Norm
ABGB §877Kopf
SZ 52/157
Spruch
Lehnt der Leasinggeber beim sogenannten selbständigen Finanzierungsleasing - Direktlieferung des Leasinggegenstandes durch den Hersteller oder Lieferanten an den Leasingnehmer - trotz Unbrauchbarkeit des Leasinggegenstandes sowohl die Aufhebung des Kaufvertrages mit dem Hersteller oder Lieferanten als auch die Abtretung dieses Rechtes an den Leasingnehmer ab, ist dieser nicht gehalten, seinerseits durch Zahlung der Leasingraten zu erfüllen
OGH 6. November 1979, 2 Ob 571/79 (HG Wien 1 R 259/78; BG für Handelssachen Wien 2 C 2194/77)
Text
Der Beklagte schloß mit der Klägerin Anfang November 1976 einen Vertrag, wonach er einen von der Firma M. Handelsgesellschaft m. b. H. anzuschaffenden M-Telefoncomputer 1100 (Wählautomat) für 60 Monate zu bestimmten Bedingungen mietet.
Die Klägerin begehrte 67 505.19 S samt Anhang mit der Begründung, der Beklagte sei mit mehreren Mietzinsraten in Verzug, weshalb sie gemäß Punkt 19 des Mietvertrages berechtigt sei, den Mietzins für die gesamte vorgesehene Vertragsdauer fällig zu stellen. Da der Beklagte die ordnungsgemäße Übergabe bestätigt habe, hafte die Klägerin nach den Bedingungen des Vertrages nicht für allfällige Funktionsstörungen des Gerätes. Den Kaufpreis für das Gerät habe die Klägerin an die Firma M. bezahlt.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß der von der klagenden Partei angeschaffte und ihm vermietete Telefoncomputer von Anfang an unbrauchbar gewesen sei. Die Firma M habe das Gerät trotz wiederholter Mahnungen und Nachfristsetzung weder repariert noch ausgetauscht, weshalb der Beklagte gegenüber der Firma M den Rücktritt vom Vertrag erklärt habe und hievon die klagende Partei verständigt habe. Die Klägerin könne daher für das unbrauchbare Gerät keine Miete verlangen. Das Klagebegehren sei auch deshalb unberechtigt, weil die Klägerin zu 14 C 134/77 des Bezirksgerichtes Innsbruck vom Beklagten die Herausgabe des Gerätes begehrt habe. Entgegenstehende Bestimmungen des abgeschlossenen Vertrages seien sittenwidrig.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Es ging in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß der Beklagte über Vermittlung eines Vertreters der Firma M das Gerät bestellte, wobei die Finanzierung über die klagende Leasing-Gesellschaft vereinbart worden sei. Nach Zahlung von 60 Monatsraten sollte das Gerät ins Eigentum des Beklagten übergehen. Nach Übergabe und Anschluß des Gerätes durch Monteure der Firma M habe der Beklagte erklärt, er könne das Gerät im Augenblick nicht überprüfen, weil er über die Mittagszeit seine Kunden nicht erreiche, habe aber dennoch eine Übernahmsbestätigung unterfertigt. Am Nachmittag habe er festgestellt, daß das Gerät nicht funktioniere, und habe die Firma M am folgenden Tag von dem Mangel verständigt. Die Firma M habe den Mangel nicht behoben, worauf der Beklagte mit Schreiben vom 17. Dezember 1976 ihr gegenüber den Rücktritt vom Vertrag erklärte. Zu 14 C 134/77 des Bezirksgerichtes Innsbruck habe die Klägerin in der Folge die Herausgabe des Gerätes begehrt. Im März 1977 sei das Gerät an die klagende Partei übergeben worden.
