TE Vfgh Beschluss 2001/6/27 V54/01

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Veröffentlicht am 27.06.2001
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Nö ROG 1976 §21 Abs6 Z2
Verordnung der Gd Ebreichsdorf vom 10.11.99 betr Abänderung des örtlichen Raumordnungsprogramms

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags einer Gemeinde auf Aufhebung der Abänderung eines örtlichen Raumordnungsprogramms einer Nachbargemeinde mangels Vorliegen eines subjektiven öffentlichen Rechts der Nachbargemeinde auf Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung einer Verordnung; bloß faktische Reflexwirkung der möglichen Errichtung eines die bestehende Badner Trabrennbahn konkurrierenden Pferdesportparks

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Die Stadtgemeinde Baden stellte unter Berufung auf Art139 B-VG den Antrag,

"die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Ebreichsdorf vom 10. November 1999, womit das örtliche Raumordnungsprogramm durch Festlegungen in der KG Ebreichsdorf abgeändert wird, als gesetzwidrig aufzuheben,

in eventu

§3 der gegenständlichen Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben,

in eventu

§3 Abs1 und 2 der genannten Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben".

Die Antragstellerin führt dazu ua. aus, durch die angefochtene Verordnung werde im Bereich der "Welschen-Halten" in der KG Ebreichsdorf durch die Widmung von "Bauland-Sondergebiet-Pferdesportpark-Aufschließungszone", "Bauland-Sondergebiet-Betriebshof-Aufschließungszone", "Grünland-Sport-Reitsport", sowie verschiedenen öffentlichen und privaten Verkehrsflächen die Errichtung eines Pferdesportzentrums ermöglicht.

In der Folge solle in diesem Bereich der Marktgemeinde Ebreichsdorf auf einer Gesamtfläche von rund 250 ha der "Pferdesportpark Ebreichsdorf" errichtet werden.

1.2. Ihre Antragslegitimation begründet die Antragstellerin im Wesentlichen wie folgt:

"(...)

B) Die Marktgemeinde Ebreichsdorf liegt im Verwaltungsbezirk der Antragstellerin und es besteht eine räumliche Nahebeziehung zwischen den zwei Gemeinden. Die Verordnung der Marktgemeinde Ebreichsdorf, mit welcher das örtliche Raumordnungsprogramm abgeändert und neu erlassen wird, greift in die Rechtssphäre der Antragstellerin ein und verletzt die Antragstellerin durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung unmittelbar.

(...)

Die Antragstellerin verkennt zwar nicht, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Personen durch die Regelungen eines Flächenwidmungsplanes die sich auf Grundstücke beziehen, die nicht in ihrem Eigentum stehen, grundsätzlich nicht in ihrer Rechtssphäre betroffen sind (vgl. VfSlg. 9773, 10793); dennoch sind im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen der Antragslegitimation der Antragstellerin (sind) gegeben. Denn für die gegenständliche Antragslegitimation wesentlich judiziert der VfGH in der genannten Judikatur, dass eine antragslegitimierende Betroffenheit für die Antragstellerin unabhängig von den jeweiligen Eigentumsverhältnissen dann besteht, wenn besondere(n) Umstände dies rechtfertigen.

Diese besonderen Umstände liegen im gegenständlichen Fall vor. Denn beim gegenständlichen Projekt handelt es sich keineswegs um ein 'alltägliches Bauvorhaben', sondern eben gerade um ein besonderes Projekt, das(s) auf Grund seiner Dimensionen außergewöhnliche Auswirkungen - auch im rechtlichen Bereich - nach sich zieht. Diese überregionale Bedeutung gilt für den gesamten Ostösterreich(isch)en Raum und in besonderer Weise für den unmittelbaren Nahbereich, in dem auch die Antragstellerin situiert ist.

Unter Berücksichtigung dieses Hintergrundes ist die Antragslegitimation der Antragsstellerin zur Überpr(ü)fung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnung aus folgenden Gründen (gegeben):

(...)

