Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zehetmayr als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl Heinz A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 17. November 1978, GZ. 20 t Vr 3003/78-84, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wechsler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl Heinz A (I.) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB., (II.) des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142
Abs. 1, 143 StGB., (III.) des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. und (IV.) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffG. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in Wien (zu I.) am 16. April 1978 Leopold B durch zwei Revolverschüsse vorsätzlich tötete, (zu II.) am selben Tag in Gesellschaft der Mitangeklagten Hildegard Katharina C als Beteiligter dem Leopold B mit Gewalt gegen seine Person, indem er ihn mit einem Revolver (durch den Rücken) in die Brust schoß, während C vereinbarungsgemäß daneben saß und zumindest psychisch Beistand leistete, fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld, mit dem Vorsatze wegzunehmen versuchte, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Tat unter Verwendung einer Waffe verübt wurde und eine schwere Verletzung des Opfers zur Folge hatte, (zu III.) gleichfalls am selben Tag Othmar D mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod, und zwar durch das Abfeuern eines Revolverschusses, der in die Tür des von D gelenkten Personenkraftwagens einschlug, zum sofortigen Wegfahren mit dem Fahrzeug nötigte, und (zu IV.) in der Zeit vom 13. bis zum 16. April 1978
eine Faustfeuerwaffe, und zwar einen Revolver der Marke 'Smith & Wesson', unbefugt besaß und führte.
Die Geschwornen hatten jeweils einhellig die entsprechenden Schuldfragen nach Mord (Hauptfrage l), nach versuchtem schwerem Raub (Hauptfrage 8), nach schwerer Nötigung (Eventualfrage 6, die aktuell wurde, weil die zugehörige Hauptfrage 4
nach versuchtem weiterem Mord mit vier Stimmen 'ja' und vier Stimmen 'nein' beantwortet worden war) sowie nach dem Vergehen gemäß dem Waffengesetz (Hauptfrage 12) bejaht und Zusatzfragen nach Notwehr in bezug auf den Mord (Frage 2), nach freiwilligem Rücktritt vom Raubversuch (Frage 9) sowie nach Zurechnungsunfähigkeit in Ansehung der Nötigung (Frage 7) verneint.
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 344 (in der bis zum StRÄG. 1934 in Geltung gestandenen Fassung, nunmehr: § 345) Abs. 1 Z. 3, 4, 5, 6, 9
und 10 (nunmehr: 11) lit. b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu. Nicht zielführend sind zunächst jene Beschwerdeeinwände, mit denen er den Nichtigkeitsgrund nach Z. 4 der vorerwähnten Verfahrensbestimmung wegen angeblicher Verstöße gegen § 228 StPO. und gegen § 271 StPO. geltend macht. Die Bestimmungen des § 228 StPO. über die §ffentlichkeit der Hauptverhandlung beziehen sich nur auf Zuhörer; schon deswegen konnte ihnen die in der Beschwerde gerügte Vorladung einer Zeugin mit dem Auftrag, eine bestimmte Waffe mitzubringen, nicht zuwiderlaufen. Die Nichtigkeitsdrohung des § 271 (Abs.1) StPO. hinwieder erstreckt sich bloß darauf, daß ein Hauptverhandlungsprotokoll entweder überhaupt nicht aufgenommen oder nicht vom Vorsitzenden und vom Schriftführer unterschrieben worden ist; formale Mängel der schriftlichen Urteilsausfertigung dagegen, wie sie der Beschwerdeführer in der Verfahrensrüge (zum Teil mit Recht) aufzeigt, werden von der vorerwähnten Sanktion nicht erfaßt. Der Vorwurf aber, das Protokoll über die Hauptverhandlung sei zu Beginn 'der Rechtsmittelfrist' vom Vorsitzenden (noch) nicht unterfertigt gewesen, bedarf nach Lage des Falles keiner Überprüfung. Denn wenn eine derartige Formverletzung zur Zeit der Urteilszustellung an den Verteidiger tatsächlich vorlag, dann konnte sie hier jedenfalls im Hinblick darauf, daß nachträgliche Veränderungen des Protokollinhalts in der Beschwerde gar nicht behauptet werden (und auch ersichtlich nicht erfolgt sind), sodaß durch den Mangel keineswegs etwa die (ohnedies fristgerecht erstattete) Rechtsmittelausführung behindert war, unzweifelhaft keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung üben (§ 345 Abs. 3 StPO.). Das gegen eine Anwendung dieser - unrichtig mit 'Zif. 12, 2. Abs., des § 344
StPO.' (in der bis 1934 in Geltung gestandenen Fassung) zitierten - Relativitätsklausel vorgebrachte Beschwerdeargument, das angefochtene Urteil habe, weil in der Ausfertigung (offensichtlich versehentlich) der 17. November 1978 als Verhandlungstag nicht erwähnt wird, 'lediglich den Stoff der Verhandlungsprotokolle vom 14., 15. und 16. November 1978 verarbeitet', ist zum einen sachlich völlig haltlos (zumal die Nichterwähnung des 17. November 1978 ersichtlich nur auf einem Versehen beruht) und zum anderen im gegebenen Sachzusammenhang unverständlich.
Eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte im Sinn des § 345 Abs. 1 Z. 5 StPO. erblickt der Beschwerdeführer darin, daß der Schwurgerichtshof einem von ihm gestellten Antrag, auch jenes Protokoll zu verlesen, demzufolge die Mitangeklagte C ihre ihn (der an ihr begangenen gefährlichen Drohung, Körperverletzung und Erpressung) bezichtigenden Angaben widerrufen habe, nicht stattgegeben, die von ihm begehrte Vernehmung des Zeugen N. E abgelehnt und seinen weiteren Antrag, die sichergestellten Geschoße sowie das Unterhemd und das Oberhemd des Getöteten (Leopold B) dem Sachverständigen (Ing. F) vorzulegen, nicht erledigt habe. Auch diese Rügen gehen fehl.
Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (S. 290/III) wandte sich der Angeklagte nach der Verlesung verschiedener Aktenstücke durch den Vorsitzenden mit den Worten 'Sie haben die Niederschrift von C vor der Polizei verlesen. Ich bitte Sie, auch zu verlesen, daß sie diese Angaben später wieder berichtigt hat.' an diesen, der ihm darauf erwiderte, daß das betreffende Verfahren ja (ohnedies) von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden sei, womit sich sowohl er als auch sein Verteidiger begnügten. Unter diesen Umständen, insbesondere im Hinblick darauf, daß die ursprünglich erbetene Verlesung nicht den Gegenstand der Anklagevorwürfe betraf und daß sich der Beschwerdeführer mit der bezüglichen Klarstellung durch den Vorsitzenden zufrieden gab, ohne auf seinem Verlesungswunsch zu beharren und - vor allem -
auf eine Entscheidung (durch den Schwurgerichtshof) zu dringen, kann die vorerwähnte 'Bitte' (an den Vorsitzenden) inhaltlich nur als eine (in der Folge nicht aufrecht erhaltene) bloße Anregung verstanden werden, der nicht die prozessuale Bedeutung eines - sich als Grundlage für eine Verfahrensrüge eignenden - Antrags zukam, zumal sie auch die Angabe eines Beweisthemas vermissen ließ. Insoweit scheitert die Beschwerde demnach schon am Nichtvorliegen der formellen Voraussetzung eines vom Angeklagten (wenigstens der Sache nach) in der Hauptverhandlung gestellten und unerledigt gebliebenen (Beweis-)Antrags oder eines gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefällten Zwischenerkenntnisses (vgl. RZ. 1970 S. 78, EvBl.
1965/249 u.v.a.). Inwiefern in diesem Zusammenhang (im Sinn des ziffernmäßig zudem geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs. 1 Z. 3 StPO.) trotz seiner Verwahrung ein Schriftstück über einen nach dem Gesetz nichtigen Vorerhebungsoder Voruntersuchungsakt vorgelesen worden sein sollte, ist den Beschwerdeausführungen nicht zu entnehmen.
