Norm
ABGB §97Kopf
SZ 52/190
Spruch
Der Ehegatte, dem eine Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient, hat gegen den verfügungsberechtigten anderen Ehegatten Anspruch auf Weiterbenützung der Wohnung im gesamten bisherigen Umfang
OGH 18. Dezember 1979, 2 Ob 602/79 (LG Salzburg 33 R 487/79; BG Salzburg 14 Cg 934/79)
Text
Die gefährdete Partei begehrte zur Sicherung ihres Anspruches auf Unterlassung von Verfügungen des Gegners der gefährdeten Partei über die Ehewohnung in A Nr. 259, womit der Verlust der Ehewohnung für die gefährdete Partei verbunden wäre, es werde dem Gegner der gefährdeten Partei verboten, die Liegenschaft EZ 759 KG A, Gerichtsbezirk Salzburg, zu veräußern oder zu belasten. Sollte eine Veräußerung bereits erfolgt sein, werde dem Gegner der gefährdeten Partei verboten, hierüber eine verbücherungsfähige Urkunde zu fertigen und um die Einverleibung des Eigentumsrechtes an der Liegenschaft zugunsten anderer als der gefährdeten Partei bei Gericht anzusuchen. Das Veräußerungs- und Belastungsverbot an der Liegenschaft sei im Grundbuch anzumerken.
Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung mit Beschluß vom 2. April 1979 und bestätigte sie infolge Widerspruchs des Gegners der gefährdeten Partei mit Beschluß vom 8. Juni 1979.
Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an: Das Haus A Nr. 259 auf der Liegenschaft EZ 759 KG A steht im Alleineigentum des Gegners der gefährdeten Partei. Es ist als Einfamilienhaus gebaut und geplant, doch wurde ursprünglich schon darauf geachtet, daß allenfalls zwei getrennte Wohnungen eingerichtet werden können. In dem Haus, das die gefährdete Partei mit ihren drei ehelichen Kindern bewohnt, befinden sich im Parterre ein Wohnzimmer, ein Eßzimmer, ein Kinderzimmer, das Schlafzimmer, ein Wirtschaftsraum, die Küche, Vorraum, ein Garderobenraum, Bad und WC; im ersten Stock befinden sich drei weitere Zimmer, wovon zwei von den ehelichen Kindern benützt werden und eines leer steht; ferner befindet sich oben noch ein Bad, ein WC und ein Raum in der Größe von 7 bis 8 m2. Die im ersten Stock gelegenen Räume sind durch eine unmittelbar neben dem Eingang im Vorraum des Parterres befindliche Stiege erreichbar. Der Dachboden ist nicht ausgebaut. Das Haus ist unterkellert, doch befinden sich im Keller keine Wohnräume, sondern neben den Kellerräumen eine nicht beheizbare Waschküche. Das Haus wurde bis vor geraumer Zeit nur von den Streitteilen und ihren gemeinsamen Kindern, in letzter Zeit von der gefährdeten Partei und den drei Kindern bewohnt. Mieter waren nie aufgenommen worden; eine Vermietung von Räumen des Hauses war grundsätzlich auch nicht vorgesehen. Im Herbst 1978 äußerte der Gegner der gefährdeten Partei erstmals, daß er das Haus zu verkaufen gedenke. Im März 1979 besichtigte er einmal zusammen mit seinem Rechtsanwalt das Haus. Einige Zeit darnach führte der Gegner der gefährdeten Partei neuerlich eine Besichtigung des Hauses mit zwei Damen durch. Bei dieser Gelegenheit äußerte er sich wieder dahin gehend, daß er das Haus verkaufen und wissen möchte, was ihm dafür geboten werde. In der Folge wurde das Haus auch von Verwandten des Gegners der gefährdeten Partei besichtigt.
Das Erstgericht nahm sowohl den Anspruch der gefährdeten Partei nach § 97 ABGB am Haus als auch eine Gefährdung desselben als bescheinigt an. Da derzeit im Hause nur eine einzige Wohnung eingerichtet sei und auch mehr oder weniger sämtliche Räume von der gefährdeten Partei und den drei ehelichen Kindern bewohnt und benützt würden, sei der Umfang der erlassenen einstweiligen Verfügung nicht nur gerechtfertigt, sondern zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei auch erforderlich.
Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Gegner der gefährdeten Partei erhobenen Rekurs teilweise Folge und änderte die einstweilige Verfügung dahin ab, daß das Veräußerungs- und Belastungsverbot aufrechterhalten, das weitere Begehren nach einem Verbot hierüber, falls eine Veräußerung bereits erfolgt sei, eine verbücherungsfähige Urkunde zu fertigen (offenbar auch: und um die Einverleibung des Eigentumsrechtes an der Liegenschaft zugunsten anderer als der gefährdeten Partei bei Gericht anzusuchen), jedoch abgewiesen wurde.
Der Zweck des § 97 ABGB (i. d. F. BGBl. 412/1975) bestehe im Schutz des einen Ehegatten in dessen Anliegen auf Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen. Es mache keinen Unterschied dabei, ob der andere Ehegatte Eigentümer, Wohnungseigentümer, Mitglied einer Genossenschaft oder Mieter ist. Der Anspruch könne durch einstweilige Verfügung gesichert werden. Als Sicherungsmittel komme insbesondere das des § 382 Z. 6 EO in Betracht. Da nach dem Ergebnis des Bescheinigungsverfahrens davon auszugehen sei, daß der Gegner der gefährdeten Partei beabsichtige, das Haus A Nr. 259, in dem sich die eheliche Wohnung befindet, zu verkaufen, sei die Erlassung der einstweiligen Verfügung hinsichtlich des Veräußerungs- und Belastungsverbotes begrundet.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei, den er als zulässig ansah, weil zwischen den beiden Ansprüchen, über die das Rekursgericht teils bestätigend, teils abändernd, entschieden hat, ein innerer Zusammenhang besteht (Jud. 56 neu; Neumann - Lichtblau[4]I, 664 f.), nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Ist ein Ehegatte über die Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, verfügungsberechtigt, so hat dieser einen Anspruch darauf, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Dies gilt nicht, wenn das Handeln oder Unterlassen des verfügungsberechtigten Ehegatten durch die Umstände erzwungen wird (§ 97 ABGB i. d. F. BGBl. 412/1975). Dieser Unterlassungsanspruch hindert den Ehegatten daran, von dem ihm zustehenden Recht an der Wohnung Gebrauch zu machen, weil darin grundsätzlich eine Schädigung des anderen Ehegatten für die Dauer seines dringenden Wohnbedürfnisses zu erblicken ist. Der Zweck der Bestimmung besteht darin, den einen Ehegatten in seinem Anliegen auf Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen zu schützen. Hiebei soll der Aufgabe von Mietrechten, Rechtsverzichten und bewußt nachteiligem Verkauf von Eigentumswohnungen oder Eigenheimen entgegengewirkt werden. § 97 ABGB gewährt einen aus dem klagbaren Unterlassungsanspruch folgenden Anspruch auf Benützung einer bestimmten Wohnung, der durch einstweilige Verfügung - bei Eigentum insbesondere nach § 382 Z. 6 EO - gesichert werden kann. Der verfügungsberechtigte Ehegatte soll dazu verpflichtet sein, dem bedürftigen Ehegatten die Wohnung zu erhalten (vgl. EvBl. 1978/37 = MietSlg. 29 011; Ent - Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, 150 f., 44 f.,; Köhler in Klang[2], Ergänzungsband, 28 f.). Der Gesetzgeber schränkt somit bewußt die Verfügungsberechtigung - etwa wie hier des Gegners der gefährdeten Partei als Eigentümer des Hauses, in dem sich die Familienwohnung befindet - für die Dauer ein, während der der andere Ehegatte, also die gefährdete Partei, auf die Wohnung angewiesen ist. Darüber, daß der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte sein Wohnbedürfnis räumlich auf das Notwendigste beschränken müsse, sagt das Gesetz nichts aus; dem Wort"dringend" im Zusammenhang mit "Wohnbedürfnis" läßt sich eine derartige Bedeutung nicht entnehmen; gemeint ist vielmehr das tatsächliche Bedürfnis an der - in Ermangelung einer anderen - tatsächlich benützten Ehewohnung in dem gegebenen Umfang.
Anmerkung
Z52190Schlagworte
EhewohnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0020OB00602.79.1218.000Dokumentnummer
JJT_19791218_OGH0002_0020OB00602_7900000_000