung an dem PKW-Diebstahl erfolgtes - Aufbrechen (des Schwenkfensters) des Fahrzeuges durch die beiden Komplizen B und C und somit eine Tatbegehung durch Einbruch (§ 129 Z. 1 StGB.) umfaßte, als offenbar unzureichend begründet bezeichnet.
Denn die laut dem Ersturteil einzige für die Wertannahme des Gerichtes maßgebliche Erwägung, es sei nicht anzunehmen, daß Rudolf B einen beschädigten PKW stehle, es könne 'daher durchaus angenommen werden, daß der gegenständliche PKW, Marke Fiat 125 S, Baujahr 1969, einen Wert von mehr als 5.000 S darstellte' (S. 357/358 d.A.), läßt nach den Denkgesetzen und den allgemeinen Lebenserfahrungen noch keinen folgerichtigen Schluß auf die hier zu begründende Tatsache eines 5.000 S übersteigenden Wertes des gestohlenen Fahrzeuges zu, weil bei der Feststellung des der Wertberechnung zugrundezulegenden Zeitwertes (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/281) neben dem Alter auch dem technischen und allgemeinen Erhaltungszustand des Fahrzeuges entscheidende Bedeutung zukommt.
Dieser Gesichtspunkt blieb im Ersturteil völlig unberücksichtigt, auch die bisherigen Verfahrensergebnisse bieten keine zur Beurteilung des vorerwähnten Kriteriums ausreichenden Anhaltspunkte. Auch die für die Annahme der Qualifikation nach dem § 129 Z. 1 StGB. in subjektiver Hinsicht wesentliche Feststellung, der Angeklagte habe billigend in Kauf genommen und sich damit abgefunden, daß der PKW. von B oder von C gewaltsam geöffnet worden sei, durfte vom Erstgericht nicht allein aus der Prämisse abgeleitet werden, daß ein über Nacht auf der Straße abgestellter PKW grundsätzlich verpserrt sei (S. 357 d.A.); zeigt doch die allgemeine und forensische Erfahrung, daß Fahrzeuge auch häufig unversperrt auf der Straße geparkt werden.
Das angefochtene Urteil ist demnach in diesen beiden Punkten mit Begründungsmängeln im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet, sodaß in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten spruchgemäß zu entscheiden war.
Anmerkung
E02302European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00068.79.1011.000Dokumentnummer
JJT_19791011_OGH0002_0130OS00068_7900000_000