Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Dezember 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lehmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A und Karl B wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1
und Abs. 2, 117 Abs. 2 StGB. über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 29.März 1979, AZ. 8 Bs 46/79, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafsache gegen Rudolf A und Karl B wegen §§ 111 Abs. 1 und Abs. 2, 117 Abs. 2
StGB., AZ. 28 E Vr 572/78 des Landesgerichtes Linz, verletzt das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 29.März 1979, AZ. 8 Bs 46/79, womit die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6.Oktober 1978, GZ. 28 E Vr 572/78-15, ohne meritorisches Eingehen auf dieses Rechtsmittel mit der Begründung zurückgewiesen wurde, daß das Verfolgungsrecht der Staatsanwaltschaft erloschen sei, das Gesetz in der Bestimmung des § 117 Abs. 2 StGB. in Verbindung mit § 46 Abs. 1 StPO.
Die Gesetzesverletzung wird festgestellt.
Text
Gründe:
In einem bei der Staatsanwaltschaft am 13.März 1978 eingelangten Schreiben begehrten die bei der Stadtgemeinde Traun tätigen Gemeindewachebeamten Johann C und Franz D, den am 23.August 1945 geborenen Redakteur Rudolf A und den am 28.September 1934 geborenen Papierarbeiter Karl B wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach §§ 111 Abs. 1 und 2, 117 Abs. 2 StGB. strafgerichtlich zu verfolgen, weil sie sich durch einen von Rudolf A auf Grund einer Information des Karl B verfaßten Artikel in der 'Linzer Rundschau' vom 16.Februar 1978 in Beziehung auf Berufshandlungen in ihrer Ehre verletzt fühlten. Zu dieser Verfolgung erteilten die in ihrer Ehre Verletzten und die ihnen vorgesetzte Stadtgemeinde Traun gemäß § 117 Abs. 2 StGB. die Ermächtigung.
Am 20.März 1978 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Untersuchungsrichter u.a. die verantwortliche Abhörung der Verdächtigen gemäß § 38 Abs. 3 StPO. und erhob nach Durchführung weiterer Vorerhebungen am 3.Juli 1978 beim Einzelrichter des Landesgerichtes Linz Strafantrag gegen Rudolf A und Karl B wegen §§ 111 Abs. 1 und 2, 117 Abs. 2 StGB. Von diesem Strafantrag wurden die Genannten mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6.Oktober 1978, GZ. 28 E Vr 572/78-15, und zwar Rudolf A gemäß § 259 Z. 4 StPO. und Karl B gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Gegen diese Freisprüche erhoben die Staatsanwaltschaft und die Privatbeteiligten Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld, die Privatbeteiligten auch 'wegen Strafe'.
Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29.März 1979, AZ. 8 Bs 46/79, wurde die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet zurückgewiesen. Über die angemeldete, in der Folge jedoch nicht ausgeführte - im übrigen unzulässige (§§ 49 Abs. 1 Z. 3, 465 Abs. 3, 489 Abs. 1 StPO.) - Berufung der Privatbeteiligten wurde bisher nicht entschieden.
In der zitierten Entscheidung vertrat das Oberlandesgericht Linz im wesentlichen die Auffassung, daß der öffentliche Ankläger, der einen Täter unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 StGB. mit Ermächtigung des Verletzten (und der diesem vorgesetzten Stelle) verfolgt, innerhalb einer Frist von sechs Wochen einen Verfolgungsantrag im Sinne des § 46 Abs. 1 zweiter Satz StPO., also - ebenso wie der Privatankläger selbst - einen auf die Einleitung der Voruntersuchung oder auf die Bestrafung des Täters - und nicht bloß auf Vorerhebungen - gerichteten Antrag stellen müsse. Da die Staatsanwaltschaft vorliegend erst nach Ablauf der sechswöchigen Anklagefrist (nach Durchführung von Vorerhebungen) einen Strafantrag gestellt habe, sei eine strafgerichtliche Verfolgung der beiden Angeklagten ausgeschlossen. Da das Berufungsgericht schon aus diesem Grund die Freisprüche der Angeklagten im Ergebnis für berechtigt erachtete, ging es auf die von der Staatsanwaltschaft gegen sie geltend gemachten Nichtigkeitsgründe und auf deren Berufung wegen Schuld nicht ein.
