Norm
ABGB §1392Kopf
SZ 52/149
Spruch
Der Versicherungsnehmer in der Kfz-Haftpflichtversicherung hat auch nach Zession von Haftpflichtansprüchen die Obliegenheit der Verständigung des Versicherers von der gerichtlichen Geltendmachung, auch Kompensandoeinwendung, von Gegenansprüchen zu erfüllen. Die Nichtüberbindung der Obliegenheit an den Zessionar trotz Kenntnis der Geltendmachung solcher Gegenforderungen und eigene Untätigkeit ist mindestens grob fahrlässig. Leistungsfreiheit des Versicherers wirkt auch gegen den Zessionar
OGH 18. Oktober 1979, 7 Ob 45/79 (Hg Wien 1 R 113/79; BgHS Wien 10 C 3525/78)
Text
Das bei der Beklagten gegen Haftpflicht versicherte und von Walter M gehaltene Taxi mit dem polizeilichen Kennzeichen W 41.752 war am 11. Dezember 1972 in einen Unfall mit einem dem Erich H gehörenden Fahrzeug verwickelt. Walter M erstattete an die Beklagte eine schriftliche Schadensmeldung, derzufolge der Unfall allein vom Lenker des Gegenfahrzeuges verschuldet worden sei, während H seiner Haftpflichtversicherung eine gegenteilige Schadensmeldung erstattete. Als die Beklagte von dem Inhalt der Schadensmeldung des H Kenntnis erlangte, forderte sie M zur Stellungnahme auf. M teilte hierauf der Beklagten mit, seine Unfallsdarstellung sei richtig, und er verlange, die Beklagte solle die Forderung des H nicht bezahlen, weil er selbst sonst den Schadenersatzbetrag für die Risikoausgleichsgemeinschaft der Taxifahrer zahlen müsse
Auch der Klagevertreter Dr. B forderte die Beklagte auf, den Schaden des H keinesfalls zu liquidieren. Er wolle vielmehr den Schaden des M gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung in voller Höhe geltend machen. Hierauf teilte ein Angestellter der Beklagten dem Dr. B bei einer telefonischen Rücksprache mit, die Beklagte habe ablehnend an die gegnerische Versicherung geschrieben und warte die Klage ab. Dieses Schreiben wurde am 5. April 1973 abgesendet.
Auf Grund einer Zession durch M begehrte hierauf die nunmehrige Klägerin. Am 23. Mai 1973 von H den gesamten Schadensbetrag in der ursprünglichen Höhe von 20 431 S. Letztlich endete dieses Verfahren mit Urteil des OGH vom 2. Juni 1976, 8 Ob 70/76, in welchem eine Verschuldensteilung von 2: 1 zu Lasten des H angenommen wurde, und mit dem Ausspruch, daß die Klagsforderung mit 13 620.67 S zu Recht, mit 6810.33 S nicht zu Recht, dagegen die bereits in der Klagebeantwortung aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung des H mit 6810.33 S zu Recht und im übrigen nicht zu Recht bestehe. H wurde demnach zur Zahlung von 6810.34 S samt Zinsen an die Klägerin verurteilt. Diese mußte aber Hein Drittel der Verfahrenskosten aller drei Instanzen, das sind 7321.46 S, ersetzen. Von diesem Prozeß wurde die Beklagte erst nach seiner Beendigung verständigt. Sie hat hierauf jenen Betrag ersetzt, bezüglich dessen die Forderung des H als zu Recht bestehend erkannt worden war, lehnt aber den Ersatz der im Vorprozeß aufgelaufenen Kosten mit der Begründung ab, sie sei von der Einleitung dieses Verfahrens und insbesondere von der Kompensandoeinwendung nicht verständigt worden, was eine Obliegenheitsverletzung begrunde, die zur Leistungsfreiheit bezüglich der Prozeßkosten führe.
Mit der Behauptung, M habe ihr sämtliche Ansprüche aus dem Unfall, insbesondere auch die Ansprüche nach § 150 VersVG mündlich zediert, verlangt die Klägerin im gegenständlichen Verfahren den Ersatz der von ihr bezahlten Prozeßkosten von 7321.46 S.
