TE OGH 1979/10/30 11Os128/79

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Veröffentlicht am 30.10.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Roland A wegen des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG und anderer strafbarer Handlungen mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 1. Juni 1979, GZ. 20 Vr 1830/78-100, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (in seinem freisprechenden Teil) unberührt bleibt, in sämtlichen Schuldsprüchen und demgemäß auch in allen Strafaussprüchen (einschließlich des Verfallsausspruches) sowie im Kostenausspruch (gemäß den §§ 227 FinStrG und 389 StPO) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31. März 1957 geborene Hilfsarbeiter Roland A des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG (Punkt I des Urteilssatzes), des Finanzvergehens des bandenmäßigen Schmuggels nach den §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. b FinStrG (Punkt II 1 des Urteilssatzes) und des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. b FinStrG (Punkt II 2 des Urteilssatzes) schuldig erkannt, weil er zu I: vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen einführte, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, und zwar

1.) am 16. oder 17. April 1979 (richtig: 1978) an der Brennergrenze mit dem abgesondert verfolgten Peter B mindestens 150 Gramm Morphinpulver, 2.) am 28. oder 29. Mai 1978 an der Grenze bei Arnoldstein als Mitglied einer Bande mit den abgesondert verfolgten Peter B und Horst C mindestens 450 Gramm Morphinpulver; zu II 1: eingangspflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzog, und zwar

a) am 16. oder 17. April 1978 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Peter B beim Zollamt Brennergrenze mindestens 150 Gramm Morphinpulver und b) am 28. oder 29. Mai 1978 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Peter B und Horst C beim Zollamt Thörl-Maglern mindestens 450

Gramm Morphinpulver, wobei er als Mitglied einer Bande, die sich zum Schmuggel verbunden hatte, handelte;

verkürzter Betrag an Eingangsabgaben: 232.800 S;

zu II 2: anfangs Juli 1978 in Wien von einem unbekannten Dealer vorsätzlich 150 Gramm Haschisch (das illegal nach Österreich gelangt war) durch Tausch an sich brachte, verkürzter Betrag an Eingangsabgaben: 3.120 S.

Von der weiteren, in Richtung Untreue nach dem § 153 StGB erhobenen Anklage wurde der Angeklagte gemäß dem § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Dieses (in seinem freisprechenden Teil unbekämpft gebliebene) Urteil ficht der Angeklagte in den Schuldsprüchen mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und in den Strafaussprüchen mit Berufung an.

Mit dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteilsfeststellung, er habe anläßlich seiner ersten, gemeinsam mit Peter B unternommenen Reise am 16. oder 17. April 1978

mindestens 150 Gramm Morphinpulver und bei seiner zweiten Reise am

28. oder 29. Mai 1978 gemeinsam mit Peter B und Horst C insgesamt mindestens 450 Gramm Morphinpulver nach Österreich eingeführt, ohne es den Zollbehörden zu stellen; diese Feststellung bezeichnet er in mehrfacher Hinsicht als undeutlich, unvollständig, mit sich selbst im Widerspruch, nicht bzw. nur offenbar unzureichend begründet sowie aktenwidrig.

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge kommt Berechtigung zu.

Bei den Schuldsprüchen zu den Punkten I 1 und II 1 a des Urteilssatzes begründete das Erstgericht zwar, warum es dem Geständnis des Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung am 21. Juli 1978 bezüglich der Einfuhr und des Schmuggels von Morphinpulver (zum Zwecke des Weiterverkaufs an einen unbekannten Abnehmerkreis) Glauben schenkte, dem späteren Widerruf dieses Geständnisses und seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung, er habe bei dieser Gelegenheit lediglich zirka 6 Gramm Morphinpulver für den Eigenbedarf eingeführt, hingegen keine Beweiskraft beimaß, indem es vor allem auf den Umstand verwies, daß der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben von Peter B für seine Teilnahme an dieser Reise (gleichfalls) 25.000 S erhalten habe. Wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, überging es hiebei jedoch mit Stillschweigen die Angaben des Peter B, welcher einen mit seinem Wissen erfolgten Suchtgifttransport bei dieser (ersten) Reise überhaupt in Abrede stellte (vgl. Band I, S. 207, Band II, S. 368 f. d. A.). Dazu kommt, daß der Angeklagte selbst in seinem Geständnis die Menge des bei diesem Anlaß eingeführten Morphinpulvers auch nicht annähernd angeben konnte und behauptete, Peter B habe dieses in seiner Abwesenheit in einer Fotokamera oder Fotobereitschaftstasche versteckt (vgl. Band I, S. 140 d.A.). Es hätte daher im Urteil einer näheren und auch auf diese Verfahrensergebnisse eingehenden Begründung bedurft, wie das Erstgericht in Ansehung der Urteilsfakten I 1 und II 1 a zur Annahme einer illegalen Einfuhr einer Suchtgiftmenge von mindestens 150 Gramm Morphinpulver gelangte.