In rechtlicher Hinsicht leitete das Erstgericht daraus ab, daß der Beklagte gemäß § 1096 ABGB für die Dauer der Unbrauchbarkeit des Gerätes von der Entrichtung des Mietzinses befreit sei. Da damit schon die ersten Mietzinsraten bisher nicht fällig geworden seien, habe auch der im Punkt 19 des Vertrages vorgesehene Terminverlust nicht eintreten können. Punkt 4 des Mietvertrages, der die Haftung der Klägerin für die Brauchbarkeit des Mietgegenstandes ausschließe, verstoße gegen die guten Sitten. Es sei aber auch sittenwidrig, wenn die Klägerin gemäß Punkt 19 des Vertrages nach Verzug mit nur zwei Mietzinsraten und nach Rücknahme des Gerätes den Mietzins für fünf Jahre begehre, da hier ein zu krasses Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliege. Der Beklagte dringe auch deshalb durch, weil er mit Recht in Vertretung der Klägerin gegenüber der Firma M vom Vertrag zurückgetreten sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte im wesentlichen auch dessen rechtliche Beurteilung. Ob das Gerät postamtlich zugelassen sei oder nicht, müsse nicht geprüft werden, weil es ja davon unabhängig schon an und für sich unbrauchbar gewesen sei. Daß der zwischen den Streitteilen geschlossene Mietvertrag ein handelsüblicher Leasing-Vertrag sei, stelle eine unzulässige Neuerung dar. Nach dem Prozeßvorbringen der Klägerin und der Textierung des Vertrages Beilage B sei nicht von einem Leasing-Vertrag, sondern von einem Mietvertrag auszugehen, so daß das Erstgericht mit Recht § 1096 ABGB angewendet habe. Wenn man aber einen Leasing-Vertrag annehmen wollte, verstoße dessen Punkt 4 gegen die guten Sitten, da im Ergebnis dem Beklagten gegen die Klägerin keine Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche zustunden. Da die Klage in erster Instanz nicht auf Schadenersatz gestützt worden sei, sei nicht zu prüfen, ob der Beklagte durch die Unterfertigung der Übernahmsbestätigung einen Schaden in Höhe des Klagsbetrages verschuldet habe.
Über Revision der klagenden Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Streitsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen handelt es sich bei dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrag um einen typischen Leasing-Vertrag in der Form des sogenannten mittelbaren Finanzierungs-Leasing. Dieser Sachüberlassungsvertrag eigener Art weicht in seiner vertraglichen Ausgestaltung in vielen Punkten vom Mietrecht des ABGB so ab, daß es nicht angeht, entsprechend der Beurteilung der Vorinstanzen nur dieses Mietrecht anzuwenden. Bei einem solchen Vertrag ist der Leasing-Geber nur verpflichtet, bei einem bestimmten Hersteller oder Händler den vom Leasing-Nehmer ausgewählten Gegenstand zu kaufen und zu erwerben und dem Leasing-Nehmer zu überlassen. Im übrigen übernimmt der Leasing-Geber nur die Finanzierungsaufgabe, trägt das Kreditrisiko, also das Risiko der Zahlungsfähigkeit des Leasing-Nehmers, und ist durch sein Eigentum an der Sache gesichert. Der Leasing-Nehmer trägt demgegenüber das volle Investitionsrisiko, also die volle Sachgefahr. Er hat die Leasingraten zu entrichten, auch wenn sich das erworbene Gut nicht bewährt, wenn es beschädigt oder zerstört wird oder wenn die Investition aus einem anderen Grund nicht zielführend war (vgl. dazu Frotz in Hämmerle-FS 1972, 97; Nitsche in ÖJZ 1974, 29 und 61 und die kürzlich zum gleichen Vertragsinhalt ergangenen Entscheidungen des OGH 2 Ob 501/79 und 1 Ob 586/79. In diesem Band Nr. 34 und Nr. 71).
Gegen die guten Sitten verstieße ein solcher Vertrag jedenfalls, wenn er die Freizeichnung von der erstmaligen Verschaffungspflicht enthielte (Nitsche a. a. O., 66 mit Hinweisen auf weiteres Schrifttum) oder wenn es dem Leasing-Nehmer gänzlich verwehrt wäre, Gewährleistungsansprüche zu erheben, wie sie sonst jedem Käufer einer Sache zustehen (Frotz a. a. O., 112 und 123; Emmerich in Staudinger BGB-Komm.[12], 654 Anm. 48 a, Vorbemerkung zu §§ 535, 536
BGB).