Die Vernehmung des Zeugen E hinwieder, durch die der Beschwerdeführer nachweisen wollte, daß es sich bei dem vom Polizeiarzt Dr. G bei der Entkleidung der Leiche des Leopold B zwischen dessen Unterleibchen und dessen Hemd wahrgenommenen und im Befund (S. 25/I) als leere Patronenhülse bezeichneten Objekt tatsächlich um eine solche gehandelt habe, deren Sicherstellung unterblieben sei (S. 283/III), wurde vom Schwurgerichtshof zu Recht abgewiesen (S. 288/III). Denn die Aktenlage bot keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß sich die Bekundungen des genannten Arztes auf einen anderen Gegenstand bezogen hätten als auf den, der in nahezu allen anderen Verfahrensergebnissen (vgl. insbes. S. 21, 283, 499-501, 505, 538/I, 3/II, 31, 272-274, 284-287/III; davon abweichend nur S. 23, 25/I, 281-283/III) als Projektil (Geschoß, Geschoßteil) beschrieben wird, und zwar als jenes (der beiden vom Angeklagten in den Rücken des Leopold B abgefeuerten), welches im Bereich des rechten Schulterblattes in dessen Körper eindrang und - anders als das zweite und als das in den Kopf geschossene -
nicht dort stecken blieb, sondern etwa in Brustmitte wieder austrat, bei der polizeilichen Leichenbeschau in der Kleidung des Toten gefunden, vom Zeugen H sichergestellt und durch den Zeugen I an das Büro für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung weitergeleitet sowie von diesem und von den Sachverständigen Dr. J sowie Ing. F begutachtet wurde. Die Vernehmung des Zeugen E bloß deshalb, weil Dr. G die 'Annahme' geäußert hatte, das von ihm wie beschrieben bei der Entkleidung der Leiche gesehene Objekt, welches er in der Hauptverhandlung (S. 282/III) 'schon eher' als Patronenhülse denn als Projektil bezeichnete, sei von jenem zu sich genommen worden - woraus der Beschwerdeführer zur Stützung seiner Notwehrversion hätte ableiten wollen, daß es sich dabei um ein anderes Objekt als das vorerwähnte Projektil, und zwar um die (gleichfalls zwischen dessen Leibchen und Hemd gelangte) leere Hülse einer von B abgefeuerten Patrone gehandelt habe, die in der Folge verschwunden sei -, hätte sich demzufolge in Ansehung dieser (der Beweiswürdigung durch die Geschwornen unterlegenen) Verantwortung als Durchführung eines reinen Erkundungsbeweises dargestellt, durch deren Ablehnung keinesfalls Verteidigungsrechte verletzt wurden. Die sichergestellten Geschoße sowie das Unterhemd (Leibchen) und das Oberhemd des Getöteten schließlich waren dem Sachverständigen Ing. F (ebenso wie dem Sachverständigen Dr. J) bei der Befundaufnahme ohnedies vorgelegen; sowohl damals (vgl. S. 59, 60, 62/III) als auch in dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten (S. 272- 274/
III) wurde bei der Identifizierung der sichergestellten Projektile ohnehin auch darauf Bedacht genommen, daß eines davon zwar den Körper des Opfers, nicht aber dessen Kleidung an der Körpervorderseite durchdrungen hatte. Die Nichterledigung des Antrags, die vorerwähnten Gegenstände (neuerlich) dem Sachverständigen (Ing. F) zu diesen Beweisthemen vorzulegen (S. 274/III), konnte daher (abermals) unzweifelhaft keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung (in der Beweisfrage durch die Geschwornen) üben (§ 345 Abs. 3 StPO.).
Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO. - und mit Bezug auf die Abweisung von Anträgen zur Fragestellung durch den Schwurgerichtshof neuerlich auch desjenigen nach Z. 5 dieser Verfahrensbestimmung, womit er aber der Sache nach doch wieder nur eine Nichtigkeit im zuvor angeführten Sinn behauptet - rügt der Beschwerdeführer die Hauptfrage 1 (nach Mord) wegen mangelhafter Individualisierung und wegen unzulässiger Zusammenfassung mehrerer Tathandlungen sowie weiters die Nichtstellung von Zusatzfragen dazu (gleichwie zur bezüglichen Eventualfrage 3 nach fahrlässiger Tötung) und von Eventualfragen zur Hauptfrage 8 (nach Raubversuch). Die damit eingewendeten Verstöße gegen die Vorschriften über die Fragestellung (§§ 312 bis 317 StPO.) sind jedoch nicht unterlaufen.