2.) Betroffene Rechtssphäre der Stadtgemeinde Baden:

a) Die gegenständliche Verordnung der Marktgemeinde Ebreichsdorf verletzt die Antragstellerin in ihrer subjektiven Rechtssphäre (verletzt). Durch diese generell abstrakten Rechtsvorschriften, die vom Gemeinderat der Marktgemeinde Ebreichsdorf beschlossen worden (sind), wird in unzulässigerweise in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Antragstellerin eingegriffen, Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches selbst zu besorgen. (...)

b) Gemäß §21 Abs6 Zif 2 NÖ ROG 1976 ist die Genehmigung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes durch die Landesregierung zu versagen, wenn die geordnete wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung anderer Gemeinden wesentlich beeinträchtigt wird. Diese wesentliche Beeinträchtigung ist im vorliegenden Fall gegeben.

In seinem Gutachten vom 16.3.2000 geht der Sachverständige für Raumordnung und Raumplanung, Dipl.Ing. Maxian zu Recht davon aus, dass die geplante Pferdesportanlage in einem konkurrierenden Verhältnis zu den bestehenden Pferdesporteinrichtungen in Wien und Baden steh(en)t und es zweifellos zu einer Konkurrenzsituation mit den bestehenden Pferdesportanlagen kommen wird, wobei wirtschaftliche Einbußen nicht auszuschließen sind.

Entgegen dieser Auffassung, hat aber die bestehende Pferdesportanlage für Baden sehr wohl existenztragende Bedeutung, sodass die geordnete wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung der Stadtgemeinde Baden wesentlich beeinträchtigt wird. Hingewiesen wird darauf, dass die Gesetzesdiktion des §21 Abs6 Zif 2 NÖ ROG auf eine wesentliche Beeinträchtigung der geordneten wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung einer Gemeinde abstellt. Entgegen der Rechtsauffassung des Sachverständigen ist nicht erforderlich, dass eine die Existenz einer Gemeinde gefährdende Beeinträchtigung vorliegt.

Mit der gegenständliche(n) Verordnung der Marktgemeinde Ebreichsdorf mit welcher die 22. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes beschlossen wurde, soll durch entsprechende Widmungen die Errichtung eines überdimensionalen Pferdesportzentrums mit 3 Rennbahnen, dem dazugehörenden Tribünengebäude (sowie weiteren Tribünen im Freien), Pferdestallungen für rund 700 Pferde, einer Veterinärstation, einer Reithalle, Betriebsgebäuden, umfangreiche KFZ-Abstellplätzen ermöglicht werden.

In der Stadtgemeinde Baden besteht seit Jahrzehnten die Trab- und Galopprennbahn Baden. Das regionale Potential an Rennstallbesitzern, Pferdezüchtern, Trabtrainern, Besuchern und Spielern im ostösterreichischen Einzugsbereich ermöglicht einen wirtschaftlichen Rennsportbetrieb an maximal ein bis zwei Tagen pro Woche. Im geplanten 'Pferdesportpark Ebreichsdorf' sind wie im Projekt dargelegt nunmehr an vier Tagen pro Woche Rennen geplant. Diese Existenzgefährdung der Badner Trabrennbahn durch den durch die gegenständliche Widmung ermöglichten 'Pferdesportpark Ebreichsdorf' hat gravierende negative Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft, den Tourismus der Antragstellerin.

Durch das mit den Planungszielen der Stadtgemeinde Baden in Widerspruch stehende Pferdesport- und Fremdenverkehrsangebot des 'Pferdesportparks Ebreichsdorf' werden verschiedene(n) Einrichtungen der Antragstellerin massiv in ihrem Bestand gefährdet, was aufgrund rückläufiger Nachfrage zu einer Abwertung des Standortes Baden und damit zu wirtschaftlichen Problemen der Antragstellerin führen wird.

(...)

§21 Abs6 Zif 2 NÖ ROG normiert eine Bedachtnahme auf die örtlichen Raumordnungsinteressen anderer Gemeinden, in welchen die geordnete wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung wesentlich beeinträchtigt wird. Diese normierte Bedachtnahmepflicht im NÖ Raumordnungsgesetz verbietet Widmungen, die berechtigten Raumordnungsinteressen der jeweiligen betroffenen Gemeinde zuwiderlaufen, was insbesondere im vorliegenden Fall gegeben ist. Die Verpflichtung zur Bedachtnahme auf die örtlichen Raumordnungsinteressen der in §21 Abs6 Zif 2 NÖ ROG beschriebenen betroffenen Gemeinden - insbesondere in einem gemeinsamen Verwaltungsbezirk, wie im gegebenen Fall - bedeutet nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 11.10.1995, V76/94), dass eine Gemeinde rechtswidrig handelt, wenn sie die ihr mitgeteilten, zum Zeitpunkt ihrer Planung manifesten Raumordnungsinteressen der betroffenen Gemeinde nicht bedenkt und womöglich Flächen derart widmet, dass diese Widmung eine Verwirklichung der Raumordnungsinteressen der betroffenen Gemeinde behindert. Dass dabei dem 'Kriterium der Priorität' eine gewisse Bedeutung zukommt, ergibt sich aus der 'Logik des Planungsprozesses'.

