Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayerhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 und der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 und Abs. 2 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 7. Mai 1979, AZ. 21 Bs 107/79, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde werden jedoch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 7. Mai 1979, AZ. 21 Bs 107/79, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte Josef A habe durch die dauernde Sachentziehung des Zündschlüssels den Streifenwagen der Gendarmerie, sohin eine Sache, die der öffentlichen Sicherheit diente, vorübergehend zum Einsatz unbrauchbar gemacht, und demgemäß im Ausspruch über die Unterstellung der Tat (auch) unter die Bestimmungen der §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB und im Strafausspruch sowie alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen aufgehoben und es wird gemäß den §§ 288 Abs. 2 Z 3, 292 StPO im Umfang der Aufhebung zu Recht erkannt:
Josef A wird für das ihm weiterhin zur Last fallende Vergehen der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 und 2 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 135 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Monaten verurteilt.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Dezember 1978, GZ. 6 c E Vr 8793/78-11, wurde der am 20. Juni 1947 geborene Autospengler Josef A des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 12. Juni 1978 in Purkersdorf dadurch, daß er den Zündschlüssel aus dem Zündschloß eines Gendarmeriestreifenwagens herauszog und in einen (an die Straßen angrenzenden, durch ca. 1,80 m hohe Fliederstauden begrenzten und mit hohem Gras bewachsenen) Garten warf, das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich schädigte, indem er aus dessen Gewahrsam eine fremde bewegliche Sache dauernd entzog, ohne die Sache sich oder einem anderen zuzueignen. Dieses Urteil, das vom Angeklagten mit Schuldberufung bekämpft wurde, focht die Staatsanwaltschaft mit Berufung wegen Nichtigkeit insoweit an, als die Tat des Angeklagten nicht auch dem Tatbestand der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB unterstellt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Mit Entscheidung vom 7. Mai 1979, AZ. 21 Bs 107/79, gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht der Berufung der Staatsanwaltschaft nach Beweiswiederholung dahin Folge, daß Josef A in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Der Angeklagte wurde mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Das zitierte Urteil des Oberlandesgerichtes Wien steht nach Ansicht der Generalprokuratur zum Teil mit dem Gesetz nicht im Einklang. Sie hat deshalb eine Beschwerde nach § 33 Abs. 2 StPO erhoben und darin ausgeführt:
Beizupflichten sei dem Berufungsgericht zwar, daß das festgestellte Tatverhalten des Angeklagten den Tatbestand der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB erfülle, weil durch das Wegwerfen des Zündschlüssels das (im Einsatz befindliche) Gendarmeriefahrzeug, also eine der öffentlichen Sicherheit dienende Sache, für den nicht unerheblichen Zeitraum von 20 bis 30 Minuten unbrauchbar gemacht worden sei (vgl. LSK 1978/310, 311, 364), sowie daß der Angeklagte außerdem in Ansehung des Zündschlüssels, den er dem Verfügungsberechtigten für immer entziehen wollte, dauernde Sachentziehung zu verantworten habe.
Ein Rechtsirrtum sei dem Oberlandesgericht Wien jedoch insofern unterlaufen, als es - wozu es auch ohne ausdrückliches Begehren des Berufungswerbers formell berechtigt gewesen sei (JBl. 1977, 327) - auch den Zündschlüssel als solchen als eine der im § 126 Abs. 1 Z 5 StGB genannten Sachen wertete und dessen dauernde Entziehung der Qualifikation des § 135 Abs. 2 StGB unterstellte.
Während § 125 StGB voraussetze, daß jemand eine fremde Sache zerstört, beschädigt, verunstaltet oder unbrauchbar macht, bestehe das Wesen des § 135 StGB in der (ohne Zueignungsvorsatz erfolgten) dauernden Entziehung einer (fremden beweglichen) Sache aus dem Gewahrsam eines anderen zu dessen Schaden. Ein - oder mehrtätiges Zusammentreffen von Sachbeschädigung und dauernder Sachentziehung in Ansehung ein- und desselben Gegenstandes sei daher in der Regel ausgeschlossen (vgl. EvBl. 1976/243 =
LSK 1976/110; Leukauf-Steininger2, 918). Anders verhalte es sich, wenn jemand ein Kraftfahrzeug bloß vorübergehend unbrauchbar macht, indem er den dazugehörigen Zündschlüssel dem Verfügungsberechtigten dauernd entzieht.
In diesem - hier gegebenen - Fall verantworte der Täter zwar einerseits hinsichtlich des Kraftfahrzeuges selbst Sachbeschädigung, darüber hinaus jedoch hinsichtlich des Zündschlüssels dauernde Sachentziehung.
Für die Qualifikationen des § 126 Abs. 1 Z 1 - 6
StGB ergebe sich aus diesen Grundsätzen, daß diese dem Täter in Bezug auf ein- und dasselbe Qualifikationsmerkmal nur entweder als schwere Sachbeschädigung oder gemäß dem § 135 Abs. 2 StGB als strafsatzerhöhender Umstand bei der dauernden Sachentziehung zugerechnet werden können. In beiden Fällen liege der Rechtsgrund für die erhöhte Strafbarkeit der Tat gleichermaßen darin, daß die in der erstgenannten Gesetzesstelle bezeichneten Sachen im Interesse der Allgemeinheit als besonders schutzwürdig anzusehen seien. Das höhere Unrecht einer Tat, die an einer der Sachen des § 126 Abs. 1 Z 1 - 6
StGB begangen werde, sei sohin schon mit deren Beurteilung als schwere Sachbeschädigung oder als eine nach § 135 Abs. 2 StGB qualifizierte dauernde Sachentziehung strafrechtlich voll erfaßt. Die aus ein- und demselben Sachverhalt abgeleitete Qualifikation habe der Täter daher auch dann nur einmal zu verantworten, wenn nach Lage des Falles ein (ein- oder mehrtätiges) Zusammentreffen beider Tatbestände (ausnahmsweise) in Betracht komme.