Die bekämpfte Zusammenfassung von zwei Revolverschüssen als Tathandlungen in der Hauptfrage (Nr. 1) nach Mord war gemäß § 317 Abs. 2 StPO. durchaus zulässig, weil sie - den Beschwerdeargumenten zuwider - die Geschwornen keineswegs außerstande setzte, über den betreffenden Anklagevorwurf einen brauchbaren Wahrspruch zu fällen. Geht es doch bei diesen Tathandlungen nach dem für die bezügliche Frage maßgebenden (§ 312 Abs. 1 StPO.) Inhalt der Anklageschrift (und dem damit völlig konformen Ergebnis der Hauptverhandlung) ganz unmißverständlich nicht - wie in der Beschwerde darzustellen versucht wird - um die beiden Schüsse in den Rücken des Tatopfers, von denen einer, und zwar der chronologisch erste, als in Realisierung des Raubvorsatzes abgefeuert von der Hauptfrage (Nr. 8) nach Raubversuch erfaßt wird, sondern vielmehr um die beiden chronologisch folgenden, von denen nur einer (gleichfalls) in den Rücken, der andere aber in den Kopf des Leopold B eindrang. Die auf der (nach dem Gesagten unrichtigen) Annahme, daß die beiden in den Rücken des Taxilenkers abgegebenen Revolverschüsse Gegenstand der Hauptfrage (Nr. 1) nach Mord seien, beruhenden Einwände gegen die Zusammenfassung von zwei in essentiell verschiedenen Phasen des Gesamtgeschehens gesetzten Tathandlungen in einer einzigen Frage und gegen die Nichtstellung einer Zusatzfrage nach Putativnotwehr zu dieser Hauptfrage gehen mithin fehl.
Nach § 312 Abs. 1 StPO. - in der Beschwerde unrichtig zitiert als § 318 StPO. (in der bis 1934 in Geltung gestandenen Fassung) - war aber auch eine nähere Beschreibung der in Rede stehenden beiden Schüsse in der bezeichneten Hauptfrage (Nr. 1) zu einer ausreichenden Individualisierung der Tat nicht erforderlich. Denn die vom Angeklagten bemängelte Darstellung des Geschehens in dieser Frage reicht vollkommen aus, um jede Gefahr einer Verwechslung, die zu einer Doppelverurteilung Anlaß geben könnte, auszuschalten; eine darüber hinausgehende (noch genauere) Beschreibung (Konkretisierung) des Tatgeschehens im Wahrspruch oder im Urteilstenor aber ist weder in der angeführten Verfahrensbestimmung noch sonst in der Prozeßordnung vorgeschrieben.
Desgleichen hat der Schwurgerichtshof schließlich die Stellung der vom Beschwerdeführer erwünschten Zusatz- und Eventualfragen an die Geschwornen mit Recht abgelehnt (S. 293, 294/III).
In der Tat war eine Zusatzfrage nach Putativnotwehr (zur Hauptfrage nach Mord und zur bezüglichen Eventualfrage nach fahrlässiger Tötung) deshalb nicht indiziert, weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung (S. 194 ff./III) keineswegs ein Verhalten des Leopold B unmittelbar vor oder während der Tat behauptet hat, welches für die bloß irrtümliche Annahme eines gegen ihn gerichteten Angriffs des Genannten auf Leib oder Leben Raum ließe. Nach dem Inhalt seiner Darstellung, die der Beweiswürdigung durch die Geschwornen unterlag, kam vielmehr, wie der Schwurgerichtshof zutreffend erkannte, nur das Vorliegen einer - ohnedies von der Zusatzfrage 2 erfaßten - echten Notwehrsituation (§ 3 StGB.) in Betracht, wogegen die Annahme einer bloßen Putativnotwehr (§ 8 StGB.) ausgeschlossen war. Andere Ergebnisse der Hauptverhandlung, nach denen die vermißte (weitere) Zusatzfrage (nach Putativnotwehr) geboten gewesen wäre, vermag der Angeklagte ebensowenig aufzuzeigen wie solche, die zu einer Eventualfrage nach Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB.) zur Duldung einer Verweigerung des Fuhrlohnes (zur Hauptfrage 8 nach Raubversuch) hätten Anlaß geben können. Bei dem Einwand, daß seine Verantwortung auch niemals in Richtung Mord gelautet habe 'und dennoch auf Grund der möglichen Ergebnisse der Voruntersuchung und des Hauptverfahrens die Frage Nr. 1 an die Geschwornen gerichtet' worden sei, übersieht der Beschwerdeführer zum einen die Bestimmung des § 312 Abs. 1 StPO., wonach die Hauptfrage jedenfalls nach dem Gegenstand des Anklagevorwurfs zu richten ist, und zum anderen läßt er außer acht, daß in bezug auf eine Putativnotwehr oder auf eine Nötigung zur Duldung einer Verweigerung des Fuhrlohnes in der Hauptverhandlung eben nicht einmal solche Tatsachen vorgebracht worden sind, aus denen eine derartige Annahme auch nur als möglich hätte abgeleitet werden können.