(...)

c) Die genannten wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Negativauswirkungen der 22. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Ebreichsdorf und die daraus resultierenden Projektauswirkungen verletzen zudem die Rechtssphäre der Antragstellerin, welche durch die überörtliche Raumordnung vorgegeben wird. Dies ist insofern von entscheidender Relevanz, als dem gewidmeten Projekt nicht bloß örtliche sondern überragende überörtliche Bedeutung zukommt.

ca) Das Sachraumordnungsprogramm 'Zentrale Orte', welches die weitest mögliche Gleichstellung der niederösterreichischen Bevölkerung in Bezug auf die Erreichbarkeit zentraler Einrichtung(en) - wie soziale Infrastruktur, Bildung, Freizeit - zum Ziel hat, sieht die Stadtgemeinde Baden als zentraler Ort der Stufe IV, hingegen für die Marktgemeinde Ebreichsdorf die Stufe II vor.

(...)

Durch diese dem Sachraumordnungsprogramm 'Zentrale Orte' widersprechende Ausweitung der zentralen Freizeiteinrichtungen in Ebreichsdorf wird dadurch in die Rechtssphäre der Stadtgemeinde Baden eingegriffen, als nunmehr ein zweiter zentraler Ort der Stufe IV bzw. III geschaffen wird, was eine gleichzeitige Abwertung des zentralen Ortes der Stadtgemeinde Baden bedeutet. Damit ist ein Eingriff in den durch die überörtliche Raumordnung vorgeg(e)benen Planungsspielraum der Stadtgemeinde Baden verbunden.

cb) Diese Abwertung der Antragstellerin bei gleichzeitiger rechtswidriger Aufwertung der Marktgemeinde Ebreichsdorf gilt es auch im Zusammenhang mit der Verkehrsstruktur zu berücksichtigen. (...)

Dies bedeutet, dass die Erreichbarkeit der höherrangigen zentralen Orte wie die Stadtgemeinde Baden - nach dem Raumordnungsprogramm 'Verkehr' und dem NÖ Landesverkehrskonzept gefördert und erhalten werden soll. Diese überörtlichen Vorgaben hat die Antragstellerin in ihrer örtlichen Raumordnung zu berücksichtigen und ihrer Planung zugrunde zu legen. Die Stadtgemeinde Baden hat bei ihrer örtlichen Planung davon auszugehen, dass in peripheren Lagen und zentralen Orten niedrigerer Stufe - wie die Marktgemeinde Ebreichsdorf - die Errichtung zusätzlicher überregional bedeutsamer Verkehrserreger vermieden wird.

Durch diese rechtswidrige Nichtbeachtung dieser verkehrsrelevanten Vorgaben der überörtlichen Raumplanung wird dadurch in die Rechtssphäre der Stadtgemeinde Baden eingegriffen, als diese nunmehr gezwungen wird, ihr Verkehrskonzept grundlegend zu ändern um es den überörtlichen Vorgaben anzupassen. (...)

cc) Weiters wird die Antragstellerin durch die gegenständliche Verordnung dadurch in ihrer Rechtssphäre unmittelbar verletzt, als die Rechtsstellung, welche das Sachraumordnungsprogramm 'Fremdenverkehr' der Stadtgemeinde Baden verbindlich einräumt, durch die gegenständliche Widmung aktuell beeinträchtigt wird. (...)

Durch die gegenständliche Widmung der Marktgemeinde Ebreichsdorf wird insofern in dieses rechtliche Fremdenverkehrskonzept eingegriffen, als nunmehr eine Fremdenverkehrseinrichtung gewidmet wurde, welche wesentlich die Vorgaben des Sachraumordnungsprogrammes 'Fremdenverkehr' zum Nachteil der Stadtgemeinde Baden verletzt. Denn die Gemeinde Ebreichsdorf ist lediglich als 'Eignungsstandort' ohne besonders günstige Voraussetzungen für den Fremdenverkehr ausgewiesen. Diese untergeordnete Ausweisung im Sinne des Sachraumordnungsprogrammes 'Fremdenverkehr' liegt auch dem Konzept der Stadtgemeinde Baden zugrunde.

