Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lehmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. Juni 1979, GZ. 3 b Vr 2842/79-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, und der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Pascher, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre herabgesetzt. Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24. Jänner 1958 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Gelegenheitsarbeiter Franz A 1. des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 und 2 StGB, 2. des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB., 3. des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB.
4. des Vergehens des Betruges nach dem § 146 StGB.
und 5. des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er in Wien zu 1. am 13. Jänner 1979 Walter B mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB.), nämlich dadurch, daß er den Genannten an seiner Lederjacke packte und ihm zurief: 'Gib mir wieder das Etui, sonst gebe ich dir eine', eine fremde bewegliche Sache, und zwar 200 S Bargeld, mit dem Vorsatz abnötigte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich zog;
zu 2. am 14. März 1979 Herbert C durch die Worte:
'Wenn' st was sagst, stech' ich dich ab', sohin durch gefährliche Drohung, zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung zu nötigen versuchte;
zu 3. fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar a) am 13. Jänner 1979 Walter B 50 S Bargeld und eine angebrochene Schachtel mit ca. 13 Stück Zigaretten, b) am 14. März 1979 Ludwig D ein Glas Coca-Cola mit Rotwein im Werte von 15 S und zwei Stück Burenwurst im Werte von 18 S;
zu 4. am 13. Jänner 1979 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Walter B durch die Aufforderung, ihm einen Betrag von 50 S zu übergeben, wobei er ihm gleichzeitig vorspiegelte, er könne daraus 100 S machen, den Genannten durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe einer Fünfzigschillingnote, verleitete, die B um diesen Betrag an seinem Vermögen schädigte;
zu 5. fremde, Ludwig D gehörende Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert zerstörte, beschädigte bzw. unbrauchbar machte, und zwar a) am 16. Oktober 1978 zwei Aschenbecher im Werte von (insgesamt) 24 S, b) am 25. September 1978 durch Werfen eines Weinglases in eine Mehlspeisvitrine, Schaden (an Glas und Speisen) 100 S.
Der Sache nach nur gegen das Schuldspruchfaktum 3. a) insoweit ihm nicht nur der Diebstahl von Zigaretten, sondern auch von 50 S Bargeld angelastet wurde, und gegen Punkt 4.
des Schuldspruches wendet sich der Angeklagte mit einer Nichtigkeitsbeschwerde, in der er die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a und 10 StPO. geltend macht. Den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Gegen den zu 4. erfolgten Schuldspruch wegen Vergehens des Betruges durch Herauslockung der 50 S wird in der Nichtigkeitsbeschwerde in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. vorgebracht, der nach den Feststellungen des Gerichtes gebrauchte Vorwand sei so leicht zu durchschauen gewesen, daß er nicht als Täuschungshandlung im Sinne des Gesetzes zu werten sei, und daß Walter B offenbar seine Zustimmung zum Zerreissen der Banknote gegeben habe.
Diese Einrede ist nicht stichhältig. Täuschung ist ein Verhalten, das zur Irreführung und damit zur Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen bestimmt und geeignet ist. Die Täuschung muß sich auf eine Tatsache beziehen und kann durch Vorspiegelung einer falschen Tatsache erfolgen. Dabei wird ein besonders raffiniertes Vorgehen nicht verlangt; sofern die Täuschungshandlung zumindest abstrakt zur Irreführung geeignet ist, schließt selbst eine leichte Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Vorgaben die Annahme einer Täuschung nicht aus, mag es sich auch im Einzelfall um ein besonders plumpes Manöver handeln (vgl. dazu u. a. ÖJZ-LSK 1977/99 und Leukauf-Steininger, Komm.2, RN 12, 20 auch 21). Berücksichtigt man, daß der Zeuge B nach den erstgerichtlichen Urteilsannahmen von eher leichtgläubiger Geistesverfassung ist (vgl. dazu S. 143), so kann auch die erwähnte Feststellung als die einer gelungenen Täuschung nicht etwa als denkgesetzwidrig oder als sonst mit einem Begründungsmangel behaftet angesehen werden. Von einer Preisgabe der Banknote durch den Zeugen B und seiner Zustimmung zu ihrer Vernichtung, wie sie die Beschwerde behauptet, kann jedoch nach den gesamten Verfahrensergebnissen keine Rede sein; insbesondere hat der Beschwerdeführer selbst eine derartige Behauptung nie vorgebracht, die eine Feststellung in dieser Richtung indiziert hätte (vgl. S. 19 und 117 f.).