Der erste Anwendungsfall des § 135 Abs. 2 StGB sei folglich nur dann anzunehmen, wenn die Sache, die dem fremden Gewahrsam entzogen wird, selbst den im § 126 Abs. 1 Z 1 - 6 StGB bezeichneten Merkmalen entspricht. Demgemäß genüge es grundsätzlich nicht, daß sich die Tat nur auf einen zur bestimmungsgemäßen Verwendung einer solchen Sache erforderlichen, betriebswichtigen Bestandteil oder Zubehörgegenstand bezieht, dieser aber, für sich allein betrachtet, die Qualifikationsvoraussetzungen nicht erfüllt, diese mithin nur aus der Eigenschaft der dauernd entzogenen Sache als Zubehör einer diesen Erfordernissen entsprechenden Sache abgeleitet werden. In einem solchen Fall werde die Tat nicht an einer im § 126 Abs. 1 Z 1 - 6 StGB bezeichneten Sache begangen, es sei denn, daß sie einem dauernden Gewahrsamsentzug an der Hauptsache gleichkäme. So gesehen unterfalle zwar die dauernde Entziehung eines Einsatzfahrzeuges der Gendarmerie, nicht aber auch (bloß) jene des dazugehörigen Schlüssels, wodurch das betreffende Kraftfahrzeug bloß vorübergehend unbrauchbar gemacht (nicht aber gleichfalls dem Verfügungsberechtigten für dauernd entzogen) werde, der Qualifikation des § 135 Abs. 2, erster Anwendungsfall, StGB.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Zunächst spricht schon die Logik dafür, daß dann, wenn einer Sache im Gesamten (hier: dem Gendarmeriestreifenwagen) die Bedeutung zukommt, der öffentlichen Sicherheit zu dienen, dieses Wesensmerkmal auch jedem einzelnen ihrer für die Zweckbestimmung des Ganzen bedeutsamen (wenn auch selbständigen) Bestandteile anhaftet. In ähnlicher Weise erstreckt sich das vorerwähnte Qualifikationsmerkmal des § 126 Abs. 1 Z 5 StGB, wenn es sich erst aus dem funktionellen Zusammenwirken mehrerer (an sich selbständiger) Sachen ableiten läßt, auf jede dieser Funktionseinheiten ohne Rücksicht auf den allfälligen unterschiedlichen Grad ihrer (sonstigen) Bedeutung. Daraus folgt, daß der den Gegenstand dieses Verfahrens bildende Zündschlüssel schon kraft seiner funktionellen Bedeutung für die Einsatzfähigkeit des Gendarmeriefahrzeuges im konkreten Fall als eine der öffentlichen Sicherheit dienende Sache im Sinne der vorzitierten Gesetzesstelle anzusehen ist.
Aus diesen Erwägungen kann daher der Rechtsauffassung der Generalprokuratur, die in der Anwendung der Qualifikationsnorm des § 135 Abs. 2 StGB eine Gesetzesverletzung erblickt, nicht gefolgt werden.
Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.
Aus Anlaß dieser Beschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof aber auch davon überzugen, daß der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien ein von der Generalprokuratur nicht aufgegriffener Rechtsirrtum anhaftet, der darin zu erblicken ist, daß die inkriminierte Tat auch den Bestimmungen der §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB unterstellt wurde. Dies aus folgenden Gründen:
Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen war der Vorsatz des Angeklagten lediglich darauf gerichtet, durch den Entzug des Schlüssels die Gendarmeriebeamten in ihrer Verfügungsgewalt über das Fahrzeug vorübergehend zu beschränken. Eine solche kurzfristige - im vorliegenden Fall ca. 20 - 30 Minuten währende - Beeinträchtigung in der Herrschaftsausübung entspricht aber noch nicht einem Unbrauchbarmachen der Sache im Sinne des § 125 StGB, das als Rechtsgutbeeinträchtigung den übrigen in dieser Gesetzesstelle normierten, eine Veränderung der Sachsubstanz beinhaltenden Deliktsbegehungsarten adäquat sein müßte.
Da die verfehlte Beurteilung der Tat (auch) als das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, waren die bekämpfte Entscheidung in diesem Teil des Schuldspruches und demgemäß im Strafausspruch ebenso wie alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen in Anwendung des § 290 Abs. 1 StPO aufzuheben.
Bei der hiedurch notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe waren die einschlägigen Vorstrafen erschwerend, während der Umstand, daß der weggeworfene Schlüssel für sich allein keinen besonderen Wert repräsentiert, als mildernd angesehen wurde.
Bei diesen Strafzumessungsgründen entsprach eine viermonatige Freiheitsstrafe der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten. Die Verhängung einer Geldstrafe bzw. eine bedingte Strafnachsicht kamen bei dem getrübten Vorleben des Angeklagten schon aus Gründen der Spezialprävention nicht in Betracht.
Anmerkung
E02411European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00168.79.1218.000Dokumentnummer
JJT_19791218_OGH0002_0110OS00168_7900000_000