Die Beklagte wendete neuerlich ihre Leistungsfreiheit bezüglich dieses Betrages wegen der begangenen Obliegenheitsverletzung ein und bestritt die aktive Klagslegitimation mit der Begründung, der Klägerin seien nur die Ansprüche aus dem Verkehrsunfall abgetreten worden. Darunter könnten nur Schadenersatzansprüche gegen die Gegenseite, nicht aber auch Ansprüche nach § 150 VersVG verstanden werden.
Im zweiten Rechtsgang hat das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben und hiebei festgestellt, daß M seine Ansprüche aus dem Verkehrsunfall an die Klägerin abgetreten hatte. Rechtlich vertrat es den Standpunkt, eine derartige Abtretung umfasse auch Ansprüche auf Gewährung von Versicherungsschutz wegen des Verkehrsunfalles. Die Klägerin sei daher aktiv legitimiert. Zwar liege eine Obliegenheitsverletzung nach Art. 8 Abs. 2 Z. 1 lit. b und c AKHB vor, doch mache dies die Beklagte nicht leistungsfrei, weil nicht anzunehmen sei, daß sie im Falle der Verständigung von der Kompensandoeinwendung von ihrem ablehnenden Standpunkt abgegangen wäre.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es verneinte die Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung, "Ansprüche aus dem Verkehrsunfall" seien nur Schadenersatzansprüche gegen den Unfallsgegner, nicht aber Deckungsansprüche gegen den eigenen Versicherer. Daß letztere Ansprüche zediert worden seien, habe die Klägerin nicht beweisen können. Was die Obliegenheitsverletzung anlange, müsse davon ausgegangen werden, daß die Beklagte die Ansprüche des H lediglich auf Wunsch ihres Versicherungsnehmers abgelehnt, zugleich aber erklärt habe, sie warte die Klage der Gegenseite ab. Damit habe sie zu erkennen gegeben, daß sie im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung die Ansprüche des Unfallgegners neuerlich prüfen wolle. Die Annahme des Erstgerichtes, es sei nicht anzunehmen, daß die Beklagte im Falle einer Verständigung von der Kompensandoeinwendung von ihrer ablehnenden Haltung abgegangen wäre, sei daher nicht begrundet. Die Klägerin habe demnach nicht beweisen können, daß die Beklagte im Falle einer Verständigung jene Leistungen erbringen hätte müssen, die nunmehr von ihr begehrt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Daß der Haftpflichtversicherer gemäß § 150 VersVG verpflichtet ist, die Kosten der versuchten Abwehr geltend gemachter Haftpflichtansprüche zu ersetzen, und daß eine solche Abwehr auch im Aktivprozeß, in dem die Haftpflichtansprüche der Gegenseite eingewendet worden sind, versucht werden kann, ist nicht strittig. Demnach gehen jene Ausführungen der Revision, die sich mit dieser Frage beschäftigen, an der Sache vorbei, weil in ihnen nur dieser ohnehin nicht strittige Rechtsstandpunkt dargetan wird. Allerdings wurde bisher im gesamten Verfahren nicht beachtet, daß keinesfalls die gesamten von der Klägerin eingeklagten Kosten der Abwehr gegnerischer Haftpflichtansprüche gedient haben, weil sie in einem Prozeß aufgelaufen sind, in dem die Klägerin Aktivansprüche des Versicherten gegen seinen Unfallsgegner geltend gemacht hat. Ihre Kostenersatzpflicht ist nicht ausschließlich auf das Zurechtbestehen gegnerischer Haftpflichtansprüche, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auch auf die Überklagung betreffend die eigenen Ansprüche zurückzuführen. Die erfolglose Geltendmachung von Aktivansprüchen gegen den Unfallsgegner fällt aber nicht unter den Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung. Schon aus diesem Gründe könnte der eingeklagte Anspruch höchstens zu einem Teil, namlich zu jenem, der auf die Abwehr der eingewendeten Gegenansprüche entfallen ist, zu Recht bestehen.
