Norm
ABGB §94Kopf
SZ 52/182
Spruch
Ein während der Ehe geschaffener, den gesetzlichen Unterhalt bestimmender Exekutionstitel wird durch die Ehescheidung nach § 55 Abs. 3 EheG mit einem Verschuldensausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG grundsätzlich nicht berührt. Der berechtigte Ehegatte erwirbt dadurch nicht einen neuen, auf einem anderen Rechtsgrund beruhenden Unterhaltsanspruch; inhaltliche Unterschiede zwischen dem Unterhalt vor und nach der Scheidung können nicht den Grund des Anspruches, sondern nur die dessen Ausmaß bestimmenden Tatsachengrundlagen - also regelmäßig die Unterhaltsbemessung - betreffen
OGH 12. Dezember 1979, 3 Ob 156/79 (KG Wels R 260/79; BG Wels 2 C 2469/78)
Text
Das Erstgericht als Titelgericht bewilligte der nunmehrigen Beklagten gegen den nunmehrigen Kläger auf Grund des Vergleiches vom 3. Oktober 1966 zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von 700 S (für Oktober 1978) und der ab 1. November 1978 am Ersten eines jeden Monats fälligen Unterhaltsbeträge von je 700 S Fahrnis- und Gehaltsexekution. Letztere Exekution ist noch anhängig.
Mit der vorliegenden Klage erhob der Kläger nach § 35 EO Einwendungen gegen die betriebenen Unterhaltsansprüche mit der Begründung, die betriebenen Unterhaltsansprüche seien durch die mit Wirksamkeit vom 14. September 1978 gemäß § 55 Abs. 3 EheG erfolgte Scheidung der Ehe der Streitteile unwirksam geworden und daher erloschen. Außerdem hätten sich die Einkommensverhältnisse der Beklagten wesentlich gebessert, so daß ihr Unterhaltsanspruch auch bei Berücksichtigung der Umstandsklausel erloschen sei.
Das Erstgericht gab den Einwendungen des Klägers, ohne die behauptete Änderung der Verhältnisse als Einwendungstatbestand zu prüfen, schon mit der Begründung statt, der Titel sei durch die nachfolgende Scheidung der Ehe der Streitteile unwirksam geworden, der betriebene Unterhaltsanspruch daher erloschen.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Sache an dieses zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt zurück. Es ging hierbei von der unbekämpften Feststellung aus, daß die Ehe der Streitteile mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 5. September 1978, 3 Cg 324/78-4, mit Wirksamkeit vom 14. September 1978 gemäß § 55 Abs. 3 EheG mit dem Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG, daß der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet hat, geschieden worden ist. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes komme daher die seit 1. Juli 1978 geltende Bestimmung des § 69 Abs. 2 EheG (i. d. F. BG BGBl. 280/1978) zur Anwendung. Bei einer Ehescheidung gemäß § 55 EheG mit Verschuldensausspruch gemäß § 61 Abs. 3 EheG bleibe der an der Zerrüttung schuldlose Ehegatte zufolge § 69 Abs. 2 EheG hinsichtlich seines Unterhaltsanspruches grundsätzlich so gestellt, wie wenn die Ehe weiterhin aufrechtbestunde. Das besage, daß der Rechtsgrund des nach der Ehescheidung fortbestehenden Unterhaltsanspruches nicht geändert werde. Dies gelte auch dann, wenn der Unterhaltstitel bereits vor dem Inkrafttreten des § 94 ABGB (i. d. F. BGBl. 412/1975) geschaffen worden sei. Das Erstgericht hätte somit nicht davon ausgehen dürfen, daß die betriebenen Unterhaltsansprüche schon durch die Ehescheidung erloschen seien; es hätte daher die weiteren Einwendungen, wonach die Ansprüche durch die Änderung der Einkommensverhältnisse erloschen seien, prüfen müssen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, daß sich im Fall der Scheidung der Ehe nach § 55 Abs. 3 EheG mit einem Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG am Rechtsgrund eines weiterhin bestehenden Unterhaltsanspruches des im Scheidungsverfahren beklagten Ehegatten nach der nunmehr geltenden Vorschrift des § 69 Abs. 2 EheG grundsätzlich nichts ändert. Das ergibt sich aus den Worten "..... gilt für den Unterhaltsanspruch des beklagten Ehegatten auch nach der Scheidung der § 94 ABGB". Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß in § 69 Abs. 2 EheG über das Grundsätzliche hinaus auch einzelne Probleme, die sich bezüglich des Unterhalts nach der Scheidung ergeben können (Krankenversicherung der Unterhaltsberechtigten, Wiederverehelichung des Verpflichteten), besonders geregelt werden. Der beklagte Ehegatte erwirbt also durch die Ehescheidung nach § 55 Abs. 3 EheG (mit Verschuldensausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG) nicht einen neuen, auf einem anderen Rechtsgrund beruhenden Unterhaltsanspruch. Inhaltliche Unterschiede zwischen dem Unterhalt vor und nach der Scheidung, wie sie Kerschner in JBl. 1979, 562 FN 15, für gegeben hält, können daher nicht den Grund des, Anspruches, sondern höchstens die das Ausmaß des Unterhaltsanspruches bestimmenden Tatsachengrundlagen betreffen, welche im Regelfall nur der Unterhaltsbemessung zuzuordnen sind. Wenn etwa Mittag in AnwBl. 1979, 255 ff., ausführt, daß § 69 Abs. 2 EheG i. d. F. vor der EheGNovelle BGBl. 280/1978 dem beklagen Ehegatten im Fall der Scheidung nach § 55 EheG einen auf einem anderen Rechtsgrund beruhenden Unterhaltsanspruch eingeräumt habe (in diesem Sinne insbesondere SZ 24/75), weil die Voraussetzungen für den weiteren Unterhaltsanspruch völlig andere waren als jene nach § 91 ABGB, so gilt dies nicht mehr für die nunmehrige gesetzliche Regelung. Nach dieser wird somit ein während der Ehe geschaffener Unterhaltstitel (zugunsten der beklagten Ehegattin) durch die Ehescheidung (nach § 55 Abs. 3 EheG mit Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG) grundsätzlich nicht berührt (Ent in NotZ 1979, 149 f.). Die vorstehende Auslegung des nunmehr geltenden § 69 Abs. 2 EheG findet ihre Bestätigung im erklärten Willen des Gesetzgebers, die im Fall der Ehescheidung nach § 55 EheG (mit Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG) beklagte Ehegattin bezüglich ihres Unterhaltsrechtes so zu stellen, "wie wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre" (s. hiezu die RV, 289 BlgNR, XIV GP, 12, und den AB, 916 BlgNR, XIV. GP, 2; im AB, 10 wird sogar ausdrücklich erklärt, ein während der Ehe vom Gericht bestimmter Unterhaltsanspruch des Beklagten werde durch die Scheidung nicht berührt, ebenso auch nicht ein Vergleich, den die Ehegatten während der Ehe auf gesetzlicher Grundlage über den Unterhalt geschlossen haben, sofern sich nicht sonst die maßgeblichen Umstände geändert haben sollten). Daß diese Grundsätze auch dann zu gelten haben, wenn der Exekutionstitel noch im Zeitpunkt der Geltung des früher das Unterhaltsrecht der Ehegatten regelnden § 91 ABGB geschaffen wurde, hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend dargelegt. Der Kläger hat im übrigen der Beklagten Unterhalt im Zeitpunkt der Scheidung nur auf der Rechtsgrundlage des § 94 ABGB geschuldet. Er hat sich nicht darauf berufen, daß seine titelmäßige Unterhaltsverpflichtung dieser Rechtslage nicht mehr entsprochen habe, sondern vielmehr dieser Verpflichtung nach der Aktenlage offenbar auch nach dem Inkrafttreten des § 94 ABGB neu bis zur Ehescheidung entsprochen. Schließlich ist mangels gegenteiliger Behauptungen auch davon auszugehen, daß mit dem gegenständlichen Exekutionstitel bloß der gesetzliche Unterhaltsanspruch verglichen wurde, also nicht ein darüber hinausgehender vertraglicher Unterhaltsanspruch begrundet werden sollte (vgl. EFSlg. 25 338, 27 810 u. a.).
Das Erstgericht hat sohin die betriebenen Unterhaltsansprüche zu Unrecht schon wegen der erfolgten Ehescheidung als erloschen angesehen; es hätte daher den zweiten geltend gemachten Einwendungstatbestand, nämlich das Erlöschen der Ansprüche wegen Änderung der Einkommensverhältnisse, prüfen und darüber eine Entscheidung treffen müssen. Das Berufungsgericht hat somit das Urteil des Erstgerichtes ohne Rechtsirrtum aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Anmerkung
Z52182Schlagworte
Unterhaltstitel, während der Ehe geschaffen, Unterhalt vor und nach der ScheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0030OB00156.79.1212.000Dokumentnummer
JJT_19791212_OGH0002_0030OB00156_7900000_000