Soweit die Beschwerde sohin von dieser urteilsfremden Annahme ausgeht, kann sie nicht als eine gesetzmäßige Darstellung des angerufenen oder es anderen gesetzlichen Nichtigkeitsgrundes angesehen werden, sondern nur ein unzulässiger und damit unbeachtlicher Versuch, die Richtigkeit der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nach Art einer im Verfahren vor dem Schöffengericht nicht vorgesehenen Schuldberufung anzuzweifeln. Der Beschwerdeführer ist auch mit seiner Behauptung nicht im Recht, daß der Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281
StPO verwirklicht wurde, weil die Wegnahme der weiteren Fünfzigschilling-Banknote und deren Weitergabe an einen Unbekannten nicht als Diebstahl dem § 127 Abs. 1 StGB, sondern als dauernde Sachentziehung dem § 135 StGB zu unterstellen gewesen wäre. Da der Bereicherungsvorsatz bei allen Vermögensdelikten und daher auch dem Diebstahl darin besteht, sich oder einen anderen unrechtmäßig zu bereichern, ist nämlich das Tatbild auch dann hergestellt, wenn die unrechtmäßig weggenommene Sache nicht vom Täter behalten, sondern mit diesem Vorsatz einem anderen übergeben wird. Das Erstgericht war daher nicht verpflichtet, die Frage zu entscheiden, ob in diesem Fall der Angeklagte sich oder den Unbekannten (Bernhard) bereichern wollte.
Daß diese Weitergabe vom Angeklagten, wie vom Schöffensenat als erwiesen angenommen wurde, sohin an einen, vermutlich nur den Behörden, nicht aber auch ihm unbekannten Zechgenossen erfolgte, damit sie dieser dem Angeklagten zurückgebe, wodurch er bereichert werden sollte, oder um den 'Bernhard' selbst zu bereichern, stellt demnach eine hinreichende Tatsachenfeststellung zur Beurteilung dieser Tat als Diebstahl dar. Wer von den beiden durch diesen bereichert werden sollte, ist nämlich nicht von entscheidender Bedeutung.
Für das Tatbild des § 135 StGB bliebe hingegen nur dann Raum, wenn die Entziehung erfolgt wäre, ohne daß damit der Täter oder ein Dritter bereichert werden sollte. Die Beurteilung des Urteilsfaktums
3. a) erfolgte daher auch im bekämpften Umfang ohne Rechtsirrtum. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Zur Berufung:
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 142 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend: die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer Delikte, die Wiederholung einzelner davon, den raschen Rückfall sowie die Schädigung eines (geistig und körperlich) beeinträchtigten Menschen (nämlich Walter B); hingegen wurde das Unterbleiben der Vollendung im Nötigungsfaktum und die (objektive) Schadensgutmachung im Raub- und Betrugsfaktum als mildernd berücksichtigt.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Er reklamiert unter Hinweis auf sein bei der Polizei abgelegtes Geständnis den zusätzlichen Milderungsgrund des § 34 Z. 17 StGB. und vermeint im übrigen, das Erstgericht habe den Unrechtsgehalt der ihm zur Last liegenden Taten überbewertet. Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Dem Angeklagten kann auf Grund seiner Aussagen bei der Polizei (S. 17/18 d. A.) ein Teilgeständnis als zusätzlicher Milderungsgrund zugebilligt werden, weil diese Polizeiangaben in Ansehung der Urteilsfakten 1., 3. a) und 4. zur Wahrheitsfindung beitrugen (vgl. dazu Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN 26 zu § 34 Z. 17 StGB.). Von den sohin korrigierten Strafzumessungsgründen ausgehend und unter Berücksichtigung der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Grundsätze (§ 32 StGB.) erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren für angemessen. In diesem Sinne war der Berufung ein Erfolg zuzuerkennen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche zitierte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02369European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00139.79.1122.000Dokumentnummer
JJT_19791122_OGH0002_0120OS00139_7900000_000