Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.November 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayerhofer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erhard A und andere wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 Z. 2 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Alfred B gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengericht vom 5. Juli 1979, GZ. 2 Vr 1410/78-85, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Steininger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen des Angeklagten Alfred B (zum Teil gemäß § 289 StPO.) sowie demgemäß auch in dem ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben und I. gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:
Alfred B ist schuldig, er hat am 22.September 1978 in Wien den Norbert C der Gefahr behördlicher Verfolgung dadurch ausgesetzt, daß er ihn durch seine Aussage vor dem Bezirkspolizeikommissariat Floridsdorf: 'Ich eilte mit D hinzu und schlug sowohl D als auch ich zusammen mit dem C auf diesen einen Burschen ein', des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB., sohin einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.
Er hat hiedurch das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB. begangen;
II. im weiteren Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde u.a. der am 26.Juli 1961 geborene (mithin zur Tatzeit noch jugendliche) Koch- und Kellnerlehrling Alfred B des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 10.September 1978 in Wien den Walter E (im Urteil unrichtig F - vgl. Band I S. 103, 148 d.A.) durch einen Faustschlag ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzte und am 22.September 1978 in Wien den Norbert C der Gefahr behördlicher Verfolgung dadurch aussetzte, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung falsch verdächtigte, indem er vor dem Bezirkspolizeikommissariat Floridsdorf angab, der Genannte habe sich an der am 10.September 1978 in verabredeter Verbindung zum Nachteil des Walter E begangenen Körperverletzung beteiligt, wobei er wußte, daß diese Angaben falsch waren.
Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte B mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a, 9 lit. b und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde (seine Berufung hat er im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof zurückgezogen).
Zum Schuldspruch wegen § 83 Abs. 1 StGB.:
Nach den Urteilsfeststellungen versetzte am Nachmittag des 10. September 1978 in einem Vergnügungspark in Floridsdorf der Mitangeklagte Günther D dem Walter E einen Faustschlag, durch welchen dieser besinnungslos zu Boden stürzte. Vor oder nach diesem Geschehen trat der Angeklagte Alfred B zu Walter E hinzu, schlug diesem ins Gesicht und entfernte sich sodann.
Später kamen noch andere unbekannte Burschen hinzu und mißhandelten Walter E gleichfalls. Dieser trug bei diesen Vorfällen einen mäßig geschwollenen Nasenrücken, geringe Hautabschürfungen und Halsschmerzen davon.
Nach Überzeugung des Erstgerichts war eine Tatbegehung in verabredeter Verbindung von mindestens drei Personen nicht zu erweisen.
Rechtliche Beurteilung
Mit Recht erblickt der Beschwerdeführer einen Feststellungsmangel im Sinn der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1
StPO. in dem Fehlen von Konstatierungen darüber, ob und welche Verletzungen des Walter E konkret auf seine Tathandlung zurückzuführen seien. Verletzungen, die eine bestimmte Person einem anderen nicht unmittelbar selbst zufügt, können dieser nämlich nur dann zugerechnet werden, wenn die Tat in verabredeter Verbindung von mindestens drei Personen (§ 84 Abs. 2 Z. 2 StGB.) oder zumindest in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mehrerer (mindestens zweier) Personen begangen wurde, nicht jedoch auch dann, wenn ein (bestimmter) Verletzungserfolg (leichten Grades) von mehreren, nicht durch einen gemeinsamen Tatentschluß verbundenen Personen herbeigeführt wurde. Im vorliegenden Fall schloß das Erstgericht nicht nur eine Verabredung des Beschwerdeführers mit anderen, sondern ersichtlich auch (schlichte) Mittäterschaft aus, indem es annahm, der Beschwerdeführer habe die Mißhandlung des Walter E, ohne von jemandem gesehen worden zu sein (Band II, S. 82 d.A.), also allein und ohne, daß sich andere, vom gleichen Vorsatz geleitete Personen im Tatortbereich befunden hätten, unternommen. Der Angeklagte Alfred B haftet demnach nicht für den gesamten, sondern nur für den aus der von ihm selbst entwickelten Deliktstätigkeit entstandenen Verletzungserfolg.