Die Verletzung dieser durch das Raumordnungsprogramm vorgegebenen abgestuften und verbindlichen Standortebestimmung tangiert die Stadtgemeinde Baden deswegen in ihrer Rechtsposition, als sich diese unzulässige Erweiterung nachteilig auf den Fremdenverkehr auswirkt und sie weiters gezwungen wird, diese unzulässige Ausweitung in ihrer örtlichen Planung entsprechend zu berücksichtigen. Gerade durch ein derart weit(e)reichendes Projekt mit über(re)g(i)onaler Bedeutung wird das Planungsermessen der Antragstellerin wesentlich eingeschränkt.

Wäre die Widmung rechtmäßig erfolgt, das heißt im Sinne de(s) Sachraumordnungsprogrammes 'zentrale Orte' unter Einhaltung der Vorgabe, dass die Marktgemeinde Ebreichsdorf ein zentraler Ort der Stufe II ist sowie unter Einhaltung des Raumordnungsprogrammes 'Verkehr' und des Sachraumordnungsp(ro)gra(o)mmes 'Fremdenverkehr' unter Berücksichtigung dass die Marktgemeinde Ebreichsdorf lediglich einen zentralen Ort niedrigerer Stufe und einen 'Eignungsstandort' für den Fremdenverkehr darstellt, so wäre die Stadtgemeinde Baden nicht gezwungen ihre örtliche Raumplanung entsprechend zu ändern. Dadurch wird in die Rechtssphäre der Antragstellerin als Gebietskörperschaft gemäß Art116 Abs1 B-VG eingegriffen.

cd) Dem Sachraumordnungsprogramm 'Freizeit und Erholung' liegt die Schaffung und Erhaltung von entsprechenden Einrichtungen für die Freizeitgestaltung und für die Erholung der Bevölkerung sowie die Erhaltung der Erholungslandschaft unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte zugrunde. (...)

Aufgrund des niedrigen Zentralitätsgrades II der Marktgemeinde Ebreichsdorf liegt auch diesbezüglich ein Widerspruch der gegenständlichen Widmung mit dem Sachraumordnungsprogramm 'Freizeit und Erholung' vor. Diese Konglomeration von Freizeit- und Erholungseinrichtungen in der Gemeinde Ebreichsdorf, welche dem Zentralitätsgrad II widersprechen und sich in unmittelbarer Nähe der Stadtgemeinde Baden befindet, verpflichtet die Stadtgemeinde Baden dazu, dieses Faktum in der Wahrnehmung ihres eigenen Wirkungsbereiches zu berücksichtigen und schränkt das örtliche Planungsermessen der Antragstellerin wesentlich ein.

d) Der Stadtgemeinde Baden ist verfassungsgesetzlich das Recht gewährleistet, die Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches (...) in eigener Verantwortung frei von Weisungen und unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. Diese eigene(n) Verantwortung wird im gegebenen Fall dadurch beeinträchtigt, als die Stadtgemeinde Baden durch die

22. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Marktgemeinde Ebreichsdorf gezwungen wird, diese Widmung, mit welcher haup(t)sächlich überörtliche Auswirkungen verbunden sind, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung rechtlich zu berücksichtigen. Dies führt zu einer Schlechterstellung der Stadtgemeinde Baden in den Raumordnungsparametern 'zentraler Ort', 'Verkehr' und insbesondere 'Fremdenverkehr'. (...)

Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde kann in verfassungsgerichtlich zulässigerweise nur durch verfassungskonforme Gesetze und Verordnungen eingeschränkt werden. Wird dieses Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde nun - wie im vorliegenden Fall - durch eine gesetzwidrige Verordnung, die der Stadtgemeinde Baden eine verfassungsmäßig garantierte Zuständigkeit beeinträchtigt, tangiert, so liegt darin jedenfalls eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinde (vor) (vgl. VfSlg. 7495, 7568 und 11873).

