Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Dezember 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lehmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB.
über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 13. April 1979, GZ. 2 U 102/79-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 13. April 1979, GZ. 2 U 102/79-3, verletzt durch den darin enthaltenen Ausspruch, daß von der Verhängung einer Zusatzstrafe über Friedrich A für das ihm inhaltlich des diesem Urteil zugrundeliegenden Schuldspruchs zur Last fallende Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB. gemäß §§ 31, 40
StGB. und § 11 JGG. unter Bedachtnahme auf das Urteil des Kreisgerichtes Steyr (als Jugendschöffengericht) vom 3.Oktober 1978, GZ. 6 Vr 211/78-14, (womit der Ausspruch /und die Vollstreckung / einer Strafe über Friedrich A wegen des den Gegenstand dieser Verurteilung bildenden Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB. gemäß § 13 Abs. 1 JGG. für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben wurde) abgesehen werde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 31, 40 StGB. sowie des § 11 JGG. und darüber hinaus durch die darin gemäß § 13 Abs. 1 JGG. ausgesprochene Verlängerung der (mit dem vorbezeichneten Urteil des Kreisgerichtes Steyr bestimmten) Probezeit auf drei Jahre, auch das Gesetz in den Bestimmungen des § 13 JGG.
Der vorerwähnte Ausspruch über die Verlängerung der Probezeit wird aus diesem Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, ausgeschaltet.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Jugendschöffengericht vom 3. Oktober 1978, GZ. 6 Vr 211/78-14, wurde der am 1. Juli 1960 geborene Friedrich A des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB.
schuldig erkannt. Der Ausspruch (und die Vollstreckung) einer wegen der dem vorerwähnten Schuldspruch zugrundeliegenden Jugendstraftat zu verhängenden Strafe wurde gemäß § 13 Abs. 1 JGG. für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben. Dieses Urteil erwuchs infolge sofortigen Rechtsmittelverzichtes des im Zeitpunkt der Hauptverhandlung (am 3. Oktober 1978) nicht mehr jugendlichen Angeklagten Friedrich A und des öffentlichen Anklägers (vgl. S. 51 d.A.) noch am 3. Oktober 1978 in Rechtskraft (die Annahme des Eintritts der Rechtskraft dieses Urteils durch das Kreisgericht Steyr erst mit 24. Oktober 1978 / vgl. S. 55 d.A. / erweist sich angesichts des Umstandes, daß § 39 JGG. nicht mehr anwendbar war, weil der Angeklagte Friedrich A zur Zeit der Hauptverhandlung am 3. Oktober 1978 bereits das 18. Lebensjahr vollendet hatte und demnach nicht mehr Jugendlicher war, als unzutreffend).
Am 13. April 1979 wurde Friedrich A mit dem in Form eines Protokolls- und Urteilsvermerks beurkundeten Urteil des Bezirksgerichtes Enns, GZ. 2 U 102/79-3, des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB. schuldig gesprochen, begangen im März und April 1978 in Enns durch den Weiterverkauf von Bestandteilen eines von ihm unter Eigentumsvorbehalt des Verkäufers angekauften Mopeds vor vollständiger Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises, somit durch Zueignung eines ihm anvertrauten Gutes in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert (mit dem hiezu erforderlichen, auf seine unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz).
Unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB. auf das eingangs angeführte Urteil des Kreisgerichtes Steyr (als Jugendschöffengericht) vom 3. Oktober 1978, GZ. 6 Vr 211/78-14, sowie unter Zitierung des § 11 JGG. sah das Bezirksgericht Enns von der Verhängung einer Zusatzstrafe ab und sprach gleichzeitig aus, daß die - ersichtlich gemeint: in dem Verfahren 6 Vr 211/78 des Kreisgerichtes Steyr dem Verurteilten Friedrich A gewährte - Probezeit von zwei Jahren 'gemäß § 13 Abs. 1 JGG.' auf drei Jahre (beginnend mit 13.April 1979) verlängert wird (vgl. S. 24 des Aktes 2 U 102/79 des Bezirksgerichtes Enns).
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil des Bezirksgerichtes Enns steht in mehrfacher Beziehung mit dem Gesetz nicht im Einklang:
a) Zunächst findet die Abstandnahme von der Verhängung einer Zusatzstrafe über Friedrich A durch das Bezirksgericht Enns unter den hier gegebenen Umständen in den in diesem Zusammenhang zitierten Bestimmungen der §§ 31, 40
StGB. (aber auch in dem hier noch zusätzlich angeführten § 11 JGG.) keine Deckung. Abgesehen davon, daß die Vorschrift des § 31 Abs. 1 erster Satz StGB. über die Verhängung einer Zusatzstrafe bei nachträglicher Verurteilung darauf abstellt, daß jemand bereits - in einem früheren Verfahren - zu einer Strafe verurteilt wurde (und nunmehr wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können), somit nach dem Gesetzeswortlaut nur auf den Fall anwendbar ist, daß in dem früheren Urteil (tatsächlich) eine Strafe ausgesprochen wurde (was bei dem hier gemäß § 31 StGB. berücksichtigten Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 3. Oktober 1978, GZ. 6 Vr 211/78-14, nicht zutrifft, da dieses infolge Anwendung des § 13 Abs. 1 JGG. den Ausspruch einer Strafe nicht enthält), erfordert vor allem § 40 StGB., der die Strafbemessung bei nachträglicher Verurteilung regelt und insoweit § 31 StGB. ergänzt, daß die Zusatzstrafe innerhalb der im § 31 StGB. bestimmten Grenzen so zu bemessen ist, daß die Summe der Strafen jener Strafe entspricht, die bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen wäre, und von einer Zusatzstrafe (nur dann) abzusehen ist, wenn bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die im früheren Urteil verhängte auszusprechen wäre.