Aber auch bezüglich des letztgenannten Teiles ist der klägerische Anspruch nicht gegeben. Zu Unrecht bezeichnet nämlich die Klägerin eine vom Versicherten begangene Obliegenheitsverletzung als für sie unerheblich. Nach § 1394 ABGB sind die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung eben dieselben. Der Inhalt der abgetretenen Forderung bestimmt sich im Zweifel nach dem Inhalt der Forderung, die dem Übergeber gegen den Schuldner zusteht (8 Ob 167/78 u. a.). Die Rechtsstellung des Schuldners darf durch eine Zession nicht verschlechtert werden (EvBl. 1977/168 u. a.). Demnach kann der Zessionar eine Forderung nur insoweit mit Erfolg geltend machen, als sie tatsächlich zu Recht besteht. Ist infolge einer Obliegenheitsverletzung des Versicherten Leistungsfreiheit des Versicherers eingetreten, so besteht kein Anspruch auf die entsprechende Leistung aus der Versicherung, weshalb dem Zessionar, dem ein Anspruch aus der Versicherung abgetreten wird, einen solchen nicht mit Erfolg gegen den Versicherer geltend machen kann. Entgegen der Meinung der Klägerin ist sohin trotz der behaupteten Zession die Frage einer Obliegenheitsverletzung von entscheidender Bedeutung.
Nach Art. 8 Abs. 2 Z. 1 lit. b und c AKHB hat der Versicherte nach Eintritt des Versicherungsfalles die Obliegenheiten, dem Versicherer innerhalb einer Woche einerseits die Anspruchserhebung und andererseits die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder eines gerichtlichen Verfahrens schriftlich anzuzeigen. Zweck dieser Bestimmung ist es, dem Versicherer die Möglichkeit zu bieten, sich zweckmäßig in die Verhandlungen über eine allfällige Liquidation gegnerischer Ersatzansprüche einzuschalten und damit das Auflaufen weiterer Kosten zu verhindern. Demnach kann durch die bloß einmalige Schadensmeldung die Obliegenheit dann nicht erfüllt worden sein, wenn in der Folge weitere Umstände eintreten, die für den Versicherer von erheblicher Bedeutung sind. Die Meinung der Klägerin, nach Art. 8 Abs. 2 Z. 1 lit. c AKHB sei lediglich ein Strafverfahren gegen den Versicherer anzuzeigen, findet weder im Wortlaut der genannten Bestimmung ihre Deckung, noch entspricht sie deren Zweck. Für den Versicherer ist es von wesentlicher Bedeutung zu wissen, ob die gegnerischen Haftpflichtansprüche bereits Gegenstand eines behördlichen Verfahrens sind oder nicht, weil dies für die Abschätzung seiner Verhandlungsposition entscheidend sein kann. Aus diesem Gründe umfaßt die genannte Bestimmung auch die Verpflichtung, den Versicherer von der gerichtlichen Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen gegen den Versicherten in Kenntnis zu setzen.
Die Behauptung der Revision, die Beklagte habe "trotz Kenntnis des Prozesses mit Schreiben vom 5. April 1973 ..... die Liquidation des Schadens des H abgelehnt", widerspricht einerseits den getroffenen Feststellungen und andererseits der Aktenlage, weil dieser zu entnehmen ist, daß die Klägerin ihre Klage gegen H erst am 23. Mai 1973 eingebracht hat. Nach den getroffenen Feststellungen erfolgte die Ablehnung der gegnerischen Haftpflichtansprüche durch die Beklagte nicht aus eigener Initiative, sondern auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherten und des nunmehrigen Klagevertreters, der damals nur als Vertreter des Versicherten eingeschritten sein kann. Hiebei hat jedoch ein Angestellter der Beklagten ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Klage der Gegenseite abgewartet werde. Damit wurde aber für den Versicherer und seinen Vertreter einwandfrei klargestellt, daß die Ablehnung durch die Beklagte lediglich einem Wunsch des Versicherten entspreche und daß es sich hiebei nur um einen vorläufigen Schritt handle, der nach gerichtlicher Geltendmachung durch die Gegenseite einer neuerlichen Überprüfung unterzogen werden müsse. Bei dieser Sachlage bestand selbstverständlich die Verpflichtung des Versicherten, die Beklagte von jedweder gerichtlichen Geltendmachung der gegnerischen Haftpflichtansprüche in Kenntnis zu setzen. Eine Kompensandoeinwendung zielt aber auf Durchsetzung von Ansprüchen insofern ab, als mit ihrer Hilfe die eingeklagten gegnerischen Ansprüche vernichtet werden sollen. Sie ist daher eine gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen, von der der Versicherer nach der mehrfach zitierten Bestimmung verständigt werden muß.
