Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayerhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A und Christian B wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Strafverfügungen des Bezirksgerichtes Leoben vom 6. Juni 1978, GZ 3 U 462/78-3 und 3 U 462/78-4, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die von dem in Richtung des Vergehens der Entwendung nach dem § 141 Abs 1 StGB gestellten Antrag auf Bestrafung abweichenden Strafverfügungen des Bezirksgerichtes Leoben vom 6. Juni 1978, GZ 3 U 462/78-3 und 3 U 462/78-4, denen zufolge Johann A und Christian B des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs 1 StGB schuldig erkannt und mit Geldstrafen belegt wurden, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 42 Abs 1 StGB.
Diese Strafverfügungen und alle sich darauf gründenden Verfügungen und Entscheidungen, insbesondere die Endverfügungen vom 28. und vom 30. Juni 1978, GZ 3 U 462/78-6
und 3 U 462/78-7, werden aufgehoben und es wird das gegen die Genannten wegen des Vorwurfes der Entwendung nach dem § 141 StGB eingeleitete Strafverfahren eingestellt.
Text
Gründe:
Am 16. Mai 1978 erstattete das Bundespolizeikommissariat Leoben gegen die bisher unbescholtenen Mittelschüler (Maturanten) Johann A und Christian B Anzeige wegen Verdachtes (des Vergehens) des Diebstahls, weil sie am 12. Mai 1978 gegen 2 Uhr früh nach einem Gartenfest in alkoholisiertem Zustand aus dem Glacispark in Leoben im gemeinsamen Zusammenwirken Tulpen und Narzissen im Gesamtwert von 140 S zum Nachteil der Stadtgemeinde Leoben gepflückt hatten. Die Anzeige langte am 22. Mai 1978 bei der Staatsanwaltschaft Leoben ein (S 17); ohne daß eine entsprechende Ermächtigung vorgelegen wäre, beantragte der staatsanwaltschaftliche Funktionär (BA) am 24. Mai 1978 beim Bezirksgericht Leoben die Bestrafung der beiden Angezeigten wegen Vergehens nach dem § 141 StGB (S 1). Das Bezirksgericht Leoben erließ hierauf am 6. Juni 1978 gegen Johann A und Christian B Strafverfügungen wegen Vergehens des Diebstahls (von Blumen im Wert von ca 140 S) nach dem § 127 Abs 1 StGB und verhängte Geldstrafen von je 20 Tagessätzen 'a 20 S, im Nichteinbringungsfalle jeweils 10 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, über die beiden Angezeigten, denen überdies gemäß dem § 389 StPO der Ersatz der mit je 300 S bestimmten Verfahrenskosten aufgetragen wurde (S 19 und 21). Die Strafverfügungen erwuchsen in Rechtskraft (S 25 und 27), die Geldstrafen und die Pauschalkosten wurden bereits bezahlt (S 23 und 29).
Rechtliche Beurteilung
Das Vorgehen des Bezirksgerichtes Leoben und diese beiden Strafverfügungen stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang. Aus der Formulierung und dem Inhalt der Anzeige ergibt sich der Verdacht einer von Johann A und Christian B im gemeinschaftlichen Zusammenwirken als Beteiligte begangenen Tat. In diesem Fall wäre aber - bei Verneinung der Voraussetzungen für die rechtliche Beurteilung der Tat als Entwendung (§ 141 Abs 1 StGB) - die Unterstellung der strafbaren Handlung unter die Bestimmung des § 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB gerechtfertigt und wegen der Höhe der Strafdrohung die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes nicht (mehr) gegeben (§ 9 Abs 1 Z 1 StPO). Ging das Bezirksgericht Leoben jedoch von der Annahme aus, daß jeder der beiden Beschuldigten ohne Beziehung zum andern die Tat für sich allein verübte, dann war es verfehlt, jedem der beiden Täter den vollen Wert der Diebsbeute (auch des anderen) anzulasten.
Allein, diese Problematik kann auf sich beruhen.
Denn, wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt, angesichts der geringen Schuld der Täter, des Umstandes, daß die Tat(en) nur unbedeutende Folgen nach sich zog(en) - Geldwert des (unverzüglich gutgemachten) Schadens höchstens 140 S (siehe S 15) - und der Tatsache, daß eine Bestrafung der Täter weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen geboten ist, liegen jedenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des § 42 StGB vor, zumal solchem Vorgehen selbst bei der strengstmöglichen rechtlichen Beurteilung der Tat auf Grund deren Darstellung in der Anzeige (§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB) die Höhe der Strafdrohung nicht entgegensteht. Im Hinblick auf den somit offenkundig den beiden Beschuldigten aus der Erlassung der Strafverfügungen erwachsenen Nachteil war daher im Sinne der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht nur die sich aus den vorstehenden Ausführungen ergebende Gesetzesverletzung festzustellen, sondern nach Aufhebung der Strafverfügungen das Verfahren auch sogleich gemäß dem § 42 Abs 2 zweiter Halbsatz StGB zu beenden.
Anmerkung
E02401European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00161.79.1211.000Dokumentnummer
JJT_19791211_OGH0002_0110OS00161_7900000_000