Zu einem Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen des vollendeten Vergehens der Körperverletzung hätte es daher Feststellungen darüber bedurft, ob und welche Verletzungen durch seine Tathandlung verursacht wurden.
Der aufgezeigte Feststellungsmangel macht eine Urteilsaufhebung im genannten Schuldspruch und eine nochmalige Verhandlung in erster Instanz unvermeidlich. Sofern im Hinblick auf die Angaben des Walter E, er könne sich an die Vorfälle nicht mehr genau erinnern und wisse nicht genau, wer ihn außer D noch geschlagen habe (Band I, S. 103, Band II, S. 65 d.A.), Konstatierungen in dieser Richtung nicht mehr getroffen werden können, wird im erneuerten Verfahren zu prüfen sein, ob der Angeklagte Alfred B den Walter E durch das Versetzen eines Schlages ins Gesicht (zumindest dolo eventuali) verletzen wollte und demnach das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. in der Erscheinungsform des Versuchs (§ 15 StGB.) zu verantworten hat; war dagegen sein Vorsatz nur auf Mißhandlung des Walter E gerichtet, so wäre der Versuch einer Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB. nicht denkbar (LSK. 1978/21).
Zum Schuldspruch wegen § 297 Abs. 1 StGB.:
Zu Unrecht bezeichnet der Beschwerdeführer diesen Schuldspruch als
nach der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO.
mangelhaft begründet, weil sich das Erstgericht nicht mit allen wesentlichen Beweisergebnissen auseinandergesetzt und seine Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter unrichtig wiedergegeben habe.
Daß Norbert C - wie die Beschwerde hervorhebt - bereits auf Grund der Angaben der Gabriele G (und des Günther D) schon vor der Einvernahme des Alfred B als Verdächtiger durch die Polizei zu den Ereignissen vom 10.September 1978 (auch wegen Verdachts der an Walter E begangenen Körperverletzung) vernommen und durch dessen wissentliche Falschbezichtigungen nur ein bereits bestehender Verdacht bestärkt wurde, hat das Erstgericht ohnedies angenommen (Band II, S. 90 d.A.). Ob die am 22.September 1978 beim Bezirkspolizeikommissariat Floridsdorf angenommene Niederschrift (Band I, S. 233 d.A.) aber die Angaben des Beschwerdeführers richtig wiedergibt, bedurfte in den Urteilsgründen keiner ausdrücklichen Erörterung; der Beschwerdeführer hat dies nämlich im Verfahren selbst nie bestritten, sondern sich nur darauf berufen, Norbert C nicht wider besseres Wissen der Beteiligung an der Körperverletzung des Walter E beschuldigt zu haben (Band II, S. 65 d.A.). Ebensowenig ist dem Erstgericht mit dem Hinweis, der Angeklagte Alfred B habe seine polizeilichen Depositionen vor dem Untersuchungsrichter aufrecht erhalten (und erst in der Hauptverhandlung widerrufen), eine - Urteilsnichtigkeit im Sinn der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. begründende - Aktenwidrigkeit unterlaufen. Denn einerseits waren für die Beurteilung seines Verhaltens als Verleumdung nur seine - in den Urteilsgründen aktengetreu wiedergegebenen - Falschangaben vor der Polizei entscheidungswesentlich, nicht aber auch deren Wiederholung vor dem Untersuchungsrichter (LSK. 1975/46 =
JBl. 1975, 269). Andererseits kommt es, wie noch zur Rechtsrüge näher auszuführen sein wird, unter dem Gesichtspunkt des § 297 Abs. 2 StGB. nicht darauf an, ob belastende Angaben schon vor dem Untersuchungsrichter oder erst in der Hauptverhandlung widerrufen wurden.