Rechtliche Beurteilung
Die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
In den Fällen des § 117 Abs. 2 StGB. liegt grundsätzlich ein Offizialdelikt vor, allerdings in der eingeschränkten Form des Ermächtigungsdelikts (mit subsidiärer Anklageberechtigung des Beleidigten) und mit der weiteren Einschränkung, daß der Staatsanwalt die Tat nur innerhalb der sonst dem Verletzten für das Verlangen auf Verfolgung offenstehenden Frist verfolgen darf; weitere Beschränkungen des öffentlichen Anklägers sind dagegen dem § 117 Abs. 2 StGB., aber auch den Prozeßvorschriften nicht zu entnehmen, vor allem ist der Staatsanwalt - anders als in den Fällen des § 46 Abs. 4 StPO. - nicht auf die Rechte des Privatanklägers beschränkt. In welcher Form der Staatsanwalt sein Verfolgungsrecht ausüben muß, wird im § 117 Abs. 2 StGB. nicht ausdrücklich bestimmt. Während nach dem dritten bis fünften Satz dieser Gesetzesstelle der Verletzte (nur) zur Erhebung einer Anklage bzw. zu einem Anschluß an diese berechtigt ist, ist in bezug auf den öffentlichen Ankläger im gegebenen Zusammenhang von 'Verfolgung' schlechthin die Rede. Dem Staatsanwalt steht demnach auch bei einem Ermächtigungsdelikt gemäß § 117 Abs. 2 StGB. ohne Einschränkung dasselbe Verfolgungsinstrumentarium zur Verfügung, wie in allen übrigen Fällen, in denen er in bezug auf Offizialdelikte als öffentlicher Ankläger das Erforderliche zur Ausübung des staatlichen Verfolgungsrechts zu veranlassen hat (§ 34 Abs. 1 StPO.) und nicht etwa bloß in einem Privatanklageverfahren die Vertretung des Privatanklägers übernimmt (§ 46 Abs. 4 StPO.). Es bleibt infolgedessen im Verfahren vor dem Gerichtshof grundsätzlich seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen, ob er gegen einen Verdächtigen Vorerhebungen führt, die Einleitung der Voruntersuchung beantragt oder unmittelbar Anklage bzw. Strafantrag einbringt. Daher genügt zur Wahrung der Frist jedes Begehren des Staatsanwaltes auf Verfolgung, somit auch der Antrag auf Vornahme von gerichtlichen Vorerhebungen, um das Verfolgungsrecht auszuüben. Aus der Bestimmung des (durch Art. I Z. 13 StPAG. BGBl. 423/1974, eingefügten) zweiten Satzes des § 46 Abs. 1 StPO., wonach der Verfolgungsantrag des Privatanklägers auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters gerichtet sein kann und beim Strafgericht mündlich oder schriftlich gestellt werden muß, ist für den gegenteiligen Standpunkt nichts zu gewinnen.
Diese prozessuale Vorschrift gilt ausdrücklich nur für den Privatankläger; eine analoge Anwendung auf den auf Grund einer Ermächtigung des Verletzten und der diesem vorgesetzten Stelle einschreitenden öffentlichen Ankläger läßt sich nach dem Gesagten aus dem Gesetz nicht ableiten.
Daß sich der Verletzte erst der Anklage (und nicht schon den Vorerhebungen) anschließen kann (§ 117 Abs. 2 dritter Satz StGB.), hat seinen Grund darin, daß er, wenn die Tat von Amts wegen verfolgt wird, nicht bessergestellt werden soll, als wenn er selbst als Privatankläger einschreitet, in welchem Fall nur der Antrag auf Voruntersuchung oder die Anklageerhebung die Frist wahrt. Das Berufungsgericht hätte sohin den Freispruch der beiden Angeklagten nicht schon wegen des zu Unrecht angenommenen Verlustes des Verfolgungsrechtes des öffentlichen Anklägers bestätigen dürfen, sondern hätte auf die von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Nichtigkeitsgründe und auf deren Berufung wegen Schuld meritorisch eingehen müssen.
Es war daher über die von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 292 StPO. mußte sich der Oberste Gerichtshof auf die Feststellung der Rechtsverletzung beschränken.
Anmerkung
E02431European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00163.79.1213.000Dokumentnummer
JJT_19791213_OGH0002_0120OS00163_7900000_000