Der vorliegende Vertrag enthält jedoch keine derartigen Freizeichnungsklauseln: In Punkt 2 ist festgelegt, daß die Leasing-Raten erst nach Auslieferung des Gerätes" anfallen. In den Punkten 3 und 4 der Vertragsbedingungen wird die Haftung des Leasing-Gebers für die ordnungsgemäße Lieferung im Fall der Lieferung des Leasing-Gegenstandes durch den Leasing-Geber selbst überhaupt nicht ausgeschlossen. Für den Fall der Direktlieferung des Leasing-Gegenstandes "durch Hersteller oder Lieferanten oder sonstige dritte Personen" ist hingegen vorgesehen, daß der Leasing-Geber ",wenn diese nicht ordnungsgemäß erfüllen", dem Leasing-Nehmer "nur durch Abtretung seiner Ansprüche gegen diese" einzustehen habe (Punkt 3 der Vertragsbedingungen) und wegen der vom Leasing-Nehmer selbst getroffenen Auswahl des Leasing-Gegenstandes und nach schriftlicher Bekanntgabe der Übernahme des Leasing-Gegenstandes "weder für die Eignung desselben für den vom Mieter (= Leasing-Nehmer) vorgesehenen Verwendungszweck noch für die Verwendbarkeit im Hinblick auf die behördlichen Vorschriften" haftet.
Ihrer Verschaffungspflicht kam im vorliegenden Fall die klagende Partei nach. Der Beklagte hat den von ihm gewünschten Leasing-Gegenstand erhalten und zunächst, wenn auch in Unkenntnis seiner Mangelhaftigkeit, als Erfüllung angenommen und der klagenden Partei die Übernahme des Leasing-Gegenstandes schriftlich bekanntgegeben. Gemäß Punkt 5 der Vertragsbedingungen sollte der Leasing-Gegenstand mit der Übernahme durch den Beklagten als von ihm "in jeder Hinsicht" genehmigt gelten. Ansprüche gemäß §§ 918 ff, ABGB kann daher der Beklagte der Klägerin gegenüber nicht geltend machen. Damit tritt die auch im allgemeinen Vertragsrecht gegebene Rechtslage ein, daß ein Gläubiger, der eine mangelhafte Sache in Unkenntnis des Mangels vorbehaltlos als Erfüllung angenommen hat, nur mehr Gewährleistungsansprüche, nicht aber Ansprüche wegen Nichterfüllung (§§ 918 ff. ABGB) geltend machen kann (Entscheidungen Nr. 8 zu § 918 ABGB in MGA[30]; HS 8322, 8223).
In bezug auf die Möglichkeit der Erhebung von Gewährleistungsansprüchen ist die Sache jedoch entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen noch nicht spruchreif.
Zunächst ist noch nicht restlos geklärt, ob die in den Punkten 3 und 4 der Vertragsbedingungen behandelte Direktlieferung durch die Firma M stattgefunden hat oder nicht. Wenn auch festgestellt wurde, daß ein Vertreter P, der sich als Vertreter der Firma M ausgegeben hatte, das Gerät überbrachte und ein anderer Vertreter der Firma M es anschloß, so könnten diese Vertreter doch auch im unmittelbaren Auftrag der Klagenden Partei gehandelt haben und beispielsweise ein Gerät geliefert und angeschlossen haben, das sich zuvor schon in den Händen der klagenden Partei befunden hatte. Es kann daher noch nicht endgültig ausgeschlossen werden, daß die klagende Partei mangels der in den Punkten 3 und 4 der Vertragsbedingungen vorausgesetzten Direktlieferung nicht doch selbst nach den Regeln über die Gewährleistung nach §§ 922 ff. ABGB für die Mängelfreiheit des Leasing-Gegenstandes einzustehen hat.