Im übrigen stellen die Ausführungen der Mängelrüge, mit denen der Beschwerdeführer auf seine vom Erstgericht als unglaubwürdig abgelehnte, eine wissentliche Falschbeschuldigung leugnende Verantwortung in der Hauptverhandlung zurückgreift, einen im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung dar.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht zutreffend davon aus, daß der Beschwerdeführer - ebenso wie der Mitangeklagte Günther D - durch seine bewußt wahrheitswidrige Darstellung vor der Polizei den Verdächtigten vorsätzlich der Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt hat, weil dieser Voraussetzung schon dann entsprochen ist, wenn der Täter einen gegen den Betroffenen bereits bestehenden Verdacht einer mit Strafe bedrohten Handlung verstärkt und dadurch die konkrete Gefahr einer behördlichen Verfolgung erhöht (vgl. SSt. 47/19 = LSK. 1976/181). Den Vorwurf einer mit Strafe bedrohten Handlung enthält aber das bezügliche Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers vor der Polizei ungeachtet dessen, daß dieser hiebei nicht ausdrücklich behauptete, Norbert C habe dem Walter E selbst Verletzungen zugefügt; denn bei einem im bewußten und gewollten Zusammenwirken unternommenen Angriff mehrerer haftet jeder Täter für den ganzen, aus der gemeinsamen deliktischen Handlungsweise hervorgegangenen Erfolg, wobei für die Annahme einer Mittäterschaft (mit derartigen Konsequenzen) schon ein spontanes, vom gleichen Vorsatz getragenes Zusammenwirken bei der Tat und damit auch eine erst während deren Verübung zustandegekommene Willenseinigung genügt (EvBl. 1979/146 =
LSK. 1979/102 u.a.). Diesen Erfordernissen entspräche ein Verhalten, wie es der Beschwerdeführer bei seiner polizeilichen Einvernahme bezüglich der Tatbeteiligung des Norbert C behauptete. Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. liegt daher insoweit nicht vor.
Im Recht ist der Beschwerdeführer hingegen, soweit er sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. geltend macht; er habe Norbert C nicht (wider besseres Wissen) einer in verabredeter Verbindung von mindestens drei Personen begangenen Körperverletzung, also nicht einer mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Tat beschuldigt. Denn zum Unterschied von einer (schlichten) Mittäterschaft erfordert eine Verabredung im Sinn des § 84 Abs. 2 Z. 2 StGB. einen gemeinsamen Tatentschluß, also eine vor Beginn der Tatausführung gelegene Willensübereinstimmung, kraft deren die zur Tatbegehung entschlossenen Personen als Einheit auftreten (vgl. abermals EvBl. 1979/146). Hievon kann jedoch nicht die Rede sein, wenn, wie dies der Beschwerdeführer vor der Polizei in Ansehung des gegen Walter E unternommenen tatsächlichen Angriffs behauptete, jemand in eine ohne vorigen Tatplan oder vorangegangene Willenseinigung bereits begonnene tätliche Auseinandersetzung eingreift.
Durch sein Vorbringen vor der Polizei - in dem er auch ausdrücklich betonte, ihm sei nicht bekannt, daß sich irgendwer verabredet hätte - bezichtigte der Angeklagte B sohin den Norbert C zwar des (im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit ihm und Günther D begangenen) Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB., nicht aber eines der Qualifikation des § 84 Abs. 2 Z. 2 StGB. entsprechenden Unrechtssachverhalts, der eine Wertung seiner Tat als Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. und seine Bestrafung nach dessen zweitem Strafsatz zur Folge hätte. Nicht durchzudringen vermag der Beschwerdeführer mit seinem auf die Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO.
gestützten Beschwerdeeinwand, es komme ihm infolge freiwilligen Widerrufs seiner Falschbezichtigung Straflosigkeit gemäß § 297 Abs. 2 StGB. zu. Denn nach dieser Bestimmung ist wegen Verleumdung nur nicht zu bestrafen, wer freiwillig die Gefahr einer behördlichen Verfolgung beseitigt, bevor eine Behörde etwas zur Verfolgung des Verdächtigten unternommen hat. Hat die Behörde - wie hier - den Verdächtigten bereits verfolgt, so genügt die Verhinderung weiterer Verfolgung - etwa durch einen zum Freispruch des Verdächtigten führenden Widerruf der belastenden Angaben - jedenfalls nicht den Voraussetzungen des § 297 Abs. 2 StGB. (sh. neuerlich SSt. 47/19 und LSK. 1976/353). Es war sohin in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E02372European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00138.79.1107.000Dokumentnummer
JJT_19791107_OGH0002_0100OS00138_7900000_000