TE OGH 1979/10/11 13Os112/79

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Veröffentlicht am 11.10.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführers in der Strafsache gegen Günther A wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Jugendschöffengerichtes vom 3. April 1979, GZ 6 Vr 764/78-21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwaltes Dr. Stowasser, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, nämlich dahin Folge gegeben, daß gemäß dem § 43 Abs 1 StGB die über den Angeklagten verhängte Strafe unter Setzung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22. Jänner 1961 geborene Maurerlehrling Günther A des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er am 11. Mai 1978 in Grünburg vor dem dortigen Bezirksgericht in der Strafsache gegen (seinen Bruder) Reinhold A wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (zu AZ U 247/77 des genannten Gerichtes) in der Hauptverhandlung als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die unwahren Behauptungen, Manfred B sei am 21. August 1977 vor dem Haus gewesen und bei einem Auto am Parkplatz gestanden, sowie, Reinhold A und Horst C hätten sich zunächst die Hand gegeben, sodann seien er und Reinhold A weggegangen und darnach habe Horst C geschrien:

'Au, der Manfred hat mir eine geschnalzt, au, mein Aug' ', vorsätzlich falsch ausgesagt hat.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft Günther A mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch Berechtigung nicht zukommt:

Die Verfahrensrüge, mit welcher der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Einvernahme des Zeugen Horst C vor dem erkennenden Gericht (S 128 dA) bekämpft, versagt, weil das Schöffengericht, gedeckt durch die beiden Postfehlberichte ON 15 und ON 18 und den vom Erstgericht (sS 128 dA) bezogenen Bericht der Gendarmerie vom 12. März 1979 (S 99 dA), mit Recht davon ausgehen konnte, der Aufenthalt dieses Zeugen sei weiterhin unbekannt und es sei demnach nicht möglich, den Zeugen in absehbarer Zeit zur Vernehmung stellig zu machen (vgl EvBl 1973/140). Dieser Annahme standen die nur unbestimmten Angaben des Angeklagten, er habe gehört, daß C angeblich in Wartberg wohnen solle, er wisse aber nicht, wer ihm (dem Angeklagten) dies mitgeteilt habe (sS 128 oben dA), nicht entscheidend entgegen. Dadurch, daß sich das Erstgericht - jedenfalls gedeckt durch § 252 Abs 2 StPO - mit der Verlesung der Angaben des Horst C beim Gendarmeriepostenkommando Grünburg vom 22. August 1977 (sS 11 der Ablichtungen aus U 247/77 des Bezirksgerichtes Grünburg) sowie nach hiezu erklärtem Einverständnis der beiden Parteien (sS 113 dA) mit der Verlesung der Zeugenaussage des Horst C in diesem Verfahren gegen Reinhold A in der Hauptverhandlung vom 11. Mai 1978 (S 13/15 des Hauptaktes) begnügte und dem dann gegen Schluß der gegenständlichen Hauptverhandlung von der Verteidigung gestellten Antrag auf persönliche Vernehmung des Zeugen Horst C abwies (S 128 dA), wurde der Beschwerdeführer mithin in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.

Die Mängelrüge stellt sich im wesentlichen bloß als Versuch einer im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof unzulässigen und daher unbeachtlichen Beweiswürdigungsbekämpfung dar. Das Erstgericht hat die Gründe seiner zu Ungunsten des (leugnenden) Angeklagten ausgefallenen Beweiswürdigung ausführlich und für jeden Zeugen gesondert dargelegt (sS 139 ff dA), wobei es sich dabei unter anderem auch auf den persönlichen Eindruck der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen und des Angeklagten stützen konnte. Zu einer Bejahung der Glaubwürdigkeit und der Beweiskraft der Bekundungen des Zeugen Horst C war das Erstgericht, was der Beschwerdeführer verkennt, durchaus - wie schon im angefochtenen Urteil (sS 141 dA) deklariert - auch ohne Berücksichtigung der gegen Reinhold A (im Verfahren U 247/77 des Bezirsgerichtes Grünberg) bzw gegen Rosa A und Berthold D (im Verfahren 8 b E Vr 774, 775/78 des Kreisgerichtes Steyr) ergangenen Urteile, nämlich eben auf Grund der (zulässigerweise) verlesenen Aussagen des Horst C in der Lage. Auch stellt es entgegen der Meinung des Beschwerdeführers keinen Nichtigkeit begründenden inneren Widerspruch des Urteils dar, daß das Gericht darin bei der Beurteilung der Übereinstimmung von Zeugenaussagen (innerhalb zweier Zeugengruppen) beweismäßig zu verschiedenen Ergebnissen gelangte (vgl SSt 27/38). Begründungsmängel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO haften sohin der vom Beschwerdeführer nach Art einer gegen schöffengerichtliche Urteile im Gesetz nicht vorgesehenen Schuldberufung bekämpften Beurteilung der verwerteten Beweismittel nicht an, zumal diese Beurteilung auf Grund schlüssiger Erwägungen erfolgte und eine zwingende Beweisführung für eine mängelfreie Urteilsbegründung nicht erforderlich ist (§ 258 Abs 2 StPO; RZ 1969, 68).