Die den Schuldsprüchen laut den Punkten I 2 und II 1 b des Urteilssatzes zugrundeliegende Annahme, der Angeklagte habe gemeinsam mit Peter B und Horst C am 28. oder 29. Mai 1978 insgesamt mindestens 450 Gramm - und nicht bloß, wie er selbst zugab, 150 Gramm (vgl. Band II, S. 359 d.A.) -

Morphinpulver bestehenden Vorschriften zuwider nach Österreich eingeführt, ohne es beim Zollamt Thörl-Maglern zu stellen, stützte das Erstgericht ersichtlich vor allem auf die Angaben des Horst C im Vorverfahren. Danach hätte Peter B bei einer Auseinandersetzung erwähnt, Horst C habe nur den geringsten Teil, zirka 150 Gramm Morphinpulver, geschmuggelt (vgl. Band I, S. 203 d.A.), woraus das Erstgericht offenbar folgerte, daß jeder der Tatbeteiligten Suchtgift zumindest in dieser Menge in seinem Gewahrsam hatte und daher insgesamt 450 Gramm Morphinpulver illegal eingeführt worden seien. Mit Recht rügt der Beschwerdeführer aber in diesem Zusammenhang die Nichterörterung des Umstandes, daß der Zeuge Horst C von dieser Darstellung in der Hauptverhandlung wesentlich abwich und lediglich bestätigte, daß bei dieser Gelegenheit von einer Suchtgiftmenge von (etwa) 150 Gramm gesprochen worden sei, ohne sagen zu können, ob damit die geschmuggelte Gesamtsuchtgiftmenge oder nur ein Teil derselben gemeint gewesen sei (vgl. Band II, S. 376 d.A.). Völlig übergangen wurden im Urteil hiebei auch die Zeugenaussagen des Polizeibeamten Hermann D, der gleichfalls nicht angeben konnte, ob bei der bezüglichen Vernehmung des Horst C durch ihn von einer Gesamtmenge oder einer (jeden Teilnehmer betreffenden) Einzelmenge von 150 Gramm Morphinpulver die Rede gewesen sei (vgl. Band II, S. 381 d.A.), und des Peter B, wonach es sich bei dem geschmuggelten Suchtgift um eine Menge von insgesamt 130 bis 150 Gramm gehandelt habe (vgl. Band II, S. 370 d.A.).

Berechtigt ist der Vorwurf eines formellen Begründungsmangels im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO in Ansehung beider in Rede stehender Tathandlungen schließlich auch insoweit, als das Erstgericht zwar einerseits, der Darstellung des Angeklagten und des Horst C folgend, ausdrücklich feststellte, daß das illegal nach Österreich verbrachte Suchtgift jeweils im Fotoapparat bzw. in Fotobereitschaftstaschen versteckt worden sei (vgl. Band II, S. 392, 393 und 395 d.A.), andererseits aber sich nicht mit der Zeugenaussage des Polizeibeamten Karl E auseinandersetzte, wonach die beschlagnahmten Fotoapparate - zum Unterschied von einer bei B vorgefundenen Kassette zu einer Polaroid-Kamera - nicht so beschaffen gewesen seien, daß man die in Rede stehenden Suchtgiftmengen darin hätte verstecken können (vgl. Band II, S. 379 f. d.A.). Im Hinblick auf die Angaben dieses Zeugen sowie des Peter B, der ein Verstecken größerer Mengen Suchtgiftes in einer Fotokamera gleichfalls als unmöglich bezeichnete und behauptete, das Morphinpulver in Toiletteartikeln verwahrt zu haben (vgl. Band I, S. 209; Band II, S. 370, 373

d. A.), hätte sich das Gericht daher nach Lage des Falles auch mit der Frage befassen müssen, auf welche Weise es den Tätern gelang, das transportierte Suchtgift vor dem Zugriff der Zollbehörden zu verbergen.

Aus dem Gesichtspunkt einer Urteilsnichtigkeit nach den Z. 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO bekämpft der Beschwerdeführer ferner den Ausspruch, er habe die in den Punkten I 2 und II 1 b des Urteilssatzes bezeichneten Tathandlungen als Mitglied einer Bande begangen.

Auch insoweit ist die Beschwerde berechtigt. Die Konstatierung des Erstgerichtes, wonach sich der Angeklagte mit den abgesondert verfolgten Peter B und Horst C (nur) zu dem zwischen dem 19. und dem

28. oder 29. Mai 1978

durchgeführten Suchtgifttransport zusammenschloß (vgl. Band II, S. 392 unten d.A.), vermag die rechtliche Annahme bandenmäßiger Begehung im Sinne des § 6 Abs. 1 SuchtgiftG und des § 38 Abs. 1 lit. b FinStrG nicht zu decken. Eine solche setzt immer die Verbindung mehrerer (mindestens dreier) Personen zur fortgesetzten Begehung gleichartiger, im einzelnen noch unbestimmter Straftaten voraus, wogegen die Verbindung zu einer einzigen Tat nicht genügt (vgl. LSK. 1975/107, 1978/301 u.a.).