Nach dieser Gesetzesstelle kommt somit ein Absehen von einer Zusatzstrafe dann nicht in Betracht, wenn - so wie vorliegend - in dem früheren Urteil die Verhängung einer Strafe (hier aus dem Grund des § 13 Abs. 1 JGG.) überhaupt unterblieben ist. Nur am Rande sei noch bemerkt, daß auch die vom Bezirksgericht Enns in seinem hier in Rede stehenden Urteil zitierte Bestimmung des § 11 JGG. ein Absehen von der Verhängung einer Strafe nicht vorsieht.
b) Für eine Verlängerung der mit Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Jugendschöffengericht am 3. Oktober 1978, GZ. 6 Vr 211/78-14, gemäß § 13 Abs. 1 JGG. bestimmte Probezeit von zwei Jahren durch das Bezirksgericht Enns in dem Verfahren 2 U 102/79 fehlen sowohl die formellen als auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen. Letztere liegen schon deshalb nicht vor, weil bei einer bedingten Verurteilung nach § 13 JGG. eine Verlängerung der Probezeit im Gesetz nicht vorgesehen und unzulässig ist und auch eine analoge Anwendung des § 53 Abs. 2 StGB. (abgesehen davon, daß Friedrich A die den Gegenstand seiner neuerlichen Verurteilung durch das Bezirksgericht Enns zu 2 U 102/79
bildende Tat gar nicht während der ihm vom Kreisgericht Steyr in dem Verfahren 6 Vr 211/78 gemäß § 13 Abs. 1 JGG. bestimmten Probezeit begangen hat) nicht Platz greift (ÖJZ-LSK. 1975/79 und 1977/84).
Im übrigen ist zu der bei einer bedingten Verurteilung nach § 13 JGG. gemäß dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle zu fällenden Entscheidung darüber, ob eine Strafe auszusprechen und zu vollziehen ist, wenn sich innerhalb der Probezeit zeigt, daß die Besserung (des Täters) sonst nicht erzielt werden kann, gemäß § 46 Abs. 4 JGG. das Gericht - nach mündlicher Verhandlung durch Urteil - berufen, das über die Anklage in erster Instanz erkannt hat, wobei eine solche Entscheidung überdies eine entsprechende Antragstellung des öffentlichen Anklägers voraussetzt. Schon daraus erhellt, daß nach dem Gesetz einem Bezirksgericht jede nachträgliche Entscheidung über eine von einem Gerichtshof (hier Jugendschöffengericht) ausgesprochene bedingte Verurteilung nach § 13 JGG. - sei es auch, wie im vorliegenden Fall, durch eine gesetzwidrige Verlängerung der Probezeit - verwehrt ist, zumal seine Zuständigkeit zu einer solchen Entscheidung auch nicht im Wege des § 56 StPO. begründet werden könnte (vgl. § 56 Abs. 2 StPO., demzufolge der Gerichtshof, der sich gegenüber einem Bezirksgericht als das Gericht höherer Ordnung darstellt, im Falle der Vereinigung je eines bei ihm und dem Bezirksgericht anhängigen Strafverfahrens nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle, zur gemeinsamen Führung und Entscheidung derselben berufen ist).
Da der - nach dem Vorgesagten - gesetzwidrige Ausspruch über die Verlängerung der mit Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Jugendschöffengericht vom 3. Oktober 1978, GZ. 6 Vr 211/78-14, bestimmten Probezeit auf drei Jahre durch das Bezirksgericht Enns in dem Verfahren GZ. 2 U 102/79 dem davon betroffenen Friedrich A zum Nachteil gereicht, kann der Oberste Gerichtshof gemäß § 292 StPO. seinem Erkenntnis über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes über eine die Feststellung der durch diesen (die Verlängerung der Probezeit betreffenden) Ausspruch bewirkten Gesetzesverletzung hinaus durch Ausschaltung dieses Ausspruches aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 13. April 1979, GZ. 2 U 102/79-3, konkrete Wirkung zuerkennen. Hingegen hat er sich in Ansehung des in diesem Urteil enthaltenen und insoweit dem Verurteilten Friedrich A zum Vorteil gereichenden Ausspruches über das Absehen von der Verhängung einer Zusatzstrafe in seiner Entscheidung auf die Feststellung einer Gesetzesverletzung (und zwar in den Bestimmungen der §§ 31, 40 StGB.) zu beschränken.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E02402European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00175.79.1219.000Dokumentnummer
JJT_19791219_OGH0002_0120OS00175_7900000_000