Mit Recht wurde ferner eine Eventualfrage nach Erschleichung der Beförderung (ebenfalls zur Hauptfrage 8 nach Raubversuch) nicht gestellt, weil das Tatbild des § 149 Abs. 1 StGB. nur die Beförderung durch eine dem öffentlichen Verkehr dienende Anstalt, nicht aber eine solche durch ein Taxi erfaßt und weil sich die vom Angeklagten vermißte Fragestellung zudem auf Täuschungshandlungen erstreckt hätte, die (auch unter dem Gesichtspunkt des § 146 StGB.) nicht Gegenstand der in der Anklage gegen ihn erhobenen Vorwürfe waren.
Beizupflichten ist schließlich der Auffassung des Schwurgerichtshofs, daß eine Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB.) zur Hauptfrage 1 (nach Mord) samt zugehöriger Eventualfrage 3 (nach fahrlässiger Tötung) weder durch die Verantwortung des Beschwerdeführers noch durch das Sachverständigengutachten (des Dr. K) noch durch sonstige Ergebnisse der Hauptverhandlung indiziert war. Mit der in der Beschwerde, in der diese Begründung des Zwischenerkenntnisses (S. 294/III) übergangen - und nur die ihr vorangegangene, ersichtlich bloß auf die Verweigerung einer analogen Zusatzfrage (nach Zurechnungsunfähigkeit) zur Hauptfrage 8 (nach Raubversuch) gemünzte (S. 293/III) releviert - wird, an anderer Stelle hervorgehobenen Formulierung in der Anklageschrift, daß der Angeklagte nach dem beim Raubversuch abgegebenen (ersten) Schuß in 'fürchterliche Panik' geraten sei (S. 155/III), für sich allein wurden in der Hauptverhandlung, zumal unter Bedacht auf alle übrigen Verfahrensergebnisse, insbesondere auf die Darstellung des Beschwerdeführers selbst, keineswegs schon Tatsachen vorgebracht, die im Fall ihrer Feststellung die rechtliche Annahme gestattet hätten, jener habe sich ab dem bezeichneten Zeitpunkt in einem Zustand der Diskretions- oder Dispositionsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB. befunden. Daraus folgt allerdings, daß aus demselben Grund auch die gleichartigen Zusatzfragen 5 und 7
(nach Zurechnungsunfähigkeit) zur Hauptfrage 4 (nach Mordversuch an Othmar D) und zur bezüglichen Eventualfrage 6
(nach Nötigung des D zum Wegfahren) in Wahrheit nicht indiziert waren; daß der Schwurgerichtshof - ohne daß dies dem Angeklagten zum Nachteil gereichen konnte -
jene Fragen, von denen die eine (Frage 5) nicht beantwortet werden mußte und die andere (Frage 7) einstimmig verneint wurde, trotzdem stellte, vermag jedoch an der dargelegten Unzulässigkeit der in der Beschwerde reklamierten analogen Zusatzfragen zur Hauptfrage 1 und zur Eventualfrage 3 nichts zu ändern.
Inwiefern in der Beantwortung der Fragen 1, 8 und 9 durch die Geschwornen - also in der Bejahung der Hauptfragen nach Mord und nach Raubversuch sowie in der Verneinung der Zusatzfrage nach freiwilligem Rücktritt vom Raubversuch -
ein Widerspruch im Sinn des § 345 Abs. 1 Z. 9 StPO. gelegen sein sollte, bleibt nach den Beschwerdeausführungen unerfindlich. Der Sache bekämpft der Angeklagte mit dem darauf bezogenen Argument, die Geschwornen hätten durch die Verneinung der Zusatzfrage 2 (nach Notwehr in bezug auf die Tötung des Leopold B) und durch die Ablehnung einer Eventualfrage nach Putativnotwehr offen lassen müssen, warum sie die Hauptfrage 8, 'daß es lediglich beim Versuch des Raubes geblieben ist', bejaht und die Zusazfrage 9, ob er die Ausführung der Tat freiwillig aufgegeben habe, verneint haben, nur unzulässigerweise deren Beweiswürdigung, mit der sie seiner Verantwortung, er habe Leopold B in einer Notwehrsituation getötet und er sei vom Raubversuch schon vorher freiwillig zurückgetreten, nicht folgten.