Für den Fall, als jedoch eine solche Direktlieferung im Sinne der Punkte 3 und 4 der Vertragsbedingungen erwiesen werden sollte (im Schrifttum wird in einem solchen Fall auch von einem sogenannten selbständigen Finanzierungsleasing gesprochen), hätte die Klägerin grundsätzlich das Recht, die Bezahlung der Leasingraten für die ganze Vertragsdauer zu verlangen, obwohl das Gerät für den Beklagten unbrauchbar ist. Dem Beklagten stunde nur das Recht zu, von der klagenden Partei die Abtretung der ihr gegen die Firma M als Käufer zustehenden Gewährleistungsansprüche zu begehren.
Es wurde bisher aber nicht erörtert, welche Stellung die klagende Partei zum Wunsch des Beklagten nach Aufhebung des Kaufvertrages bezogen hat. Aus der schon erwähnten Vertragsbestimmung, der Leasing-Nehmer sei verpflichtet, alle dem Leasing-Geber zustehenden Rechte aus der Gewährleistung geltend zu machen (Punkt 11 der Vertragsbedingungen), kann nicht abgeleitet werden, daß die klagende Partei sich damit schon ihres Verfügungsrechtes über den von ihr abgeschlossenen Kaufvertrag und über den Kaufgegenstand begeben hat. Vielmehr hat die klagende Partei nach dem Vertrag das Recht, entweder dem Beklagten ihr Recht abzutreten, gegenüber der Firma M auf Aufhebung des Kaufvertrages zu dringen (Punkt 3 der Vertragsbedingungen) oder diesen Anspruch "im Interesse und auf Kosten" des Beklagten selbst geltend zu machen (Punkt 11 der Vertragsbedingungen).
Sollte die klagende Partei es abgelehnt haben, die Aufhebung des Kaufvertrages mit der Firma M geltend zu machen oder dieses Recht an den Beklagten abzutreten, wäre der Beklagte vor Erfüllung dieser Vertragspflicht der klagenden Partei gemäß § 1052 ABGB nicht gehalten, seinerseits zu erfüllen (2 Ob 501/79; vgl. dazu auch Reich, Entscheidungsbesprechung in NJW 1973, 1613).
Sollte es, was bisher nicht erhoben ist, zur Aufhebung des Kaufvertrages zwischen der klagenden Partei und der Firma M gekommen sein, dann würde damit wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage auch der Leasing-Vertrag aufgehoben (1 Ob 586/79; Emmerich a. a. O., Anm. 48 b). In diesem Fall käme es gemäß § 877, 1435 ABGB auch bezüglich des zwischen Leasing-Geber und Leasing-Nehmer geschlossenen Leasing-Vertrages zur Rückabwicklung. Leasing-Geber und Leasing-Nehmer hätten danach einander alles zurückzustellen oder zu vergüten, was sie aus dem unwirksam gewordenen Leasing-Vertrag zu ihrem Vorteil erhalten haben.
Es muß also das Schicksal des Kaufvertrages zwischen der klagenden Partei und der Firma M untersucht werden (Kam es zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen an den Beklagten? Übte die Klägerin selbst Gewährleistungsansprüche aus?) und geprüft werden, inwieweit die Klägerin ihre aufgezeigten Vertragspflichten erfüllt hat. Für den Fall der Aufhebung des Leasing-Vertrages müssen die angeführten Rückstellungs- oder Vergütungsansprüche erhoben werden.
Denkbar wäre auch noch der Fall, daß die Klägerin über den vom Beklagten zurückgestellten Telefoncomputer mittlerweile schon anderweitig verfügt hat, was als konkludente Zustimmung der klagenden Partei zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages gewertet werden müßte. In diesem Fall müßte der Beklagte höchstens die Leasing-Raten bis zu diesem festzustellenden Vertragsauflösungszeitpunkt entrichten.
Anmerkung
Z52157Schlagworte
FinanzierungsleasingEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0020OB00571.79.1106.000Dokumentnummer
JJT_19791106_OGH0002_0020OB00571_7900000_000