Im Zusammenhang mit dieser unrichtigen Gesetzesanwendung machen die aufgezeigten Begründungsmängel aber eine Aufhebung des angefochtenen Urteils in sämtlichen Schuldsprüchen und eine Verfahrenserneuerung in diesem Umfang erforderlich. Dies trifft einerseits auch auf das Schuldspruchfaktum I 2 zu, bei dem für die rechtliche Beurteilung der Tat selbst die Feststellung der genauen Menge des eingeführten Suchtgifts nicht entscheidungswesentlich wäre, weil der Beschwerdeführer diesfalls schon bei Zugrundelegung einer Einfuhr von 150 Gramm Morphinpulver, die - im Hinblick auf eine Grenzmenge von 1,5 Gramm bei diesem Suchtgift (vgl. 9 0s 64/78)- gleichermaßen zur Herbeiführung einer Gemeingefahr geeignet wäre, das Verbrechen nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG zu verantworten hätte. Denn da im Falle der (vorliegend erfolgten) Verhängung einer Wert(Verfalls-)ersatzstrafe nach dem § 6 Abs. 4

SuchtgiftG der Wert der dem Verfall entzogenen Sachen oder deren Erlös absolute Größen und deren Feststellung sohin entscheidende Tatsachen (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO) darstellen, durch welche die Strafbefugnis des Gerichtes in Ansehung der Wertersatzstrafe begrenzt wird (§ 281 Abs. 1 Z. 11 StPO - vgl. hiezu 13 0s 93/77), wäre das Erstgericht - was hier gleichfalls nicht geschehen ist - auch verpflichtet gewesen, seine Konstatierungen betreffend die für den Wertersatz maßgebenden Bemessungsgrundlagen mängelfrei zu begründen. Da andererseits nach den bereits wiedergegebenen Urteilsfeststellungen bandenmäßige Begehung nicht vorliegt, wäre die gerichtliche Zuständigkeit für die Finanzvergehen des Schmuggels und der Abgabenhehlerei nur bei zutreffender Annahme eines strafbestimmenden Wertbetrages von (insgesamt) mehr als 200.000 S gegeben (§ 53 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. a und Abs. 3 FinStrG). Im Hinblick auf die festgestellte Verkürzung von Eingangsabgaben von 232.800 S für insgesamt 600 Gramm Morphinpulver durch Schmuggel und von weiteren 3.120 S für 150 Gramm Haschisch durch Abgabenhehlerei kommt daher den dem angefochtenen Urteil anhaftenden Begründungsmängeln nach Lage des Falles auch in Ansehung sämtlicher Schuldsprüche wegen Finanzvergehens entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Daraus ergibt sich die Untrennbarkeit aller Schuldsprüche, die somit ein Vorgehen gemäß dem § 289 StPO nicht gestattet.

Der Vollständigkeit halber ist hier noch zu erwähnen, daß der Kostenausspruch gemäß dem § 227 FinStrG im Urteil verfehlt war, weil diese Bestimmung, die lediglich den § 381

StPO - und nicht den § 389 StPO - ergänzt, erst bei der beschlußmäßigen Festsetzung der Kosten zum Tragen kommt (vgl. EvBl. 1971/327).

Es war sohin spruchgemäß zu erkennen, ohne daß noch auf die weiteren - insbesondere auch in Ansehung des von der Urteilsaufhebung gleichfalls betroffenen Verfallsausspruchs -

geltend gemachten Beschwerdepunkte eingegangen zu werden brauchte. Im erneuerten Verfahren wird zu beachten sein, daß im Falle eines bewußten und gewollten Zusammenwirkens mehrerer Beteiligter bei der Einfuhr von Suchtgift jeder von ihnen die gesamte (im gemeinsamen Willen liegende) Suchtgiftmenge auch dann zu verantworten hat, wenn die Täter nicht als Mitglieder einer Bande tätig waren. Im übrigen wird gegebenenfalls darauf Rücksicht zu nehmen sein, daß Strafen nach dem Finanzstrafgesetz stets gesondert von Strafen für andere strafbare Handlungen zu verhängen sind (§ 22 Abs. 1 FinStrG), was im Urteil deutlich zum Ausdruck zu kommen hätte.

Anmerkung

E02323

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00128.79.1030.000

Dokumentnummer

JJT_19791030_OGH0002_0110OS00128_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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