Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stach als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang A wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 StGB.
und der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28.Mai 1979, GZ. 4 b Vr 9516/78-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Arthur Fleischanderl, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 5 (fünf) Monate herabgesetzt. Im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14.November 1951 geborene, zuletzt beschäftigungslose Koch Wolfgang A des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. und des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 8.August 1978 in Wien 1. (morgens) seine Ehegattin Rosemarie A durch Versetzen einiger wuchtiger Schläge gegen den Kopf und Gesicht, die eine Weichteilschwellung im Bereich der Stirn und des rechten Jochbeinbogens sowie ein Hämatom an der Unterlippe und eine kleine Platzwunde der Schleimhaut der Unterlippe zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzte, 2. (nachmittags) sich, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzte und im Rausch eine Handlung beging, die ihm außer diesem Zustand als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106
Abs. 1 Z. 1 StGB. zugerechnet würde, indem er Rosemarie A durch die Äußerung 'Wenn du mir nicht sofort das Geld gibst, erwürg' ich dich und werf' dich beim Fenster hinunter', sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zur Bezahlung einer offenen (Taxi-)Rechnung nötigte.
Die auf Z. 5 und 9 lit a (der Sache nach auch Z. 10) des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich inhaltlich nur gegen den Schuldspruch wegen Vergehens nach § 287 Abs. 1 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes).
Mit seiner Berufung bekämpft er den Strafausspruch. Die aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund gerügte Unvollständigkeit der Entscheidungsbegründung liegt indes nicht vor:
An mehreren Stellen der Urteilsgründe wird nämlich auf die Aussage der Zeugin Rosemarie A in der Hauptverhandlung Bezug genommen und beweiswürdigend ausgeführt, daß daraus das Bestreben zu erkennen sei, im Hinblick auf eine zwischen den Ehegatten stattgefundene Versöhnung und den durch Zeitablauf gemilderten Eindruck der Vorfälle den Angeklagten nicht zu sehr zu belasten; Erwähnung findet dabei auch der - in der Zurücknahme der unter dem Gesichtspunkt einer gefährlichen Drohung zunächst erteilten Verfolgungsermächtigung (§ 107 Abs. 4 StGB.) objektivierte (S. 25) - Versuch der Zeugin, die Anzeige rückgängig zu machen (S. 195, 198). Damit legte aber das Schöffengericht ausreichend dar, daß (und warum) es gerade den in der Beschwerde zitierten - vom Anzeigevorbringen abweichenden - Bekundungen der Zeugin Rosemarie A vor Gericht keine Glaubwürdigkeit beizumessen vermochte. Keineswegs übergangen, sondern in den Urteilsgründen ausdrücklich gewürdigt (S. 195) erscheint auch die Aussage der Zeugin Andrea B, deren gleichfalls in der Beschwerde herausgestellte Deposition aber, sie habe die drohende Äußerung des Angeklagten nicht ernst genommen, keiner besonderen Erörterung bedurfte. Denn ob einer Drohung die im § 74 Z. 5 StGB. geforderte Eignung zukommt, dem Bedrohten nach den Umständen des Falles begründete Besorgnisse einzuflößen, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (ÖJZ-LSK. 1976/192). Daß aber - was für die rechtliche Annahme einer vollendeten Nötigung wesentlich ist -, Rosemarie A die Drohung ernst nahm (und dadurch zu der ihr abgenötigten Handlung bestimmt wurde), schloß die Zeugin Andrea B nicht aus (S. 133).
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. wird in der Beschwerde nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, da diese - an die, wie dargetan, unbegründete Mängelrüge anknüpfend - daran festhält, Rosemarie A sei durch die drohende Äußerung des Beschwerdeführers gar nicht eingeschüchtert worden, und sich solcherart zu den eindeutig gegenteiligen Urteilsfeststellungen in Widerspruch setzt. Werden diese der Beurteilung zugrundegelegt, so kann von einer den (Grund-) Tatbestand der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. nicht verwirklichenden bloßen 'Unmutsäußerung' keine Rede sein.
Mit dem weiteren Einwand, die Rauschtat sei zu Unrecht als schwere Nötigung nach § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB.
beurteilt worden, macht der Beschwerdeführer eine unrichtige Subsumtion des 'verdeckten' Delikts und sohin der Sache nach eine Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 10
StPO. geltend (ÖJZ-LSK. 1978/158); dies jedoch zu Unrecht:
Denn aus der dem Urteil zu entnehmenden Konstatierung des Schöffengerichtes, Rosemarie A habe auf Grund der Drohung des Angeklagten, er werde sie erwürgen und beim Fenster hinunterwerfen, tatsächlich berechtigte Angst um ihr Leben gehabt (S. 194, 197), ergibt sich schlüssig, daß die solcherart Bedrohte den Eindruck gewinnen konnte (und auch tatsächlich gewann), der Angeklagte sei in der Lage und willens, ihren Tod herbeizuführen (vgl. ÖJZ-LSK. 1975/218). Daß eine solche Wirkung seiner Drohung vom Angeklagten auch gewollt war, unterliegt nach den Urteilsfeststellungen, denen zufolge die gegenständliche Rauschtat einen (uneingeschränkt auf die erzielte Wirkung gerichteten) Willensakt des Angeklagten darstellte (S. 198, 199), gleichfalls keinem Zweifel.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Wolfgang A wurde nach § 287 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen zweier Straftaten, als mildernd das Geständnis zum Verletzungsfaktum und die Fürbitte der Ehegattin. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafausmaßes (unter Anwendung des § 41 StGB.) und bedingte Strafnachsicht nach § 43 StGB.
Die Berufung ist teilweise berechtigt.
Das Erstgericht hat zwar die Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt, ist jedoch durch Überbewertung des begangenen Unrechtes zu einer zu strengen Strafe gekommen. Wenn man berücksichtigt, daß es sich um Vorfälle innerhalb der Familie handelt und die (allein) betroffene Ehegattin dem Angeklagten bereits verziehen hat, entspricht eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten durchaus dem Schuldgehalt der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten. Die Anwendung des § 43 StGB., aber auch die des § 37 StGB. kam schon deswegen nicht in Betracht, weil der Angeklagte mehrfach, zum Teil auch einschlägig vorbestraft ist und weder bedingte Strafnachsicht noch die Verhängung einer empfindlichen Geldstrafe geeignet waren, ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.
Oberter Gerichtshof, Wien, am 11.Oktober 1979.
Anmerkung
E02265European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00111.79.1011.000Dokumentnummer
JJT_19791011_OGH0002_0120OS00111_7900000_000