TE OGH 1979/10/23 11Os142/79

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Veröffentlicht am 23.10.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm A und andere wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB. über die von den Angeklagten Wilhelm A, Raimund B und Christian C gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Juli 1979, GZ. 5 a Vr 1497/79-40, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten Wilhelm A, Rechtsanwalt Dr. Weiss, des Verteidigers des Angeklagten Raimund B, Rechtsanwalt Dr. Weber und des Verteidigers des Angeklagten Christian C, Rechtsanwalt DDr. Kollmann, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen der Angeklagten Wilhelm A und Raimund B wird Folge gegeben; die über den Angeklagten Wilhelm A verhängte Freiheitsstrafe wird auf 9 (neun) Monate, die über den Angeklagten Raimund B verhängte Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.

Der Berufung des Angeklagten Christian C wird nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 30. Jänner 1956 geborene Vertreter Wilhelm A, der am 13. Februar 1955 geborene Fliesenleger Raimund B und der am 27. Juli 1957 geborene Vertreter Christian C des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 17. Dezember 1978 in Wien in verabredeter Verbindung den Johann D dadurch, daß sie ihn zu Fall brachten und ihm sodann Fußtritte versetzten, vorsätzlich am Körper verletzten, nämlich eine Kratzwunde an der rechten Wange, eine Schleimhautverletzung an der rechten Oberlippe, eine Hautabschürfung am linken Kniegelenk und eine Druckempfindlichkeit der linken Lumbalgegend zufügten.

Diese Schuldsprüche bekämpfen die Angeklagten mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden, in denen der Sache nach die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. geltend gemacht werden.

Zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs.1 Z. 5 StPO.:

Hiezu wird von sämtlichen Beschwerdeführern gegen ihren jeweiligen Schuldspruch im wesentlichen der Umstand ins Treffen geführt, daß der Zeuge Johann D seiner eigenen Aussage zufolge nicht unmittelbar gesehen habe, daß alle drei Angeklagten, als er auf dem Boden lag, auf ihn mit Füßen getreten hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrügen versagen.

Das Erstgericht stützte seine Annahme, wonach alle drei Angeklagten auf den Angegriffenen mit Füßen getreten hätten, auf die Zeugenaussage des Johann D, derzufolge die Angeklagten - nach seiner zunächst alleinigen Mißhandlung durch Christian C - ihm nachgegangen seien, ihn eingeholt, sich vor ihm aufgebaut hätten und auf ihn eingedrungen wären. Es legte eingehend und in denkfolgerichtiger Weise dar, warum es dieser Zeugenaussage - trotz gewisser darin enthaltener Widersprüche - Glauben schenkte und ungeachtet dessen, daß Johann D (infolge seines Bestrebens, seinen Kopf zu schützen) das tätliche Vorgehen gegen ihn im einzelnen nicht wahrnehmen und den Vorfall nicht im Detail wiedergeben konnte, die Überzeugung gewann, daß der von diesem zum Ausdruck gebrachte subjektive Eindruck, alle drei Angeklagten hätten auf ihn eingetreten, auch objektiv richtig sei. Hiebei zog es insbesonders in Betracht, daß die Angeklagten - die sich im übrigen zu dem Vorfall widersprüchlich verantwortet hätten - den Zeugen gemeinsam verfolgten, stellten und auf ihn eindrangen und auch die über den Körper des Angegriffenen verteilten Verletzungen (eher) für eine Mißhandlung durch alle drei Personen sprächen. Schließlich leitete das Erstgericht aus den gesamten Verfahrensergebnissen in logisch einwandfreier Weise ab, daß die Angeklagten auf Grund eines gemeinsamen Tatentschlusses gegen Johann D tätlich wurden.

Soweit die Beschwerdeführer diese Schlußfolgerungen nicht für zwingend und in der Aussage des Zeugen Johann D nicht gedeckt erachten, übersehen sie, daß das Gericht über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, letztlich nach seiner freien Überzeugung (§ 258 Abs. 2 StPO.) zu entscheiden hat und demnach der Nichtigkeitsgrund der Z. 5

des § 281 Abs. 1 StPO. nicht auf die Behauptung, daß aus den vom Gericht angenommenen Tatumständen auch andere, für die Angeklagten günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können, gestützt werden kann. Von einer offenbar unzureichenden Begründung in der Bedeutung dieses Nichtigkeitsgrundes könnte erst dann gesprochen werden, wenn die Annahmen des Gerichtes auf Überlegungen beruhen, die den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen. Dies trifft aber hier nicht zu, weil das Erstgericht aus den im Urteil dargelegten Umständen denkrichtig und zureichend auf eine gemeinsame Tatbegehung der Angeklagten in verabredeter Verbindung schließen konnte. So gesehen stellt das Vorbringen der Beschwerdeführer zur Mängelrüge im wesentlichen nur einen unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes dar.

Ebensowenig ergeben die Beschwerdeausführungen des Angeklagten Raimund B den Nachweis einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung, weil das Gericht nicht verpflichtet war, sich in den - gemäß der Bestimmung des § 270 Abs. 2 Z. 5

StPO. in gedrängter Form abzufassenden - Entscheidungsgründen mit allen gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Johann D (nachträglich) vorgebrachten Umständen im Detail auseinandersetzen.

Zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.:

Unter diesem Nichtigkeitsgrund wenden sich die Beschwerdeführer gegen die (rechtliche) Annahme einer Tatbegehung in verabredeter Verbindung (mindestens dreier Personen) im Sinne des § 84 Abs. 2 Z. 2 StGB.

Die Rechtsrügen sind unbegründet.

Für den Begriff der 'Verabredung' ist eine ernstliche Willenseinigung über eine geplante Tatausführung, mithin ein gemeinsamer Tatentschluß wesentlich. Zum Unterschied von der (schlichten) Mittäterschaft erfordert diese eine vor Beginn der Tatausführung gelegene (wenn auch allenfalls sukzessiv entstandene) Willensübereinstimmung, kraft deren die zur Tatbegehung entschlossenen Personen am Tatort als Einheit auftreten. Eine solche Willenseinigung kann sich - ungeachtet des vom Gesetz gebrauchten Wortes 'Verabredung' - auch in einem konkludenten Verhalten äußern (vgl. EvBl. 1979/146 = LSK.

1979/102 und 103 und das dort zitierte Schrifttum). Ein solcher gemeinsamer Willensentschluß in Form eines schlüssig zum Ausdruck gebrachten Verhaltens wurde im vorliegenden Fall als erwiesen angenommen (vgl. S. 291 f. d.A.).

Daß das Erstgericht darüber hinaus keine Feststellungen über das Zustandekommen einer ausdrücklichen (wörtlichen) Vereinbarung der Angeklagten in Ansehung der an Johann D begangenen Körperverletzung getroffen hat, steht nach dem Gesagten der Annahme einer Tatbegehung in verabredeter Verbindung nicht entgegen. Ein auf unrichtiger Gesetzesanwendung beruhender Feststellungsmangel haftet dem Urteil sohin nicht an.

Soweit die Angeklagten Wilhelm A und Christian C davon ausgehen, daß nicht alle drei Angeklagten an Johann D Hand angelegt hätten, setzen sie sich über die gegenteiligen Konstatierungen des Erstgerichtes, nach welchen eine Tatbegehung durch bloße Anwesenheit am Tatort bei keinem der Angeklagten in Betracht komme, hinweg, sodaß sie insoweit den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung bringen. Im übrigen ist es für die Qualifikation des § 84 Abs. 2 Z. 2 StGB.

nicht erforderlich, daß jeder der Verabredeten unmittelbar an den Angegriffenen Hand angelegt oder sonst an der Tatausführung unmittelbar aktiv mitgewirkt hat; vielmehr haftet nach dieser Bestimmung schon jeder, der verabredungsgemäß durch seine bloße Anwesenheit am Tatort seinen Willen zum allfälligen Eingreifen in den Ereignisablauf ausdrückt, mag er im Einzelfall auch keine unmittelbar zu Verletzungen führenden Aktivitäten gesetzt haben (vgl. EvBl. 1977/225 = LSK.

1977/192 u.a.E.).

Die Unterstellung des festgestellten Tatverhaltens der Angeklagten

unter die Qualifikation des § 84 Abs. 2 Z. 2

StGB. erfolgte sohin frei von Rechtsirrtum.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten waren daher zu

verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten nach dem § 84 Abs. 1 StGB. Freiheitsstrafen, und zwar über Wilhelm A in der Dauer von 13 Monaten, über Raimund B in der Dauer von 2 Jahren und über Christian C in der Dauer von 8 Monaten. Bei A nahm es gemäß den §§ 31, 40

StGB. auch auf eine Vorverurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 22. Dezember 1978, AZ. 7 a E Vr 9032/78 (wegen § 125 StGB., 5 Monate Freiheitsstrafe), Bedacht. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht bei sämtlichen Angeklagten das mutwillige, offenbar nur von Brutalität geleitete Verhalten und die einschlägige Vorstrafenbelastung als erschwerend; bei A und B sah es überdies den raschen Rückfall und bei C auch die Tatsache als erschwerend an, daß er der Urheber der strafbaren Handlung war und hiebei eine führende Rolle spielte. Als mildernd fand kein Umstand Berücksichtigung.

Die Angeklagten streben mit ihren Berufungen die Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen, C auch die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht an.

Nur die Berufungen der Angeklagten A und B sind berechtigt. Beim Angeklagten C hat das Erstgericht ein Strafmaß gefunden, das in Anbetracht seiner führenden Tatbeteiligung und seines rowdyhaften Gesamtverhaltens als schuldangemessen bezeichnet werden kann. Für eine Milderung dieser Strafe bestand daher, obwohl ihm der Milderungsgrund eines Teilgeständnisses zugute kommt, kein Anlaß, zumal er sich zu Unrecht auf die Milderungsgründe der Alkoholisierung (§ 35 StGB. ist hier nicht anwendbar) und der Selbststellung im Sinne des § 34 Z. 16 StGB. beruft. Die begehrte Gewährung einer bedingten Strafnachsicht nach dem § 43 Abs. 1 StGB. kam im Hinblick auf seine durch Vorstrafen belastete Täterpersönlichkeit schon aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht.

Den Berufungen der Angeklagten A und B war hingegen im spruchgemäßen Umfang Folge zu geben, weil die über sie verhängten Strafen trotz der vom Erstgericht durchaus zutreffend angenommenen Erschwerungsgründe vor allem mit Rücksicht auf die relativ sehr geringen Verletzungsfolgen und im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen als zu streng angesehen werden müssen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02293

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00142.79.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19791023_OGH0002_0110OS00142_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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