Zu dem ist die Gemeinde gemäß Art118 Abs4 unter Vorbehalt des Art119a Abs5 B-VG bei Besorgung ihrer Angelegenheiten nur an die Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes gebunden. Im gegenständlichen Fall liegt eine Verordnung einer Gemeinde vor, welche im eigenen Wirkungsbereich erlassen wurde. Diese Verordnung der Marktgemeinde Ebreichsdorf vermag aus verfassungsrechtlicher Sicht, eine Gebundenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Stadtgemeinde Baden nicht herbeizuführen. Trotzdem greift diese Verordnung in den eigenen Wirkungsbereich der Stadtgemeinde Baden ein, als diese aufgrund der überörtlichen Vorgaben gezwungen wird, diese rechtswidrige Verordnung bei der örtlichen Raumplanung entsprechend zu berücksichtigen. Dadurch werden von der Stadtgemeinde Baden als Selbstverwaltungskörper zu besorgende Angelegenheiten eingeschränkt, vorenthalten und einer anderen Gemeinde zur Besorgung zugewiesen und tatsächlich von dieser besorgt. Zu dem wird dadurch die Gemeinde als selbständiger Wirtschaftskörper und Träger der Privatwirtschaftsverwaltung insbesondere hinsichtlich der Gebarung im Bereich des Fremdenverkehrs verletzt.

3. Eingriff in die Rechtssphäre der Stadtgemeinde Baden:

Durch die genannten überörtlichen Raumordnungsprogramme und Sachprogramme wird für die Stadtgemeinde Baden eine Rechtsposition für ihren eigenen Wirkungsbereich geschaffen. Die angefochtene Verordnung der Marktgemeinde Ebreichsdorf greift in diese Rechtsposition ein. Aufgrund dieser Eingriffe und der damit verbundenen Rechtsnachteile, Berücksichtigungspflicht und Einschränkung des Planungsermessens im Rahmen der Wahrnehmung ihres eigenen Wirkungsbereiches, wendet sich die angefochtene Verordnung somit - auch - an die Stadtgemeinde Baden.

Die Stadtgemeinde Baden ist in den genannten Sachraumordnungsprogrammen 'zentrale Orte', 'Fremdenverkehr' und 'Freizeit und Erholung' sowie im Raumordnungsprogramm 'Verkehr' die übergeordnete Körperschaft, welche als rechtliche und logische Konsequenz der Sach- und regionalen Raumordnungsprogramme die Belange, Interessen und Handlungen der untergeordneten Körperschaft, der Marktgemeinde Ebreichsdorf, mit zu berücksichtigen hat. Dieses Berücksichtigungsprinzip gegenläufiger Interessen von zwei verschiedenen Gebietskörperschaften entspricht der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. In seinem Erkenntnis vom 3.12.1984, G81, 82/84 und in seiner Judikatur zum Semmering-Basistunnel, spricht der Verfassungsgerichtshof aus, dass eine Verpflichtung des Normgebers zur Bedachtnahme auf die vom Normgeber der Gegenbeteiligten Gebietskörperschaftkompetenz wahrgenommenen Interessen insoweit besteht, als die Normen der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft ihrerseits die Rücksichtnahmepflicht nicht verletzen. Daraus ergibt sich, dass die Stadtgemeinde Baden jedenfalls entsprechend diesem Berücksichtigungsprinzip zur Berücksichtigung der Interessen der Marktgemeinde Ebreichsdorf verpflichtet ist. Durch dieses Berücksichtigungsprinzip kommt der gegenständlichen Verordnung jedenfalls präjudizielle Wirkung für das rechtliche Handeln der Stadtgemeinde Baden im eigenen Wirkungsbereich zu. Die Marktgemeinde Baden ist also ein Rechtsträger, an den sich die angefochtene Verordnung der Marktgemeinde Ebreichsdorf wendet. Sie ist somit Normadressat dieser Verordnung.

(...)"

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Der Antrag ist unzulässig.

1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Auch einer Gemeinde kommt grundsätzlich eine derartige Befugnis zu (vgl. VfSlg. 14.140/1995).

Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist zu untersuchen, ob die von dem Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg. 8060/1977, 8587/1979, 10.593/1985, 11.453/1987).

2. Beurteilt man das weitwendige Vorbringen der Antragstellerin im Lichte der oben dargestellten Vorjudikatur, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin einen unmittelbaren Eingriff in ihre Rechtssphäre durch den angefochtenen Flächenwidmungsplan (Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Ebreichsdorf vom 10. November 1999, aufsichtsbehördlich genehmigt am 11. Mai 2000, mit welcher das örtliche Raumordnungsprogramm durch Festlegungen in der KG Ebreichsdorf abgeändert und neu erlassen wird) nicht darzutun vermochte.