Soweit sich der Beschwerdeführer aber in Ausführung des bezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gegen die Auffassung des Erstgerichtes wendet, daß bei ihm für den Tatzeitpunkt eine (schuldausschließende) 'verzögerte Reife' im Sinn des § 10 JGG nicht angenommen werden könne (und damit der Sache nach den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO, allenfalls außerdem noch den der Z 5 dieser Gesetzesstelle wegen diesem Ausspruch angeblich anhaftender Begründungsmängel geltend macht), ist ihm folgendes zu erwidern:

Zunächst hat das Erstgericht bei der hier bekämpften Beurteilung ohnedies die vom Beschwerdeführer reklamierten Umstände seines schlechten Schulerfolges (Repetieren in der Volks- und in der Hauptschule) und seines Lehrlingsstatus in einem Alter von (bereits) 18 Jahren in Betracht gezogen (sS 136, 141 dA), ist aber dennoch auf Grund des von ihm in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruckes und der Art seiner Verantwortung, die auch im Verhandlungsprotokoll (ON 20) ihren Niederschlag gefunden hat, zum Ausschluß einer die Diskretionsoder Dispositionsfähigkeit des Angeklagten entscheidend beeinträchtigenden Reifeverzögerung im Sinne des § 10 JGG gelangt.

Diese Beurteilung, für deren Richtigkeit überdies der Inhalt der in der Hauptverhandlung verlesenen und erörterten (sS 107 und 128 dA) Jugenderhebungen ON 3 und die Begehungsweise der - motivierbaren - Tat spricht, ist - in rechtlicher Beziehung - unbedenklich, weil schlechter Schulerfolg an sich noch keine Entwicklungshemmung außergewöhnlichen Grades darstellt, die verläßliche Rückschlüsse auf eine erhebliche Unreife des zur Tatzeit noch jugendlichen Beschwerdeführers zuließe oder gar, wie er anscheinend meint, ipso iure zur Annahme des Schuldausschließungsgrundes des § 10 JGG führen müßte (EvBl 1960/79 ua). Da das zweimalige Schulrepetieren des Angeklagten naturgemäß zu einer Verlängerung seiner Schulzeit führte, kommt schon deshalb auch seinem Lehrlingsstatus (übrigens im 3. Lehrjahr) im Alter von 18 Lebensjahren keine symptomatische Bedeutung in dieser Richtung zu. Die - in tatsächlicher Richtung zureichend begründete - Urteilsannahme, daß dem Angeklagten keine 'verzögerte Reife' zugutegehalten werden könne, beruht demnach auch auf keinem Rechtsirrtum.

Die Zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

war daher zu verwerfen.

Auf die beim Obersten Gerichtshof am 27. 8. 1979

eingelangte Eingabe des Angeklagten, die mit 'Ergänzung der schriftlichen Rechtsmittelausführung' bezeichnet ist, konnte nicht näher eingegangen werden, weil das Gesetz nur eine einzige Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde kennt und Ausführungen in Raten, selbst wenn sie innerhalb der 14tägigen Ausführungsfrist erfolgen (was hier nicht zutrifft) unzulässig sind (SSt 39/37). Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 288 Abs 1 StGB unter Anwendung der §§ 11 JGG und 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je S 90,-, im Falle der Uneinbringlichkeit zu 50 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung nahm es als erschwerend keinen Umstand an, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, daß der Angeklagte aus Mitleid mit seinem Bruder Reinhold A gehandelt hatte und mit Manfred B verfeindet ist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze und die bedingte Strafnachsicht an. Die Berufung ist teilweise begründet.

Was das Strafmaß anlangt, so hat das Erstgericht die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig und richtig erfaßt sowie auch zutreffend gewürdigt.

Die über den Angeklagten verhängte Strafe entspricht seiner Schuld und dem Unrechtsgehalt der Tat, sodaß für die Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze keine Veranlassung bestand.

Hingegen wendet sich die Berufung mit Recht gegen die Nichtanwendung der bedingten Strafnachsicht.

Spezialpräventive Erwägungen erfordern nicht die Vollstreckung der Strafe, weil im Hinblick auf die Unbescholtenheit des Angeklagten, sein Alter und seine soziale Integration anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Vollziehung allein genügen wird, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Bei Beurteilung der Frage, ob der Vollzug einer (Geld- oder Freiheits-) Strafe generalpräventiv erforderlich ist, kommt es darauf an, ob die bedingte Nachsicht der ausgesprochenen Strafe die Motivationskraft der Rechtsnormen überhaupt und insbesondere der in Betracht kommenden Bestimmung hinlänglich aufrechterhalten kann. Dabei ist auf die besondere Lage des Einzelfalles abzustellen und eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Es ist daher unter Würdigung des Schuldund Unrechtsgehaltes der Tat jeweils zu prüfen, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen, insbesondere der gleichen Art, durch andere entgegenzuwirken.

Dies trifft hier nicht zu. Der Schuldgehalt der Tat liegt unter dem des Regelfalles, weil der (geistig primitive) Angeklagte offensichtlich unter dem Druck seiner Familie seinem Bruder helfen wollte. Auch der Unrechtsgehalt der Tat fällt nicht allzusehr ins Gewicht, weil die falsche Beweisaussage keine Folgen für den davon Betroffenen hatte (anders, wenn etwa die falsche Beweisaussage zu einer ungerechtfertigten Verurteilung geführt hätte). Im Hinblick auf diese Umstände stehen daher Belange der Generalprävention der Gewährung der bedingten Strafnachsicht nicht entgegen. Es war der Berufung des Angeklagten daher teilweise Folge zu geben und die verhängte Geldstrafe bedingt nachzusehen.

Anmerkung

E02279

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00112.79.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19791011_OGH0002_0130OS00112_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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