Richtig wurde sohin von den Untergerichten das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung angenommen.
Was nun die weitere in der Revision angeschnittene Frage, inwieweit der Zessionar eines Versicherungsanspruches zur Einhaltung von Obliegenheiten verpflichtet sein kann, anlangt, kann deren Lösung hier dahingestellt bleiben. Der Versicherer braucht nämlich nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen, daß er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe (Prölss - Martin, VersVG[21], 98; VersR 1975, 363 u. a.). Zediert jemand seinen Anspruch aus einem Verkehrsunfall und auch seine Ansprüche auf Gewährung von Versicherungsschutz aus der Haftpflichtversicherung, wird er hiedurch von seinen Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag nicht befreit. Folglich hat er dafür Sorge zu tragen, daß diesen Obliegenheiten entsprochen wird. Ist ihm klar, daß der Zessionar die zedierten Ansprüche aus dem Verkehrsunfall gerichtlich geltend machen wird, so muß er mit der Geltendmachung von Gegenansprüchen vor allem dann rechnen, wenn ihm bekannt ist, daß der Unfallsgegner solche Ansprüche bereits behauptet und ihre Befriedigung gefordert hat. Kümmert er sich dann überhaupt nicht mehr um die weiteren Vorgänge und überbindet er insbesondere seinem Zessionar nicht die Verpflichtung zur Einhaltung der erforderlichen Obliegenheiten, muß ihm ein derartiges passives Verhalten als grob fahrlässig in bezug auf Obliegenheitsverletzungen angelastet werden. Daß im vorliegenden Fall Umstände vorlägen, die das Verhalten des Versicherten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, wurde von der Klägerin weder behauptet noch bewiesen. Aus diesem Gründe ist ihr der Beweis, daß der Versicherte die Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe, nicht gelungen. Sie hat nicht einmal behauptet und bewiesen, daß der Versicherte von der Kompensandoeinwendung keine Kenntnis gehabt hätte. Hätte er davon Kenntnis gehabt - immerhin ist er im Haftpflichtprozeß eingehend als Zeuge vernommen worden - müßte seine Obliegenheitsverletzung als geradezu vorsätzlich angenommen werden. Daß dies nicht der Fall war, hätte die Klägerin beweisen müssen. Mangels eines solchen Beweises ist Leistungsfreiheit der Beklagten gegenüber ihrem Versicherten im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 Z. 1 AKHB (§ 6 Abs. 3 VersVG) anzunehmen, was auch der Klägerin als Zessionar entgegengehalten werden kann.
Es ist zwar richtig, daß bei Verletzung der genannten Obliegenheiten der Versicherer nicht schlechthin leistungsfrei wird, sondern sich seine Leistungspflicht auf den Betrag beschränkt, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Pflicht zu leisten gehabt hätte. Dies hat bereits das Erstgericht erkannt, doch ist, wie bereits ausgeführt wurde, seine Annahme, die Beklagte wäre von ihrem ablehnenden Standpunkt auch im Falle einer Verständigung nicht abgegangen, infolge des Umstandes, daß diese Ablehnung einerseits nur auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherten erfolgte und andererseits auch für den Versicherten klar erkennbar nur eine vorläufige war, nicht begrundet. Im übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß der Umstand, daß bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung diese weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung und den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung Einfluß gehabt hat, vom Versicherungsnehmer im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen ist (SZ 46/106; VersR 1975, 361 u. a.). Einen solchen Beweis hat die Klägerin nicht erbracht, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, die eingeklagten Prozeßkosten wären auch aufgelaufen, wenn die Beklagte von der gerichtlichen Geltendmachung des gegnerischen Haftpflichtanspruches verständigt worden wäre.
Schon aus den erwähnten Gründen erweist sich das Klagebegehren als nicht gerechtfertigt, weshalb auf die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin und die damit in Zusammenhang stehenden Ausführungen der Revision, insbesondere auf die Mängelrüge, nicht eingegangen werden muß.
Anmerkung
Z52149Schlagworte
Obliegenheitsverletzung bei ZessionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0070OB00045.79.1018.000Dokumentnummer
JJT_19791018_OGH0002_0070OB00045_7900000_000