2.1. Mit der angefochtenen Verordnung werden unter anderem bestimmte Flächen als

"Bauland-Sondergebiet-Pferdesportpark-Aufschließungszone", "Bauland-Sondergebiet-Betriebshof-Aufschließungszone" und "Grünland-Sport-Reitsport" zur Errichtung eines Pferdesportparks in der Marktgemeinde Ebreichsdorf gewidmet.

Die antragstellende Stadtgemeinde liegt ebenso wie die Marktgemeinde Ebreichsdorf im Verwaltungsbezirk Baden, die beiden Gemeindegebiete grenzen nicht aneinander.

Die Antragstellerin behauptet, die Niederösterreichische Landesregierung hätte durch die Genehmigung des angefochtenen Flächenwidmungsplanes gegen §21 Abs6 Z2 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976 (idF NÖ ROG 1976) verstoßen und die Antragstellerin dadurch in ihrer Rechtssphäre verletzt.

§21 Abs6 Z2 NÖ ROG 1976 hat folgenden Wortlaut:

"(6) Das örtliche Raumordnungsprogramm bedarf der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn es

(...)

2. die geordnete wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung anderer Gemeinden wesentlich beeinträchtigt".

Dem Argument der Antragstellerin ist entgegenzuhalten, dass sich der Tatbestand zur Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes wegen Widerspruches zu überörtlichen Interessen an die Gemeindeaufsichtsbehörde richtet und einer anderen Gemeinde kein subjektives Recht verleiht, den Versagungstatbestand geltend zu machen. Ein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin vermag daher dadurch nicht begründet zu werden.

2.2. Die Antragstellerin bringt weiters vor, durch überörtliche Raumordnungsprogramme und Sachprogramme würde für die Stadtgemeinde Baden eine Rechtsposition für ihren eigenen Wirkungsbereich geschaffen; die angefochtene Verordnung greife in diese Rechtsposition ein. "Aufgrund dieser Eingriffe und der damit verbundenen Rechtsnachteile, Berücksichtigungspflicht und Einschränkung des Planungsermessens im Rahmen der Wahrnehmung ihres eigenen Wirkungsbereiches" wende sich die angefochtene Verordnung somit auch an die Stadtgemeinde Baden.

Der Verfassungsgerichtshof vermag der Argumentation der antragstellenden Stadtgemeinde nicht zu folgen:

Durch die angefochtene Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Ebreichsdorf soll ein zur bereits bestehenden Pferdetrabrennbahn in Baden möglicherweise konkurrierender Pferdesportpark im Gemeindegebiet von Ebreichsdorf ermöglicht werden.

Regelungen in überörtlichen Raumordnungsprogrammen, die den Gestaltungsspielraum einer Gemeinde bei Erlassung des Flächenwidmungsplans begrenzen, verschaffen einer anderen - wenn auch nahe gelegenen - Gemeinde keinen Rechtsanspruch darauf, eine der |berörtlichen Raumordnung widersprechende Flächenwidmung der einen Gemeinde zu verhindern. Es mag sein, dass die angefochtene Verordnung für die Antragstellerin faktische Reflexwirkungen - etwa im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen - zeitigt (vgl. VfGH vom 30. September 2000, V30/00); damit ist jedoch die oben dargestellte Voraussetzung für die Zulässigkeit des Individualantrages auf Normenkontrolle, dass nämlich die Norm in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift, noch nicht gegeben (vgl. VfSlg. 14.476/1996, 14.488/1996).

2.3. Aus all dem folgt, dass der antragstellenden Stadtgemeinde schon aus den dargelegten Gründen - und zwar wegen fehlender rechtlicher Betroffenheit iSd Art139 B-VG - die Legitimation zur Stellung des in Behandlung stehenden (Individual-)Antrags nach Art139 Abs1 B-VG fehlt.

3. Der Antrag war daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorausgehende mündliche Verhandlung als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Prüfung bedurfte, ob alle übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Gemeinderecht, Aufsichtsrecht, Genehmigung (für Gemeindeverordnung), Verordnungserlassung, Rechte subjektive öffentliche, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:V54.2001

Dokumentnummer

JFT_09989373_01V00054_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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