Die auf § 345 Abs. 1 Z. 11 lit. b StPO. gestützte Rechtsrüge des Beschwerdeführers aber entbehrt überhaupt einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil er mit den betreffenden Einwänden nicht - wie dazu erforderlich wäre - das Vorliegen eines prozessualen Verfolgungshindernisses behauptet, sondern zum einen nur neuerlich unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Geschwornen bei der Verneinung der Zusatzfrage 9
(nach freiwilligem Rücktritt vom Raubversuch) anficht und zum anderen der Sache nach lediglich die bereits als nicht stichhältig erkannte Argumentation für das Vorliegen einer Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z. 9 StPO. wiederholt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB. unter Bedacht auf § 28 StGB. zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Dabei wertete es seine in bezug auf die Vergehen der schweren Nötigung und nach dem Waffengesetz geständige Verantwortung sowie den Umstand, daß der schwere Raub beim Versuch geblieben ist, als mildernd, seine einschlägigen und zum Teil mit empfindlichem Freiheitsentzug verbundenen Vorverurteilungen, seine führende Rolle beim Raubversuch in Verbindung mit der Verleitung der Mitangeklagten C zur Mittäterschaft, seinen äußerst raschen Rückfall, die Deliktshäufung und die zweifache Qualifikation des versuchten Raubes nach § 143 StGB. dagegen als erschwerend.
Der Berufung des Angeklagten, mit der er (letztlich) eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Die Annahme, daß er beim Raubversuch eine führende Rolle spielte und C zur Mittäterschaft verleitete, ist nach der Aktenlage unbedenklich; seine Ansicht, er sei insoweit gleichfalls nur als Einzeltäter anzusehen, ist nach dem (die genannte Mitangeklagte betreffenden) Wahrspruch der Geschwornen verfehlt. Ein reumütiges Geständnis oder ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung auch in Ansehung des Raubversuchs und des Mordes kann aus seiner Verantwortung nicht abgeleitet werden. Seiner gewiß schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Situation vor dem Tatgeschehen aber kommt in angemessener Relation dazu kein ins Gewicht fallender Milderungswert zu.
Für eine verminderte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit schließlich, sei es aus welchem Aspekt auch immer, bot das Verfahren - ungeachtet der aus der Eskalation seiner Gewalttätigkeit resultierenden Steigerung seiner Erregung -
keinen Anhaltspunkt, sodaß insoweit zu einer ergänzenden Beiziehung eines Sachverständigen für Psychiatrie kein Anlaß bestand. Bei sachgerechtem Abwägen der vorliegenden Strafzumessungsgründe ergibt sich insbesondere aus dem schwer belasteten Vorleben des Angeklagten, aus seinem sehr raschen Rückfall nach der Entlassung aus neuerlich längerdauernder Strafhaft und aus seiner erschreckenden Gemütsroheit bei der Tatbegehung in Verbindung mit dem außerordentlich hohen konkreten Unwertgehalt des Mordes, des Raubversuchs und der schweren Nötigung ein beträchtliches Überwiegen der Erschwerungsumstände gegenüber den Milderungsgründen. Demgemäß wird die vom Geschwornengericht über den Angeklagten verhängte Höchststrafe - auch unter Bedacht auf die ihm mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Oktober 1978, AZ. 6 e Vr 3175/78, zuerkannte zeitliche Freiheitsstrafe (vgl. RZ. 1978/23, ÖJZ-LSK. 1976/106) und ohne daß es einer von einem Sachverständigen für Psychiatrie zu erstellenden Gefährlichkeitsprognose bedürfte - seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) durchaus gerecht. Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E02418European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00157.79.1211.000Dokumentnummer
JJT_19791211_OGH0002_0090OS00157_7900000_000